Die Schweiz trägt am Sonntag ihr kapitales Qualispiel gegen Italien aus. In Basel muss das Team von Murat Yakin vor allem beweisen, dass es auch ohne wichtige Stammspieler wie Xhaka, Shaqiri, Freuler oder Embolo auskommen kann. Neun Fragen und Antworten vor diesem Schlüsselspiel.
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Um im November 2022 an der WM in Katar ganz sicher dabei zu sein, muss die Schweiz nach den acht Qualifikationsspielen auf Platz 1 der Gruppe C stehen. Bedeutet: vor Europameister Italien. Es ist eine grosse Herausforderung, entscheidend werden wohl die Direktduelle. Darum ist der erste Vergleich am Sonntag wegweisend. Weil Italien gegen Bulgarien am Donnerstag nur Unentschieden spielte, ist die Schweiz im Vorteil – falls es ihr gelingt, in den beiden Direktduellen gleich viele Punkte zu holen wie Italien (je ein Sieg oder zwei Remis). Dann würden vier Siege gegen Nordirland (2x), Litauen und Bulgarien für den Gruppensieg reichen. Denken die Schweizer Spieler bereits so weit? «Nein», sagt Nico Elvedi, «selbst wenn wir Italien besiegen, gäbe es noch genügend Partien, wo alles passieren kann.»
Die zehn Gruppenzweiten der WM-Qualifikation bestreiten mit zwei Teams aus der Nations League ein Playoff um die letzten drei WM-Startplätze. Der Modus ist neu, an die WM fährt nur, wer einen Halbfinal und einen Final gewinnt – ohne Rückspiele. Die sechs besten Gruppenzweiten haben in den Halbfinals Heimrecht (Rangliste der Zweiten gemäss Punkten in den Gruppenspielen, wobei die Partien gegen allfällige Gruppensechsten gestrichen werden). Wo die Finals stattfinden, bestimmt dann das Los.
Italien, ohne jeden Zweifel. Die «Squadra Azzurra» wurde vor zwei Monaten Europameister, ist die Nummer fünf der Welt – und ungeschlagen seit September 2018 und einer Niederlage gegen Portugal. Auch wenn sich das 1:1 gegen Bulgarien wie eine Niederlage anfühlte, haben die Italiener ihre eindrückliche Serie fortgesetzt und mit 35 Spielen ohne Niederlage den Weltrekord von Brasilien und Spanien egalisiert. Mit einem Punktgewinn gegen die Schweiz würden sie alleinige Rekordhalter.
Zudem ist bei den Schweizern sehr vieles neu. Trainer Murat Yakin wird eine Formation aufstellen, die nach diesem Sonntag wohl nie mehr so beginnen wird, weil mit Xhaka, Freuler, Shaqiri und Embolo vier Stammspieler fehlen, dazu mit Gavranovic auch der beste Joker.
Die Schweiz hofft auf viel Energie aus dem Publikum – der St.-Jakob-Park wird ausverkauft sein – und auf eine erste magische Eingebung von Trainer Yakin.
So schwer, dass es wohl kaum in Worte zu fassen ist. Xhaka hat Corona, er ist der Captain, international der Erfahrenste, ein Topmann. Aber eben auch problembeladen. Freuler ist gesperrt gegen Italien wegen einer roten Karte, die Frage mag erlaubt sein, weshalb von einem EM-Turnier (Uefa) eine Sperre mitgenommen wird in einen WM-Qualifikationsturnus der Fifa. Gegen die Griechen präsentierte sich Freuler gut, vor allem würde er den Gegner Italien wie seine Westentasche kennen.
Dann fehlt wegen Trainingsrückständen oder Verletzungen geballte Offensivkraft. Shaqiri, Embolo und Gavranovic erzielten fünf von acht Toren an der EM. Eigentlich ist die Hypothek mit der Abwesenheit des Quintetts zu hoch. Nur: Des einen Leid könnte auch des anderen Freud sein, vielleicht geht Zeqiris Stern auf, vielleicht explodiert der «kleine» Steffen und macht sich ganz «gross».
Der Captain muss sich nach seiner Corona-Infektion isolieren. Er verpasst nicht nur das Italien-Spiel, sondern auch die Partie in Nordirland. Im Oktober könnte er gegen Nordirland und Litauen zurück sein, falls er die Infektion schadlos übersteht. Einen Ratschlag für die Zukunft erhielt der impfskeptische Xhaka überdies von José Mourinho, Trainer der AS Roma, die im Sommer an Xhaka interessiert war. «Hol dir den Piks und bleib gesund», twitterte Mourinho am Freitag.
Das verwundert schon ein wenig, zumal Zuber nach den Sommerferien einzig am 8. August neun Minuten mit Frankfurt im DFB-Pokal spielte und sich kurz danach auf Klubsuche begab, die bei AEK Athen endete. Der 30-Jährige sagt, es sei zuletzt eine etwas komische Zeit gewesen, den Fokus habe er aber nie verloren. «Der Spass am Fussball ist ja immer noch derselbe.»
Zuber ist ein Typ Mensch, der sich nicht von Gedanken ablenken lässt, seien sie privater oder sportlicher Natur. Und oftmals wird er ja auch ein wenig unterschätzt, ehe ihm dann Leistungen gelingen, mit denen er jeden zu überzeugen weiss (Stichwort WM 2018 mit dem Tor gegen Brasilien). Zudem ist er ein Stimmungsspieler, er muss das Vertrauen des Trainers spüren. Je mehr Petkovic auf ihn setzte, desto besser wurde er. Murat Yakin kennt er bereits aus der U21 von GC, auch er scheint überzeugt von Zuber. Und der Spieler scheint zu spüren, dass sein Standing im Team immer weiter wächst – das gibt Selbstvertrauen.
Glaubt man den Voten der Spieler, so lautet die Antwort: einiges! Kompakter wollen sie sein, besser und als Mannschaft verteidigen. Füreinander kämpfen und laufen. Keine Angst haben, dafür Mut. Und Yakin betont während dieser Woche immer wieder: «Wir wollen auch aggressiv sein.» Die Liste der Unzulänglichkeiten in Rom war lang. Nun kommt die rasche Chance auf Besserung. Vielleicht ist das gar nicht so eine schlechte Ausgangslage.
Nicht gross – warum auch? Gegen Bulgarien begannen neun Spieler, die auch am 11. Juli gegen England im EM-Final in der Startformation standen. Einige haben den Arbeitgeber gewechselt, Locatelli beispielsweise spielt nun für die Juve, Donnarumma für París Saint-Germain. Noch immer zahlenmässig prominent vertreten in Mancinis Kader ist dieses widerspenstige Sassuolo mit drei Akteuren. Nach zwei Kreuzbandrissen zurückgekehrt ist Zaniolo, der bei der AS Roma als Zukunftshoffnung gilt, mittlerweile aber auch schon 22 ist.
«Senator» Chiellini, im August 37 Jahre alt geworden, hat das Wort «Rücktritt» nicht wie erwartet in den Mund genommen. Am Sonntag gegen die Schweiz dürfte er gemäss italienischen Medien auflaufen, nachdem er gegen Bulgarien noch angeschlagen fehlte.
Die Ausgangslage ist so spannend wie kaum je. Die Abwehr scheint mit Torhüter Sommer, Widmer, Elvedi, Akanji und Rodriguez gegeben, falls Yakin auf die Viererkette setzt. Im Mittelfeld sind Aebischer, Zakaria und Sow denkbar, vielleicht rutscht als Sechser irgendwie ja noch Schär rein, oder sogar der nachnominierte Routinier Frei, welcher der Defensive und dem Mittelfeld Stabilität geben könnte. In der Offensive dürften sowohl die Hoffnungen als auch die Last auf Zuber, Seferovic und dem in der Bundesliga gut in die Saison gestarteten Steffen liegen.