Tennis
Roger Federers lukrativer Pakt mit China

Weshalb Roger Federer für ein Wochenende zwei Mal über 6300 Kilometer von Dubai nach Hangzhou in Ostchina und wieder zurück fliegt.

Simon Häring
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Roger Federer erfreut sich auch in China grosser Popularität.

Roger Federer erfreut sich auch in China grosser Popularität.

CH Media

Meterhohe Wände sind mit seinem Konterfei tapeziert, bereits am internationalen Flughafen weisen Plakate auf den prominenten Besucher aus der Schweiz hin: Tennis-Spieler Roger Federer gastiert an diesem Wochenende in der 9-Millionen-Stadt Hangzhou, gelegen an der Mündung des Qiantang-Flusses in Ostchina. Das Programm ist dicht gedrängt: Am Samstag bestreitet der 38-Jährige an der Seite des Deutschen Alexander Zverev ein Doppel gegen die Gebrüder Bryan aus den USA. Am Sonntag misst sich der Schweizer – wie schon in Lateinamerika – mit Zverev, der bei seiner Agentur Team 8 unter Vertrag steht. Schauplatz ist ein Stadion, das 10'000 Zuschauer fasst, ein futuristischer Bau, das verschliessbare Dach einer Lotus-Blüte nachempfunden. Dazwischen schreibt Federer Autogramme, spielt mit Kindern und nimmt an einem Charity-Dinner teil.

Die Reise ist kurz und unterbricht die wichtigste Phase der Vorbereitung auf die neue Saison, die Federer im 6300 Kilometer entfernten Dubai an seinem Zweitwohnsitz am persischen Golf bestreitet. Federer sagt: «Ich spiele gerne an neuen Orten. Ich versuche, gegen Ende meiner Karriere dorthin zu reisen, wo ich noch nie war und wo ich das Tennis voranbringen kann.» Das ist die romantische Deutung. Die andere ist eine pragmatische. Wie die Reise nach Lateinamerika ist auch jene nach China geschäftlich motiviert. Mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern ist das Reich der Mitte der wichtigste Markt im asiatischen Raum. Wie überall auf der Welt ist Federer zwar auch dort bereits äusserst populär, doch sein Manager Tony Godsick sieht die Zitrone noch nicht ganz ausgepresst. Das erfordert Federers Präsenz. Höchstpersönlich, wenn auch nur für wenige Stunden.

Roger Federer vertritt in Hangzhou sich selbst – und zahlreiche Sponsoren.

Roger Federer vertritt in Hangzhou sich selbst – und zahlreiche Sponsoren.

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Federer soll für On, Uniqlo und Jura China erobern

Nicht nur für Federer selber, auch für viele seiner Sponsoren steht China künftig vermehrt im Fokus. Das gilt nicht zuletzt für seinen japanischen Ausrüster Uniqlo, der ihn im Sommer 2018 mit einem Vertrag über zehn Jahre ausgestattet hat, der Federer laut Branchenkennern gegen 300 Millionen Dollar einbringt. 700 Läden betreibt Uniqlo derzeit in China, in den nächsten drei Jahren sollen 1000 weitere dazukommen. Wachsen will im autokratischen Staat auch die Zürcher Sportschuh-Firma On Running, bei der Federer im Oktober mit einem geschätzten Volumen zwischen 50 und 100 Millionen Franken eingestiegen ist. Der Vertrieb erfolgt über Büros in den USA, China, Japan, Australien und Brasilien sowie über 6000 Fachgeschäfte. Das erst 2010 gegründete Unternehmen hat sich in einem hoch kompetitiven Markt gegen global agierende Weltkonzerne etabliert.

Schon bevor Federer als Markenbotschafter einstieg, galt On als Unicorn. Als Unternehmen also, dessen Wert vor einem möglichen Börsengang auf über eine Milliarde US-Dollar taxiert wird. In diesem Jahr war On bereits zum vierten Mal in Folge die am schnellsten wachsende Laufschuhmarke der Welt. Zuletzt lag das Plus bei sagenhaften 150 Prozent. Unbegrenzt ist Wachstum bekanntlich nicht, doch das Potenzial scheint noch nicht ausgeschöpft. Vor allem in China, wo On einen Grossteil seiner Produkte herstellen lässt. On glaubt daran. Und Teilhaber Federer glaubt daran. «Mit Roger, mit seiner Strahlkraft, können wir in diesen Ländern noch schneller neue Fans für unseren Schweizer Laufschuh gewinnen», sagte Mitgründer David Allemann in der «Handelszeitung». Mit Jiahui Yin sitzt seit Oktober 2018 auch eine Chinesin im Verwaltungsrat von On.

Federer wirbt für Asienspiele 2022 in Hangzhou

Nicht nur On sieht in Federer einen Dosenöffner für den chinesischen Markt. Auch das Lindt & Sprüngli setzt auf das blütenweisse Image des Tennis-Spielers. Mitte Oktober lancierte der Schokoladenhersteller eine Kampagne, in der Federer an der Seite der populären Schauspielerin Xin Zhilei chinesischen Konsumenten Schweizer Süssigkeiten schmackhaft machen soll. In weniger als einer Stunde soll das Video über 12 Millionen Zuschauer erreicht haben. Pünktlich zu Weihnachten erschien ein zweites Video, an dessen Ende Federer in Mandarin ein gutes neues Jahr wünscht. Jedes Rädchen, noch so kleine Detail in dieser gigantischen Maschinerie der Vermarktung scheint perfekt geölt zu sein. Denn auch bei Federers Sponsor Jura denkt man an die chinesische Kundschaft. In «Fresh Back in Shanghai» bittet der Baselbieter seine Nachbarin um Kaffeebohnen.

Federers Pakt mit China geht indes noch viel weiter. Für das Hangzhou Tennis Invitational hat er sich bis 2023 verpflichtet. Veranstaltet wird das Turnier von einem Tochterunternehmen der Shanghai Jiushi Group. Der Mischkonzern, der auch das Tennis-Turnier und das Formel-1-Rennen in Shangai durchführt, setzt jährlich 2,6 Milliarden Dollar um und befindet sich vollumfänglich in staatlicher Hand. In der Hysterie um seinen Besuch in China fast untergegangen ist die Meldung, wonach sich Federer für Werbeaufnahmen für die Asienspiele einspannen lässt, die 2022 in Hangzhou stattfinden. Wie jeder grosse Sportanlass in China steht auch dieser im Verdacht, zur globalen Imagepflege des Landes genutzt zu werden. Und wessen Gesicht wäre dafür geeigneter als jenes von Roger Federer, dem Inbegriff von Konsens, Diplomatie und Neutralität?