Roger Federer verliert im Halbfinal der Australian Open gegen einen unfassbar starken Novak Djokovic mit 1:6, 2:6, 6:3 und 3:6.
ie Rod-Laver-Arena stand kopf. 15 000 Zuschauer johlten und tobten, sie alle hatte es von den Sitzen gerissen. Es war der spektakulärste Ballwechsel in diesem Halbfinal gewesen und nun feierten sie ihren Liebling Roger Federer frenetisch mit Standing Ovations und tosendem Applaus. Der Baselbieter hatte Novak Djokovic mit dem Stoppball ans Netz gelockt, der überlobbte Federer und jagte ihn damit zurück an die Grundlinie – der schnappte den Ball noch, es ging weiter vor und zurück zwischen ihnen, bis Federer aus dem Lauf heraus seine Rückhand perfekt die Linie hinunter schlug.
Djokovic konnte nur mit grossen Augen daneben stehen. Federer reckte seine Faust, in diesem Moment war er der Boss. Wie schön wäre es für Federer gewesen, wenn er den ganzen Abend so hätte auftrumpfen können. Doch sein Ausnahmetalent blitzte gegen den Weltranglistenersten viel zu selten auf, auch weil dieser es nicht zuliess. So musste sich Federer am Ende der Machtdemonstration des Becker-Schützlings beugen und sich mit 1:6, 2:6, 6:3 und 3:6 geschlagen geben.
«Natürlich hatte ich Ideen, wie ich ihn schlagen wollte. Natürlich hatte ich einen Matchplan. Aber er hat einfach extrem gut gespielt», fasste Federer seine 23. Niederlage im 45. Duell mit Djokovic zusammen. So hatte sich der 34-Jährige das sicher nicht vorgestellt. Die ersten beiden Sätze waren wie im Zeitraffer an Federer vorbeigerauscht, gleich die ersten 12 von 14 Punkten hatte der Serbe einkassiert und spielte derart rasant perfektes Tennis, das wohl selbst Sprint-Ass Usain Bolt nur seine Rücklichter gesehen hätte. «Ich habe auf einem unglaublichen Niveau gespielt», lobte Djokovic dann auch seine eigene Leistung, «die ersten beiden Sätze waren die besten, die ich je gegen Roger gespielt habe.» Der fünfmalige Melbourne-Champion liess Federer in dieser Anfangsphase fast wie einen Amateur aussehen, doch der konnte gegen das unglaublich gute Returnspiel und vor allem die hervorragenden Aufschläge wenig ausrichten.
Djokovic ist der beste Defensivspieler, doch die Qualität seines Services stach an diesem Abend besonders heraus. «Der Aufschlag hat ihm definitiv geholfen», sagte Federer, «früher war der oft wackelig und er neigte zu Doppelfehlern. Aber jetzt schlägt er extrem akkurat auf.» Federer konnte ihn dieses Mal schlecht lesen, und er brachte 36 Prozent von Djokovic’ Aufschlägen nicht zurück. Zudem gelangen dem Serben zehn Asse, Federer lediglich fünf.
Zwei Sätze lang war der Halbfinal eine One-Man-Show, ab dem dritten Satz wurde es doch noch ein Match. «Es ist sicher nicht das Ziel gewesen, langsam anzufangen und dann irgendwann aufzuholen», sagte Federer mit leicht ironischem Unterton, «deshalb bin ich schon enttäuscht, dass ich so schlecht angefangen habe.» Doch er glaubte daran, dass er die Partie noch drehen könne, denn «ich kann vier, fünf Stunden rennen. Kein Problem», meinte Federer: «Es meinen nur immer alle, ich sei alt.» Beim Stand von 3:2 im dritten Satz untermauerte er das Gegenteil. Zwölf Minuten dauerte das Aufschlagspiel des Serben, das er schliesslich abgab.
Federer hatte dabei einen extrem kurzen Stoppball noch erlaufen und kurz cross am verdutzten Djokovic vorbeigezirkelt. Da witterten die Anhänger des Schweizers wieder Morgenluft und sahen in dieser Phase endlich jene Partie der beiden grossen Rivalen, die sie sich erhofft hatten. Das Dach über der Arena war mittlerweile geschlossen worden und Federer wähnte sich beim 4:3 im vierten Satz schon in der Verlängerung, als ihm jener spektakuläre Punktgewinn gelang zum 30 beide. Für solche Momente spielt Federer immer noch, für die Anerkennung der Fans und dass sie ihn immer noch siegen sehen wollen. Ausgerechnet in diesem Moment folgte jedoch die eiskalte Dusche. Mit einem Ball, der von der Netzkante noch über den Baselbieter hinweg sprang, kassierte Federer doch noch das ernüchternde Break zum 3:5.
Es war ein Match zwischen Spektakel und Debakel. «Ich weiss, dass ich besser spielen kann, aber ich muss das so akzeptieren, dass er heute stark war», sagte Federer. Und er weiss, dass es nicht leichter werden wird, Djokovic in dieser Form bei einem Grand Slam noch einmal zu packen. Versuchen will er es dennoch unbedingt und verlässt Australien mit einem positiven Fazit. «Ich habe wieder einen tollen Lauf bei einem Slam gehabt. Die Auslosung war schwierig, daher bin ich eigentlich sehr zufrieden, auf welchem Level ich mit meinem Spiel zum Saisonbeginn bin.» Die Niederlage ist kein Rückschlag, sondern Ansporn für Federer. Fortsetzung folgt also, im epischen Duell der Super-Rivalen.
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