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Anstatt Länderspiele der Schweizer Nati auf dem Rasen veranstaltet der Schweizerische Fussballverband nun Testspiele des «Schweizer E-Football-Nationalteams». Sind solche Investitionen weitsichtig und schlau – oder schlicht unnötig?
Die Schweizer Nati spielt endlich wieder Fussball. Letzten Donnerstag gewann die Mannschaft von Vladimir Petkovic souverän gegen Belgien, diesen Montag musste sie sich gegen Portugal knapp geschlagen geben. Klar, Embolo, Sommer, Seferovic & Co. standen nicht real auf dem Feld, sondern nur virtuell im Videospiel Fifa 20. Spass, zuzuschauen, macht das Ganze trotzdem.
Mehrere Tausend dürften die Länderspiele online auf SRF und auf der Streamingplattform Twitch mitverfolgt haben. E-Sports liegt im Trend. Gamen ist für vor allem für Jugendliche ein fixer Bestandteil ihrer Freizeit geworden, immer mehr wollen sie auch live dabei sein, wenn sich die professionellen Spieler an der Konsole messen. Wenn man sieht, wie Fifa-Wettkämpfe in coronafreien Zeiten ganze Arenen füllen,erahnt man das riesige Potenzial darin. Es zeigt, dass man E-Sports als Sportart ernst nehmen muss.
Der Schweizerische Fussballverband SFV hat die Zeichen der Zeit erkannt und Anfang März eine eigene E-Sports-Nationalmannschaft gegründet. Er tut es damit anderen Verbänden in ganz Europa gleich, die bereits eine solche Abteilung haben. Im Kader der E-Nati stehen junge Leute, die mit Herzblut einer Leidenschaft nachgehen, die viele Gleichaltrige teilen. Mit ihnen lässt sich mitfiebern und mitleiden. In einer Phase, in der Schweizer Fans über lustlose Auftritte der A-Nationalmannschaft klagen und regelmässig von Entfremdung die Rede ist, kann das dem SFV nur recht sein. Der Verband beweist, dass er bereit ist, neue Wege zu gehen und die Anhänger mit ins Boot holen will.
Und vielleicht sind uns gerade auch die grossen Fussballstars durch Games wie Fifa so nah wie selten zuvor. Nicht nur Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri, auch Spieler wie Marco Asensio und Thibaut Courtois von Real Madrid greifen häufig zum Controller und chatten gleichzeitig mit den Fans auf ihren Kanälen. Ehrlich und ungefiltert. Im Grunde geht es ihnen gleich wie uns allen: Auch sie wissen, dass ein Videospiel den Gang ins Stadion nie wird ersetzen können. Aber das ist immer noch besser, als gar keine Fussballspiele zu haben.
Es ist viel Fantasie gefragt für Sportfanatiker in diesen Zeiten. Keine Fussball Meisterschaft, keine Eishockey Playoffs, keine Tennis-Turniere, EM und Olympia abgesagt. Der Sportwelt steht still. Gefühlt endlose Tristesse.
Was tun?
Es ist Zeit, anders zu denken. Es ist Zeit, kreativ zu sein. Also findet die Tour de Suisse vom Wohnzimmer aus statt. Die Velo-Profis fahren auf dem Home-Trainer, die Leistungen werden auf ihre virtuellen Figuren übertragen – Rennvergleich mal anders.
Wie es nicht geht, zeigt dafür der Schweizer Fussballverband eindrücklich. Die Partien der Nati-Stars gegen Belgien und Kroatien wurden wegen Corona abgesagt. Stattdessen gibt’s Konsolen-Fussball. Testspiele des Schweizer «eFootball-Nationalteams». Als ob diese den echten Fussball vergessen machen könnten.
Überhaupt fragt man sich: Warum braucht es so eine Mannschaft (vier Männer, null Frauen)? Die ewiggleiche Antwort der E-Sports-Irrlichter: Man ermögliche Kindern auf anderen Wegen den Kontakt zum Fussball. Dank des Fussballs auf der Konsole würden sie selber spielen wollen oder später mal ins Stadion gehen. Das Gegenteil ist der Fall. Kinder sind ohnehin genug vor den Bildschirmen. Wenn sich nun auch noch der Sport dahin verlagert, trägt das dazu bei, dass die Lust an der eigenen Bewegung weiter abnimmt. Dass dazu nun auch der Fussballverband beiträgt, ist ziemlich sinnfrei.
Vielleicht ist das digitale Ärgernis ja bald behoben. Weil der Verband nach der Krise weniger Geld ausgeben kann. Und sich überlegt, wie dieses künftig sinnvoll und zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt werden können. Zum Beispiel für den Frauenfussball.