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Marc Hirschi hat an der Tour de France überrascht – an der WM ist er als Leader die Schweizer Medaillenhoffnung im Strassenrennen.
Marc Hirschi ist plötzlich ein gefragter Mann. Von einem grossen Talent ist der 22-Jährige dank seinen Auftritten an seiner ersten Tour de France zum neuen Hoffnungsträger des Schweizer Radsports avanciert. Er hat eine Etappe gewonnen und wurde zum aktivsten Fahrer gewählt. Morgen startet er im WM-Strassenrennen als Schweizer Teamleader. Hirschi nimmt zu einigen Punkten Stellung.
«Ich versuche, mich nicht zu sehr mit dem Hype zu befassen. Ich weiss, dass Medien und Fans gute Geschichten erzählen möchten. Dazu gehört, dass sie es schöner ausmalen als es ist. Natürlich war die Tour für mich positiv. Viele Leute haben mir geschrieben und auch die Medien wollen etwas von mir. Aber ich versuche mich abzulenken und mit Freunden über andere Dinge zu reden. Es bringt nichts, wenn ich mich sehr damit beschäftige.»
«Ich war nach der Tour kurz zu Hause und habe ein bisschen Zeit gehabt. Wobei: Richtig verarbeiten und feiern werde ich es erst nach der Saison. Den Fokus habe ich schnell auf die WM gelegt. »
«Selbst ich war überrascht. Am meisten davon, dass ich auch in der dritten Woche noch so gut fahren konnte. Als ich am zweiten Tag der Tour vorne mithalten konnte, war dies eher so, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber, dass mir später noch die Soloflucht und sogar der Etappensieg gelang, hat mich überrascht. Ich bin mir bewusst, dass es nochmals etwas anderes ist, im Gesamtklassement vorne mitzufahren. Ich hatte mental und physisch immer ein wenig Erholung.»
«Dass es zum Etappensieg reicht, war nicht mehr so überraschend, weil ich zweimal vorne mitgefahren bin. Stattdessen fühlte es sich nach einer grossen Erlösung an. Hätte ich beim ersten Versuch einen Etappensieg geholt, wäre es ein enorm grosses Ding gewesen. So ist mir eher die Last abgefallen.»
«Wenn ich keine Etappe zuvor gewonnen hätte, wäre dieser Sturz sehr bitter gewesen. Nun ist es etwas weniger schlimm. Die ersten Tage nach dem Sturz habe ich körperlich gelitten, aber nun geht es mir wieder besser.»
«Ich mache die Basics gut, zudem bin ich trotz meines Alters relativ weit. Ich weiss, was ich brauche. Zum Beispiel in der Ernährung. In solchen Themen lasse ich mir nicht reinreden. Zudem glaube ich, dass ich vieles ruhig sehen kann und mich nicht nervös machen lasse.»
«Es braucht noch viele Trainingsstunden. Zudem muss ich besser mit dem ganzen Drumherum umgehen können. Als ich das weisse Trikot des besten Jungprofis hatte, merkte ich, wie stressig dies sein kann. Man hat Podium-Zeremonien und Dopingkontrollen nach jeder Etappe. Als das Trikot weg war, konnte ich mich besser erholen Und natürlich braucht es Talent und den Körper, der zu solchen Belastungen fähig ist.»
«Für mich ging es bei dieser Etappe nur darum, irgendwie durchzukommen. Im Teambus konnte ich dann die Entscheidung mitverfolgen. So klar, wie die Situation vor dem Bergzeitfahren beurteilt wurde, sah ich es gar nicht. Ich wusste, dass Pogacar noch Chancen hat, Primoz Roglic abzufangen. Das Final war dann beste Werbung für den Radsport.»
«Ich habe das selber nie erlebt. Aber ich glaube es macht Pogacar schon traurig. Er liest auch Zeitungen und bekommt dies mit. Damit umzugehen, stelle ich mir schwierig vor.»
«Ich glaube, dass die Möglichkeiten für junge Athleten grösser geworden sind. Man ist schon früh reif. Jedes Profiteam hat ein Nachwuchsteam, das sehr professionell aufgestellt ist. Dadurch sind alle früher dran. Man wird in Zukunft sehen, ob die Karrieren auch früher enden.»
«Ich war ein bisschen enttäuscht. Es ist so einfach, eine Maske anzuziehen. Wenn ein Fahrer so angesteckt wird, geht es schnell, dass andere im Team angesteckt werden. Und dann wäre das Team ausgeschlossen worden. Da fand ich das Verhalten vieler Zuschauer, die den Radsport lieben, leichtsinnig.»
«Ich selber versuche nicht, mir ein Resultat als Ziel zu setzen. Wenn wir als Team keine taktische Fehler machen, liegt wohl etwas drin. Aber es bringt nichts, sich damit zu befassen, was genau. Ich bin zwar Leader des Schweizer Teams, aber bei einem Rennen wie der WM glaube ich nicht, dass es darum geht, alles auf einen Fahrer zu konzentrieren. Stattdessen soll die Mannschaft ein gutes Resultat herausfahren.»
«Natürlich sind meine Beine nicht ganz frisch, aber ich glaube, dass ich in Form bin. Im Training fühlte ich mich zwar nicht top, aber das mache ich eh selten. Ich bin eher der Wettkampftyp und kann dort mehr von meiner Leistung abrufen.»
«Fabian ist ein grosses Vorbild von mir. Ich habe mit dem Radsport begonnen, als er seine grossen Erfolge feierte und war jeweils an seinen Ehrungen dabei. Inzwischen hat sich viel verändert. Noch vor zwei Jahren war ich nervös, wenn ich mit ihm gesprochen habe. Aber nun bin ich extrem froh, dass ich von ihm Tipps einholen kann. Alles, was ich jetzt erlebe, hat er erlebt. Dazu gehört nicht nur das Radfahren sondern auch das Drumherum mit den Medien und der Öffentlichkeit.»