Interview
Skispringer Killian Peier nach der Diagnose Kreuzbandriss: «Meine Vision Olympia 2022 bleibt bestehen»

Der Westschweizer Killian Peier hat an den Schweizer Meisterschaften in Einsiedeln bitter geweint. Inzwischen ist der 25-Jährige am Knie operiert. Er spricht über seinen fatalen 116-Meter-Sprung und einen traurigen Winter - aber nicht über einen möglichen Rücktritt. Und eines möchte er unbedingt gesagt haben: «Skispringen ist kein gefährlicher Sport!»

Ralf Streule
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Killian Peier an der WM 2019 nach einem Sprung von der Normalschanze in Seefeld.

Killian Peier an der WM 2019 nach einem Sprung von der Normalschanze in Seefeld.

Peter Schneider / KEYSTONE

Killian Peier, am Samstag starteten Sie als Favorit zur Schweizer Meisterschaft in Einsiedeln - und nun liegen Sie, frisch operiert, im Spital in Zürich. Können Sie ihre Gefühlslage beschreiben?

Killian Peier: Am Samstag nach der Diagnose Kreuzbandriss war ich untröstlich. Ich habe bis weit in die Nacht hinein geweint. Am Sonntag ging's dann mental schon wieder etwas besser, meine Familie und meine Freundin sind für mich da. Und im Spital bin in guten Händen. Am Montagnachmittag wurde ich operiert, heute oder morgen Donnerstag darf ich nach Hause. Ich würde daher sagen: Es geht mir relativ gut, den Umständen entsprechend.

Wenn man sich den Sturz anschaut, bekommt man das Gefühl, dass Sie sofort wussten, dass die Verletzung gravierend ist.

Ich habe sofort gemerkt, dass sich im Knie etwas falsch anfühlt. Ich wollte es aber nicht wahrhaben und hatte zunächst noch etwas Hoffnung. Denn die Schmerzen waren zu Beginn nicht allzu gross, das kam erst, als der Körper zur Ruhe kam. Die Diagnose war niederschmetternd: Das vordere Kreuzband im rechten Knie war gerissen. Dazu der Meniskus defekt.

Killian Peier bei einer Landung in Einsiedeln in einer Aufnahme von 2018.

Killian Peier bei einer Landung in Einsiedeln in einer Aufnahme von 2018.

Thomas Hodel / KEYSTONE

Können Sie sich erklären, weshalb es zum Sturz und zur Verletzung kam?

Ich war sehr hoch in der Luft. Mein Sprung war sehr gut. Ja, ich kann sagen: Eigentlich bin ich sehr zufrieden mit dem Sprung. Ich bin ein Wettkampftyp und wollte zeigen, dass ich der Stärkste bin im Team. Deshalb wollte ich den weiten Satz mit einem Telemark abschliessen. Das rechte Knie machte nicht mit. Die Trainer meinen, mein rechtes Bein sei etwas weit vorne gewesen. Einen wirklichen technischen Fehler kann ich mir aber nicht vorwerfen. Niemand ist daran schuld, es ist schlicht «Part of the game», wenn man bei gut 116 Metern landet. Man geht Risiken ein.

Seit Simon Ammann vor gut zehn Jahren den gekrümmten Bindungsstab erfunden hat, nahmen die Unsicherheiten bei der Landung zu, heisst es. Es soll seither mehr Verletzungen geben.

Da kenne ich die Zahlen nicht exakt. Vielleicht liegt die Zunahme an Verletzungen auch daran, dass es mehr weitere Sprünge gibt und die Grenzen mehr ausgelotet werden, da die Spitze immer weiter zusammenrückt. Grundsätzlich muss gesagt sein: Es stimmt nicht, dass Skispringen ein gefährlicher Sport ist. Das wird zwar oft behauptet. Die Statistik zeigt aber: Verglichen zum Beispiel mit dem Alpin-Profibetrieb gibt es bei uns weniger Verletzungen.

Killian Peier: Vom Coronafall zum Kreuzbandpatienten

Anfang Oktober waren Killian Peier und sein Teamkollege Andreas Schuler positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das Schweizer Team musste damals in Quarantäne. Ausgerechnet dies war der Grund, dass die Schweizer Meisterschaften auf Ende Oktober verschoben werden mussten - wo sich Peier schliesslich das Kreuzband riss. Laut dem Schweizer Nationaltrainer Ronny Hornschuh hatte Peier nach der Ansteckung kaum Symptome gezeigt. Nach nur drei Tagen habe er sich aber wieder fit gefühlt. Einen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Sturz zu machen, sei somit an den Haaren herbeigezogen. Peiers Ausfall wiege schwer, sagt Hornschuh - sowohl was seine Funktion innerhalb der Gruppe aber auch seine Leistungen angeht. «Er sprang in der Vorbereitung auf sehr hohem Niveau, auf höherem als je zuvor.»

Ist die Landung auf Plastik während der Sommersaison schwieriger als jene auf Schnee?

Das macht kaum einen Unterschied. Ich würde sogar sagen, dass der Plastik etwas sicherer und einfacher ist. Denn der Schnee ist immer etwas anders beschaffen, was etwas mehr Flexibilität braucht. Am Plastik lag's also sicher nicht.

Die Bronzemedaille von der WM 2019 in Innsbruck können sie nun nicht verteidigen. Neun bis zehn Monate müssen Sie pausieren. Denkt man da auch kurz ans Aufhören?

Nein. Meine Vision und mein Ziel bleiben weiterhin die Olympischen Spiele in Peking 2022. Da möchte ich dann nicht nur einfach dabei sein, sondern ein Wort mitreden. Bis dahin dauert es noch mehr als ein Jahr. Da sollte genügend Zeit sein, um wieder heranzukommen an meine Form. Meine grösste Herausforderung wird sein, bis dahin im Kopf fit und motiviert zu bleiben. Wenn mir das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass auch der Körper mitmacht. Natürlich wird es Phasen gebe, in denen ich traurig sein werde. Zum Beispiel, wenn die Kollegen in die Saison starten.

Ihre Formkurve wäre gut gewesen, heisst es. Wären sie der beste Schweizer gewesen in dieser Saison?

Fragen Sie meine Trainer (lacht). Ohne arrogant sein zu wollen: Ich war schon ziemlich gut drauf. Mein Gefühl sagt mir, dass ich nahe an der Spitze war. Bei Sprüngen in Oberstdorf kürzlich kam ich auf Weiten, mit denen ich an der deutschen Sommermeisterschaft auf dem Podest gelandet wäre. Und die Deutschen sind bekanntlich nicht irgendein Team. Schade, werde ich es nie erfahren, was in dieser Saison möglich gewesen wäre. Dass meine Form stimmte, ist aber auch nun nach der Verletzung von Vorteil. Mental hilft mir das in der Verletzungspause.

Wie sehen die kommenden Wochen aus? Beginnt sogleich die Reha?

Nein, bis Ende Jahr werde ich gezwungenermassen «chillen». Da es auch meinen Meniskus erwischt hat und dieser genäht werden musste, brauche ich mindestens sechs Wochen komplette Ruhe fürs Knie. Anfang Jahr wird dann der Wiederaufbau beginnen.