Skateboard
One Million Dollar Kid: Wie die 13-Jährige Sky Brown zur Attraktion im Kinderzirkus wurde – und welche Risiken das birgt

Die 13-jährige Sky Brown gewinnt bei den Olympischen Spielen in Tokio die Bronzemedaille. Sie ist das Postergirl der Trendsportart Skateboard, wo der Park zur Manege eines Kinderzirkus wird.

Simon Häring, Tokio
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Sky Brown ist das Postergirl der Trendsportart Skateboard.

Sky Brown ist das Postergirl der Trendsportart Skateboard.

Ben Curtis / AP

Sie hat ein Buch mit dem Titel «Sky's the Limit» geschrieben, als Tänzerin eine Talentshow gewonnen, als Sängerin eine Single aufgenommen, die auf Youtube 3,5 Millionen Mal angeklickt wurde, lebt eine Hälfte des Jahres in Kalifornien und die andere in Miyazaki, Japan, auf der Insel Kyushu, wenn sie gerade nicht bei einem internationalen Wettkampf unterwegs ist. In den sozialen Medien verfolgen über eine Million Menschen die Tricks der Skateboarderin Sky Brown, deren Mutter Japanerin und deren Vater Brite ist, die bei den Olympischen Spielen aber für Grossbritannien antrat. Solche Biografien sind heute an sich nichts Ungewöhnliches mehr.

Doch Sky Brown ist erst 13 Jahre alt. Am Mittwoch gewann sie in Tokio nach bestechendem dritten Lauf Bronze, fiel ihrem Vater um den Hals und wickelte ihren Mädchenkörper in eine britische und japanische Flagge.

Bei den Olympischen Spielen in Tokio gewann Sky Brown Bronze.

Bei den Olympischen Spielen in Tokio gewann Sky Brown Bronze.

Ben Curtis / AP

Sky Browns Bronze-Lauf im Video:

Direkt hinter und direkt vor Brown klassierten sich zwei Japanerinnen - Misuga Okomoto als Vierte und Kokona Hiraki als Zweite, 15 und 12 Jahre alt. Daran gemessen fast schon eine Seniorin ist die erste Olympiasiegerin in der Disziplin Skateboard Park, die 19-jährige Sakura Yosozumi, auch sie eine Japanerin. Gefahren werden je drei Läufe in maximal 60 Sekunden in einer Art Swimmingpool – die «Bowl» – mit steil aufragenden Wänden und scharfen Kurven, bewertet werden Schwierigkeitsgrad, Kreativität, Ausführung und Höhe. Die beste und schlechteste Bewertung der fünf Punktrichter fallen aus der Wertung, massgebend ist nur der beste Lauf.

Das Podest in der olympischen Disziplin Park mit Siegerin Sakura Yosozumi und Kokona Hiraki (l.) aus Japan und der Britin Sky Brown.

Das Podest in der olympischen Disziplin Park mit Siegerin Sakura Yosozumi und Kokona Hiraki (l.) aus Japan und der Britin Sky Brown.

Ben Curtis / AP

Skateboard gilt als eine Schlüsselsportart, um junge Menschen für die Olympischen Spiele zu begeistern. Ausprobiert wurde der Wettbewerb bereits bei den Olympischen Jugendspielen 2014 im chinesischen Nanjing.

In der Kategorie Street gewann eine 13-Jährige

Ungeachtet dessen, dass sie nicht wie erhofft zur jüngsten Olympiasiegerin der Geschichte wurde (die US-Wasserspringerin Marjorie Gestring war 1936 in Berlin mit 13 Jahren und 286 Tagen 263 Tage «älter» als sie), ist Sky Brown das Postergirl des Skateboards. Weil sie das verkörpert, womit die Macher dieser Sportart, die in den 1950er-Jahren in Kalifornien ihren Ursprung nahm und bis vor kurzer Zeit noch mehr für Lebensgefühl als für sportlichen Wettkampf stand, aufladen wollen: jung, multikulturell, weltoffen, immer gut gelaunt, sportlich fair, dem Spektakel verpflichtet. Sky Brown – das One Million Dollar Kid der Trendsportart Skateboard.

Auch in der Disziplin Bank gewann eine Japanerin, Momiji Nishiya, 13-jährig. Vor der Brasilianerin Rayssa Leal, ebenfalls 13, und der Japanerin, Funa Nakayama, 15-jährig. Der Skatepark als Manege eines Kinderzirkus.

Mädchen unter sich: die Japanerin Momiji Nishiya (Mitte) neben der Brasilianerin Rayssa Leal und Landsfrau Funa Nakayama.

Mädchen unter sich: die Japanerin Momiji Nishiya (Mitte) neben der Brasilianerin Rayssa Leal und Landsfrau Funa Nakayama.

Jiji Press / EPA

Youtube, Tiktok, Facebook, Instagram – es ist eine Generation, die diese sozialen Medien nicht als Parallelwelt, sondern als Teil ihrer Lebensrealität begreift. Dass sie das Video des schweren Sturzes, bei dem sie im Frühling 2020 einen Schädelbasisbruch sowie Arm- und Handfrakturen erlitten und bei dem ihr der Helm das Leben gerettet haben, danach auf Youtube teilte, gehört zum Selbstverständnis der erst 13-Jährigen, wie auch der Kommentar dazu: «Das wird mich nicht stoppen. Ich strebe Gold an in Tokio 2021. Bleib stark, bleib positiv», lautete ihre Botschaft:

Stürze und Verletzungen werden in den sozialen Medien inszeniert.

Youtube

Sky Brown ist eine phänomenale Sportlerin, doch das wird in dieser Welt, die ständig nach neuen Helden giert, irgendwann nicht mehr genügen. Sie verlangt nach mehr Profil, nach Menschen, die den Sport transzendieren, die zu Vorbildern werden und sich zu gesellschaftspolitischen Themen äussern. Wie erbarmungslos diese Mühle der Inszenierung funktioniert, hat sich gerade in Tokio gezeigt: Simone Biles und Naomi Osaka machten in den letzten Monaten diese Entwicklung durch. Bei den Olympischen Spielen sollten sie zu den grossen Figuren werden, die alles überstrahlen, stattdessen wurden sie von der öffentlichen Erwartungshaltung erdrückt.

Man wünscht sich, dass es Sky Brown nicht so ergehen wird.