An der Tour de Romandie ist Gino Mäder die Schweizer Hoffnung in der Gesamtwertung. Für ihn beginnt die Saison erst jetzt so richtig.
Der Start zum Prolog der 75. Tour de Romandie ist nur noch einige Minuten entfernt, als Gino Mäder aus dem Teambus kommt. Die Nervosität ist ihm ein wenig anzumerken, noch grösser aber ist die Vorfreude. «Jetzt kommt der Sommer und für mich beginnt die Saison endlich so richtig.»
Während andere wie etwa Stefan Küng, die grosse Schweizer Figur der Frühlingsklassiker, sich gerade erholen, beginnt für den Rundfahrer Mäder die heisse Phase der Saison. Zunächst der Start mit der Tour de Romandie, dann die Tour de Suisse und erstmals für ihn die Tour de France. Vielleicht, wenn er noch Körner hat, nimmt er auch noch die Vuelta a España mit.
Die Tour de Romandie gilt für Gino Mäder als «erstes grosses Saisonziel». «Im Winter hatte ich Rennen wie diese vor Augen, wenn ich im schlechten Wetter trainieren musste», erzählt er. Bei der Westschweizer Rundfahrt startet der 25-jährige Oberaargauer gemeinsam mit Damiano Caruso als Captain seines Teams. Seine Ambitionen sind gross: «Ich möchte auf des Gesamtklassement fahren. Auf der Startliste sieht man, dass einige Stars fehlen. Es fährt kein Tadej Pogacar oder Primoz Roglic mit. Dadurch steigt meine Hoffnung.»
Vielleicht ist ja sogar ein wenig träumen erlaubt mit Gino Mäder. Der letzte Schweizer, der die Tour de Romandie gewonnen hat, war 1998 Laurent Dufaux. Mäder hält sich mit solchen Zielen nach aussen noch zurück, doch für ihn ist die Westschweizer Rundfahrt sehr wichtig: «Die Tour de Romandie hat einen hohen Stellenwert. Auch im Feld ist sie sehr akzeptiert. Ich denke, wenn man hier gute Leistungen zeigt, hat das eine grosse Bedeutung.»
Für Mäder geht es auch darum, seine Ambitionen innerhalb des Teams zu stärken. An der Tour de France startet sein Team wohl ohne klaren Leader. Einen Pogacar oder Roglic gibt es im Team Bahrain nicht. Es ist die Chance für einen jungen Fahrer wie Mäder.
Der 25-Jährige brauchte ein wenig länger um in die grossen Schlagzeilen zu kommen als der um ein Jahr jüngere Marc Hirschi. Doch das liegt auch daran, dass Mäder ein anderer Fahrertyp ist als Hirschi. Mäder ist keiner, der bei Eintagesklassikern brillieren kann, dafür liebt er es, wenn die Belastung jeden Tag wieder kommt und grösser wird. Wenn es länger und härter wird, dann ist Mäder am Besten.
Wenn er sich selber mit Marc Hirschi vergleicht, dann wird der Unterschied offensichtlich: «Marc ist unglaublich stark bei einem Anstieg bis 20 Minuten, dann kann er die besten der Welt schlagen. Das ist bei mir anders: Ich werde erst ab einem Anstieg von einer Länge von über 20 Minuten richtig stark. Ich mag es, wenn die Anstiege lang sind. Und genau das hilft mir bei den Rundfahrten. Das ist genau der Ort, wo in den Rundfahrten in der dritten Woche die Entscheidung fällt.»
Das ist auch der Grund, warum Gino Mäder an der Tour de Romandie vermehrt auf das Gesamtklassement schielt, Hirschi spekuliert eher auf Etappensiege. Insbesondere die erste sowie die dritte Etappe gelten für seine Fähigkeiten als interessant.
Mäder dagegen will weiter seinem Ruf als grösstes Rundfahrertalent der Schweiz gerecht werden. So wie an der letztjährigen Vuelta, wo er überragend fuhr und bester Jungprofi und insgesamt Fünfter der Rundfahrt wurde. Des weiteren holte er an der Tour de Suisse und am Giro d’Italia je einen Etappensieg. Beide hatte er auf eindrückliche Art und Weise herausgefahren.
Bei allen Ambitionen: Der Oberaargauer gilt als bescheidener Zeitgenosse. Im Gespräch lässt er ehrlich durchblicken, dass es ihm nach seiner mittelmässigen Klassiker-Saison noch ein wenig an Selbstvertrauen fehle. Die eher enttäuschenden Resultate zuletzt – an der Flèche Wallonne beispielsweise klassierte er sich nur an 55. Position – haben an ihm genagt.
Doch immerhin weiss er den Grund dafür. «Bei Paris–Nizza habe ich mich noch gut gefühlt», sagt Mäder. «Dann habe ich aber eine Grippe erlitten und konnte eine Woche lang nicht trainieren. Das hat mich im falschen Moment leider ausgebremst.» Er habe einige Wochen gebraucht, um wieder richtig in Form zu kommen. Zuletzt liess er für die Regeneration noch das Rennen Lüttich–Bastogne–Lüttich aus. «Nun fühle ich mich aber richtig gut. Jetzt können die schönen Rennen des Jahres kommen», sagt er lächelnd.
Beim Prolog zum Start der Tour de Romandie in Lausanne, der mit nur 5,12 Kilometern sehr kurz war, überzeugte derweil ein anderes Schweizer Talent. Der 22-jährige Zürcher Mauro Schmid erreichte das Ziel als Neunter mit 14 Sekunden Rückstand. Sieger des Prologs wurde der Brite Ethan Hayter, dahinter folgten der Australier Dennis Rohan und der Österreicher Felix Grossschartner.
Wenig überraschend nichts mit dem Tagessieg zu tun hatten Mäder als 57. und Hirschi an 44. Position. Aussagekräftiger für die Gesamtwertung wird dafür die heutige erste Etappe. Sie führt von der Gemeinde La Grande-Béroche im Kanton Neuenburg über 178 Kilometer ins freiburgische Romont. Gino Mäder freut sich bestimmt.