Die Schweiz ist zurück auf Titelkurs. Auf das 0:7 gegen Schweden folgt ein 8:1 gegen die Slowakei. Raphael Diaz ist der neue Roman Josi.
Auf Titelkurs? Das mag eine gar euphorische Formulierung sein. Aber wir sehen in Riga die WM der unmöglichen Möglichkeiten. Ein Turnier, so ausgeglichen wie wahrscheinlich noch keines in der Neuzeit. Für eine Mannschaft, die dazu in der Lage ist, mit einem 8:1 auf ein 0:7 zu reagieren, ist bei dieser WM alles möglich. Hat es je auf höchstem internationalen Niveau ein solches Comeback gegeben? Nein. Die beiden Resultate sind ja gegen nominell ungefähr gleich starke Gegner herausgespielt worden. Die Slowaken hatten immerhin die drei ersten WM-Partien gewonnen.
Die Schweizer verdanken den Sieg nicht einem spektakulären Sturmlauf. Es ist der zwingende, logische Triumph einer schon fast «gnadenlosen» Kaltblütigkeit und erstaunlichen taktischen Reife. Acht Tore aus 28 Schüssen, nachdem gegen Dänemark aus 30 Abschlüssen nur ein einziger Treffer resultiert hatte. Hatten wir je in der WM-Geschichte eine bessere Chancenauswertung? Wohl nicht.
Was war anders als beim 0:7 gegen Schweden? Die Schweizer spielten konzentrierter, ruhiger, präziser. Gegen Schweden blieb das erste Powerplay ungenutzt. Nun führten die zwei ersten gegnerischen Ausschlüsse gleich zu zwei Treffern. Grosse Teams nützen Strafen aus – kleine nicht. Gegen Schweden traten die Schweizer wie ein kleines Team auf, nun gegen die Slowaken wie ein grosses. Was definitiv nur eine grosse Mannschaft vermag: von einem Spiel zum nächsten von klein auf gross umzuschalten. Nun ist alles möglich: der WM-Titel im besten und sogar das Scheitern in den Gruppenspielen im schlechtesten Fall.
Eine zentrale Rolle bei der «Auferstehung» spielt Captain Raphael Diaz. Der grosse Steuermann der WM-Silberteams von 2013 und 2018 war Roman Josi. Er wird nach wie vor in Nashville gebraucht. Diaz hat seine Rolle übernommen, erzielte das 1:0 im ersten und assistierte zum 2:0 im zweiten Powerplay. Diese Startphase ist die Basis des Comebacks und geht ob des danach einsetzenden Spektakels schon beinahe vergessen.
Das 0:7-Debakel gegen Schweden hat das Selbstvertrauen nicht erschüttert. Es hat dem Team gutgetan und zu einer Justierung des Powerplays und der Taktik, einem Zusammenrücken und zum bisher besten Spiel in Riga geführt. Trainer Patrick Fischer hat in einer kritischen Lage die richtigen Worte gefunden. Im Hinblick auf die «K.-o.-Phase» ab dem Viertelfinal muss er entscheiden, wer die Nummer eins ist. Leonardo Genoni oder Reto Berra? Statistisch ist Berra nach dem 1:0 gegen Dänemark und dem 8:1 gegen die Slowakei mit einer Fangquote von 96,43 Prozent die Nummer eins. Genoni mag mit einer Fangquote von 84,21 Prozent ein Lottergoalie sein. Aber er ist der Mann der grossen Spiele. Weltmeister werden wir nur mit einem grossen Goalie.
Telegramm
Schweiz – Slowakei 8:1 (1:0, 3:0, 4:1)
Riga – SR Gouin/Frano.
Tore: 10. Diaz 1:0. 21. Andrighetto 2:0. 26.Loeffel 3:0. 37. Hofmann 4:0. 41. Meier 5:0. 45.Kurashev 6:0. 46. Kristof 6:1. 53. Hofmann 7:1. 55. Loeffel 8:1. Strafen: 4-mal 2 Minuten gegen Schweiz, 5-mal 2 Minuten plus 2 Spieldauer-Disziplinarstrafen gegen Slowakei.