Federer-Out
Severin Lüthi vergleicht seinen Star mit einer Kreditkarte

Am Morgen nach dem Federer-Schock beantwortet Davis-Cup-Captain und Federer-Coach Severin Lüthi für die «Nordwestschweiz» die wichtigsten Fragen. Als Leiter der Schweizer Tennisdelegation für Rio muss Lüthi auch einen neuen Partner für Martina Hingis finden.

Jakob Weber
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Roger Federer gibt seinem Körper ausreichend Zeit für Regeneration, damit er noch lange spielen kann.

Roger Federer gibt seinem Körper ausreichend Zeit für Regeneration, damit er noch lange spielen kann.

KEYSTONE

Severin Lüthi, Roger Federer beendet die Saison und verpasst die Olympischen Spiele in Rio. Wie habe Sie von dem Entscheid erfahren?

Severin Lüthi: Wir sind natürlich ständig in Kontakt gewesen. So war ich auf dem Laufenden. Wir haben die Situation immer wieder besprochen. Schon während den letzten Turnieren, als Roger nicht zu 100 Prozent fit war, ist das immer wieder ein Thema gewesen.

Wie schlimm steht es denn um das Knie?

Da geht es einzig und allein um die Rehabilitation und den Wiederaufbau. Eine weitere Operation ist nicht nötig, weil es keine Komplikationen im Knie gibt. Rogers Ziel ist es, noch lange auf allerhöchstem Niveau auf der Tour zu spielen. Diese lange Pause kann nun auch eine Chance sein, denn ein solcher Aufbau ist sonst nicht möglich.

Wenn die Knieverletzung nicht schlimmer geworden ist, warum dann die lange Pause?

Eine OP hat immer auch Konsequenzen. Das ist bei Roger nicht anders. Man verliert Muskelmasse und ist deswegen anfälliger für Verletzungen. Die Rückenprobleme vor Paris sind auch darauf zurückzuführen. Man kann das mit einer Kreditkarte vergleichen. Da kann man auch nicht immer nur abbuchen, sondern muss auch mal wieder aufladen. Tut man das nicht, spielt der Körper irgendwann nicht mehr mit.

Also hat man die Olympischen Spiele für weitere Jahre auf der Tour geopfert?

Ja.

Trauen Sie Federer nach einer so langen Pause die Rückkehr in die Weltspitze zu?

Natürlich stellt man sich auch diese Frage, zudem man bis zu einem gewissen Grad auch mit schlimmeren Verletzungen noch Tennis spielen kann. Gewisse Spieler machen das. Roger zum Glück nicht, denn irgendwann ist der Kredit aufgebraucht und dann kann man gar nicht mehr weiterspielen. Die Rückkehr in die Weltspitze traue ich ihm absolut zu.

Welche Auswirkungen hat das Rio-Out für das Schweizer Doppel?

Das wird in den nächsten Tagen entschieden. Wenn jemand mit Martina Hingis Mixed-Doppel spielt, dann Stan Wawrinka. Die anderen Männer sind nicht gut genug klassiert. Deshalb fällt das Männer-Doppel sicher aus.

Wie wirkt sich die lange Pause auf das Ranking von Federer aus?

Roger wird sich im Januar wohl um Position 15 wiederfinden und dann auch mit diesem Ranking spielen. Das «Protected Ranking» hilft ihm in diesem Fall nicht, da er immer noch gesetzt ist. Für mich ist das aber kein Nachteil. Wir sind in der glücklichen Position, dass ein topfitter Federer jeden schlagen kann. Dann spielt das Ranking nicht so eine grosse Rolle, wie beispielsweise für einen Spieler, der gegen Top 10-Spieler nicht gewinnen kann. Roger muss nicht auf Losglück hoffen.