Olympischen Winterspiele
«Sion 2026» – der Stoff, aus dem olympische Illusionen sind

Klaus Zaugg
Klaus Zaugg
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Jean-Philippe Rochat, Präsident des Komitees Sion 2026, will die Olympischen Spiele in die Schweiz holen.

Jean-Philippe Rochat, Präsident des Komitees Sion 2026, will die Olympischen Spiele in die Schweiz holen.

Keystone

nd jetzt also Sion 2026. Olympische Winterspiele in der Schweiz. Die grösste Illusion der modernen Geschichte der Schweiz lebt. Olympische Winterspiele eine Illusion? Ja. Dabei wäre ein Land mit dem Reichtum, der Infrastruktur und der Sportkultur der Schweiz problemlos dazu in der Lage, diese Spiele zu organisieren.

Der Nutzen für unser Land, für die Infrastruktur, aber auch für das seelische Wohlbefinden für unser Land ist eigentlich unbestritten. Olympische Spiele in der Schweiz wären ein starkes Signal unserer Stärke. Die Spiele wären in Sion 2026 genauso machbar und finanzierbar wie 1928 und 1948 in St. Moritz. Aber warum eine Illusion? Die Antwort auf diese Frage ist bereits gestern mit dem offiziellen «Startschuss» zur Kandidatur 2026 beantwortet worden. Der Exekutivrat von Swiss Olympic (sozusagen der Bundesrat des Schweizer Sports) hat mit 12:1 Stimmen beschlossen, diese Kandidatur aufzugleisen. Nicht einmal das höchste Gremium unseres Sportes unter dem Präsidium von Jürg Stahl brachte Einstimmigkeit zustande.
Diese eine Gegenstimme ist mehr als eine Episode. Die Schweiz ist auch dank ihres föderalistischen Systems eines der erfolgreichsten Länder. Aber dieses System erschwert die vorbehaltlose Begeisterung des ganzen Landes, aller Stände, aller Gesellschaftsschichten für eine Idee. Erst recht für den Sport. Denn der Sport hat bei weitem nicht die politische und gesellschaftliche Bedeutung, die er haben müsste. Und wie soll es denn eine nationale Begeisterung quer durch alle Parteien für Winterspiele geben, wenn nicht einmal Jürg Stahl bei Swiss Olympic für Einstimmigkeit sorgen kann?

Bis 2019 muss die Kandidatur stehen

Hat diese Bewerbung eine Chance? Theoretisch ja. Praktisch nein. Die politischen Hürden sind zwar durch einen schlauen Schachzug nicht unüberwindlich hoch: Die Kosten für den Steuerzahler werden auf fünf Kantone (Wallis, Waadt, Bern, Fribourg, Graubünden) verteilt und damit wird es möglich, den Radar der obligatorischen Volksabstimmung zu unterfliegen. Voraussichtlich braucht es nur ein «Ja» im Standortkanton Wallis. Das Konzept ist zwar mit mehr als 10 Wettkampforten dezentralisiert. Aber das ist auch bei den anderen voraussichtlichen Bewerbern (Innsbruck, Lillehammer, Stockholm, Calgary, Almati, Sapporo) so. Wer wirklich antritt, wird erst im August 2019 bekannt sein – bis dahin muss auch die Kandidatur «Sion 2026» parat sein.

Am «Dossier» wird «Sion 2026», wenn es denn alle innenpolitischen Hürden genommen hat, nicht scheitern. Die Kandidatur wird in jeder Beziehung auf Augenhöhe mit den anderen Bewerbern stehen. Aber am Ende an unserer Naivität scheitern. Wie schon bei der Bewerbung «Sion 2006» werden unsere tüchtigen Funktionärinnen und Funktionäre, unsere Politikerinnen und Politiker die Einzigen sein, die davon ausgehen, dass niemand bestochen werden muss. Olympische Illusionen eben.

Die sportliche Kultur der Schweiz verpflichtet

Aber warum dann überhaupt eine Kandidatur? Solange der Schweizer Sport lebt, ist es seine Pflicht, sich in regelmässigen Abständen für die Winterspiele zu bewerben. «Wir bewerben uns für Olympische Spiele, also sind wir.» Und schliesslich und endlich ist so eine Bewerbung eine wunderbare Geschäftsidee. Geschäftsidee? Ja. Am Ende des Tages geht es ums Geschäft. Wer wird, wenn irgendwo ein Goldrausch ausbricht, verlässlich und unspektakulär reich? Auch dann, wenn das Ziel (das Gold zu finden) nicht erreicht wird? Die Schaufel- und Schubkarrenverkäufer.

So ist es beim olympischen Bewerbungsrausch. So eine Bewerbung öffnet viele, viele Kassen, öffentliche und private, und viele, viele Menschen können viel, viel Geld verdienen. Ach, was es bei einer Bewerbung alles für Konzepte zu schreiben, Analysen zu machen, Gutachten zu erstellen, Pläne zu erarbeiten, Büros einzurichten, Reisen zu machen und Sitzungen abzuhalten gilt! Und die Eitelkeiten kommen ob der Medienpräsenz jeder Bewerbung auch nicht zu kurz. «Sion 2026» ist eine schöne Geschichte, liefert uns Stoff für olympische Illusionen und Wirtschaftsförderung im besten Wortsinne.