Nordische Ski-WM
So feierte er seine Erfolge: Simon Ammann nimmt uns mit auf seinen Flug

Der vierfache Olympiasieger beschreibt seine ganz persönlichen Abläufe und Gedanken rund um einen Sprung.

Simon Ammann
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Die Sonne schien für Simon Ammann in dieser Saison nur selten. Auch an der WM in Lahti gehört der 35-Jährige nicht zum Kreis der Medaillenkandidaten.

Die Sonne schien für Simon Ammann in dieser Saison nur selten. Auch an der WM in Lahti gehört der 35-Jährige nicht zum Kreis der Medaillenkandidaten.

KEYSTONE

«Vor dem Wettkampf gibt es vier verschiedene Phasen der Konzentration, die man beherrschen muss. Man fokussiert und fährt dann wieder herunter. Schon beim Aufwachen denkt man zum ersten Mal an den Wettkampf, holt bei seinem Körper die ersten Feedbacks ab: Wie fühle ich mich, bin ich wirklich fit? Danach gilt es vor allem ruhig zu bleiben und nicht die Nervosität zu fest aufkommen lassen.

In der konkreten Vorbereitung rufe ich mit spezifischen Übungen ab, was mein Körper heute leisten kann, ob die Koordination des Ablaufs stimmt oder ob ich in einem Bereich noch justieren muss.

Danach fährt man bewusst nochmals runter, bevor es zur Schanze geht. Vor dem Wettkampf auf der kleinen Schanze habe ich sogar gut eine Stunde geschlafen. Die Routine lässt es mir zu, dass ich zwischendurch wirklich abschalten kann. Die Gedanken wandern danach automatisch wieder zum Wettkampf. Auf der Fahrt zur Sprunganlage fängt es dann wirklich an zu kribbeln.

Wenn man bei der Anlage ankommt, fehlen noch die Zuschauer und die Atmosphäre. In diesen Momenten denke ich noch nicht intensiv an den Sprung. Erst an der Schanze läuft die Vorbereitung bei mir auf den Punkt.

Diese sollte im Idealfall automatisch ablaufen. Mein Ablauf hat mir beim Wettkampf auf der kleinen Schanze recht gut gefallen. Bei mir hat der Probesprung meistens nicht die gleiche Intensität wie der Wettkampf. Ich bin ein Wettkampftyp. Im Idealfall ist man gut in Form. Dann ruft man einfach ab, was man schon beherrscht.

Während der Wartezeit oben im Sprungturm geht es kollegial zu und her. So etwas wie Psychokrieg unter den Athleten gibt es im Skispringen wirklich nicht. Bei uns werden dem anderen keine Stöcke zwischen die Beine geworfen.

Jeder ist genug cool, um sich auf seinen Sprung zu fokussieren. Ich selber bin in diesem Moment nicht immer gleich. Wenn ich eine gute Form habe, unterhalte ich mich eigentlich kaum, weil mich die anderen auch nicht besonders interessieren. Es geht eigentlich nur darum, die Zeit verstreichen zu lassen. Auch so etwas muss man als Athlet können.

Ein zufriedener Simon Ammann winkt ins Publikum.

Ein zufriedener Simon Ammann winkt ins Publikum.

KEYSTONE/EPA COMPIC/PEKKA SIPOLA

Wenn man raus auf den Balken kommt, muss ich zuerst ein wenig etwas dafür tun, die Stimmung aufzunehmen. Ich will spüren, wo ich überhaupt bin, dass es hier um eine WM geht. Die Stimmung aufsaugen zu können, entspricht eigentlich dem Idealfall. Es gibt aber auch Sprünge, da ist man derart auf sich fokussiert, dass man gar nichts wahrnimmt. Vielleicht studiert man in diesem Moment noch an einer Fehlerquelle herum.

Wenn man auf das Abwinken des Trainers wartet, dann ist man gedanklich nur noch beim Sprung. Auch während des Anlaufs ist die Konzentration auf den Punkt gebracht. Nach dem Absprung sortiert man sich zuerst einmal, schaut, dass der Ski sauber rausläuft und nicht irgendwelche ungewollte Bewegungen macht – derzeit gerade bei mir ein Thema.

Und dann versucht man einfach nur zu ziehen und zu ziehen. Fertig ist dieser Ablauf wirklich erst, wenn ich unten über die Ziellinie gefahren bin. Es ist auch so, dass der Puls nach der Landung zuerst sogar noch raufgeht. So etwas merkt man selber im Flug nicht.

In diesen Sekunden bin ich quasi unter Hochspannung. Der Puls ist bei 150. Zeit, um in der Luft an etwas anderes zu denken, hat man eigentlich nur bei einem schlechten Sprung. Wenn ich hier auf der grossen Schanze schon bei 100 Metern lande, dann kommen die Emotionen bereits in der Luft.

Im Auslauf versucht man, verschiedene Eindrücke des Sprungs nochmals auf sich wirken zu lassen. Meistens macht man das zu wenig lang. Deshalb ist es immer gut, wenn man sich dafür genügend Zeit lässt. Gerade wenn man noch etwas nach der Routine sucht, wie zurzeit bei mir der Fall.

Als Skispringer hast du im Wettkampf sehr viele Eindrücke in einer sehr kurzen Zeit. Nach einem tollen Flug ist die Freude, die man spürt, wirklich überwältigend. Dann geht es bei mir emotional richtig ab.»

Aufgezeichnet von: Rainer Sommerhalder