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Zum dritten Mal fährt Beat Feuz in der Abfahrt in Kitzbühel auf Rang zwei – sauer auf Sieger Dominik Paris ist er deswegen nicht.
Es ist ja schon fast verhext. Seit Beat Feuz 2016 zum ersten Mal in der Abfahrt von Kitzbühel auf Rang zwei fuhr, ist er jedes Mal ganz nah dran am Sieg. Nur klappen will es einfach nicht. Auch am gestrigen Freitag. Und doch sagt er: «Ich habe mich wohl noch nie so über einen zweiten Rang gefreut.»
Feuz und die Streif – es ist seit 2016 eine Liebes- und Leidensgeschichte. Dreimal war er Zweiter, einmal schied er mit Bestzeit aus. Ein Blick auf vier verrückte Rennen in Kitzbühel:
2019: Beat Feuz sagt im Ziel: «Ich könnte heute noch 100-mal runterfahren, ich wäre nie schneller.» Dem 31-Jährigen gelingt eine ideale Fahrt. Und dies, obwohl er am Vortag einen, wie er es nennt, «Scheiss-Tag» einzog. Im Training macht er zwei Fehler, die auch einen Aufenthalt im Krankenhaus zur Folge hätten haben können. «Das hat mich verunsichert», sagt Feuz. «Entsprechend gross war die Überwindung am Renntag.»
Doch dann gelingen ihm die Mausefalle, der steilste Teil der Piste, und die Ausfahrt aus dem Steilhang. Und plötzlich ist das Gefühl, sein Instinkt zurück – und Feuz ist schnell. «Schneller hätte ich nicht fahren können. Das war eine Fahrt am absoluten Limit.» Und doch ist einer 20 Hundertstelsekunden schneller: Dominik Paris. Der 29-jährige Italiener aus dem Südtirol ist nun dreifacher Abfahrtssieger auf der Streif. Besser sind nur drei Legenden: Franz Klammer und Karl Schranz mit vier und Didier Cuche mit fünf Siegen. Feuz sagt: «Wenn hier einer dreimal die Abfahrt gewinnt und bei diesen Verhältnissen eine solche Fahrt zeigt, hat er den Sieg einfach verdient.»
Schneefall und diffuse Sicht machen das Rennen sehr schwierig. Feuz und Paris, zwei der besten Abfahrer der Gegenwart, kommen klar am besten zurecht. Erst als die Sonne durch die Wolken drückt, müssen sie zittern. Plötzlich fährt der Österreicher Otmar Striedinger mit Startnummer 27 auf Rang 3. Doch dabei blieb es. Dominik Paris kommt aus Ulten, einer abgelegenen Gemeinde, wo die Menschen einen sehr speziellen deutschen Dialekt sprechen. Er sagt: «Beat zu schlagen, das macht mich stolz.»
Die beiden verstehen sich sehr gut. «Wir sind ähnliche Typen», sagt Feuz. Auf und neben der Piste ticken sie ähnlich. Einzig der Musikgeschmack trennt sie. Paris singt in einer Heavy-Metal-Band – oder eher: Er schreit. «Damit kann ich nichts anfangen», sagt Feuz. Dafür können sie sich über das Wechseln von Windeln austauschen. Beide wurden im Sommer erstmals Vater. «Weil sich auch unsere Freundinnen sehr gut verstehen, sehen wir uns ziemlich oft», sagt Feuz.
2018: Vor einem Jahr sieht Beat Feuz wie der sichere Sieger aus. Doch dann wird das Wetter besser und Thomas Dressen fährt überraschend zum Sieg. Gestern Freitag im Ziel sagt der Deutsche, der sich zu Saisonbeginn das Kreuzband riss und den Rest des Winters verpasst: «Es hat damals einfach alles gepasst.» Für Feuz war es der brutalste zweite Rang.
2017: Im Ziel wartet Dominik Paris in der Leaderbox, als Beat Feuz mit einer Fabelzeit über den Hausberg kommt. Doch in der Zieltraverse stürzt er und fliegt in die Fangnetze. Unverletzt sagt er im Ziel: «Ich war brutal schnell. Ich riskierte die Siegerlinie. Aber es kann auch die Abschusslinie sein.» Besonders bitter: Beim zweiten Abfahrtstriumph von Paris nach 2013 hätte es wohl gar nicht so viel Risiko für den Sieg gebraucht.
2016: In der Vorbereitung auf die Saison zieht sich Beat Feuz einen Teilabriss der Achillessehne zu. Ohne Abfahrt trainiert zu haben, kehrt er in Wengen in den Weltcup zurück und wird Elfter. Eine Woche später fährt er in Kitzbühel als Zweiter auf das Podest. Er sagt im Ziel: «Ich kann das alles gar nicht realisieren. Ich hätte für viel weniger unterschrieben: für die Top 15 vielleicht.»
Dreimal war Feuz in der Abfahrt in Kitzbühel also schon auf Rang zwei klassiert. Ein Sieges-Fluch ist es aber nicht. Dafür sind die Geschichten dahinter zu unterschiedlich. «Wenn es mein Körper zulässt, will ich noch ein- oder zweimal zurückkommen und versuchen, zu gewinnen», sagt Feuz. «Und sonst muss ich später an eine Ü40-Abfahrt in Kitzbühel, um hier zu gewinnen. Da Dominik zwei Jahre jünger ist, habe ich zwei Versuche, bis er starten dürfte.»
Paris und Feuz lachen. Sie verstehen sich. Und beide wissen, dass es nicht nur um Siege geht. Sie kennen beide auch die Schattenseiten im Leben. Feuz hätte 2012 nach einem Knieinfekt fast sein Bein verloren. Paris musste miterleben, wie kurz nach seinem ersten Sieg auf der Streif sein Bruder bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Solche Erlebnisse relativieren vieles.