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Zug gewinnt den ersten Final 1:0. Weil Henrik Tömmernes, Servettes bester Spieler, einen Fehler macht.
Wir können uns kluge, tiefschürfende Analysen ersparen. Es ist nicht notwendig, die Partie in alle Einzelteile zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen, um zu ergründen, warum Zug gegen Servette 1:0 gewonnen hat. Wir brauchen nicht einmal die Statistik zu konsultieren.
Es geht um eine einzige Szene. Sie kommt völlig unerwartet. Servette kontrolliert das Spiel. So viel Disziplin! So viel taktische Intelligenz! So viel Geduld! Der Aussenseiter, der in der Qualifikation 35 Punkte weniger geholt, aber nur einen Gegentreffer mehr als Zug kassiert hat, scheint unerschütterlich zu sein. Die Zuger haben das beste Offensivspiel der Liga. Aber sie können es nicht entfalten. Sie sind nicht einmal dazu in der Lage, während 58 Sekunden mit zwei Mann mehr einen Treffer zu erzielen. Wie dann mit fünf gegen fünf? Und heisst es nicht, dass die Defensive eine Meisterschaft entscheidet? Eben.
Und dann löst sich alles in ein paar Sekunden auf. Es ist die Szene, die den Match entscheidet. In der minimalen Spanne von ein paar Sekunden wird ein Spiel verloren und ein Titan gestürzt. Henrik Tömmernes ist der beste Verteidiger der Liga. Dominant, smart, mit der Leichtigkeit, ja Lässigkeit im Spiel, die nur den ganz Grossen eigen ist. Die es ihm erlaubt, Spiel für Spiel Einsatzzeiten von mehr als 25 Minuten durchzustehen. Defensiv verlässlich und offensiv so wirkungsvoll, dass er das gelbe Ehrengewand des Topskorers trägt. Ein Beckenbauer des Eishockeys. Wahrlich, ein Titan. Dass der Schwede das Spiel für seine Mannschaft entscheidet – das wird von Servette erhofft und von Zug befürchtet. Dass er aber der Urheber der Niederlage werden könnte – undenkbar.
Aber Eishockey ist ein unberechenbares Spiel auf einer rutschigen Unterlage. Eishockey wird gerne als letztes wahres Mannschaftsspiel gerühmt. Aber am Ende des Tages sind es eben doch die Einzelleistungen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Tömmernes, völlig unbedrängt, versucht in der 21.Minute die Scheibe via Bande aus der eigenen Verteidigungszone zu spedieren. Er hat dies schon mindestens 100 Mal getan und 100 Mal ist nichts passiert. Es ist die denkbar einfachste und risikoloseste Variante. Aber der Puck wird von Zugs schlauem Spielmacher Jan Kovar abgefangen. Er beherrscht die seltene Kunst, kommende Spielzüge zu erahnen. Er passt zu Grégory Hofmann. 21 Sekunden nach der ersten Pause steht es 1:0.
Servette bleibt von nun an nur noch eine ganze Serie von «hätte», «könnte» und «wäre»: Hätte beispielsweise Simon Le Coultre im letzten Drittel alleine und unbedrängt vor Genoni zum 1:1 getroffen, dann wäre die Wende noch möglich gewesen. Ohne Tömmernes wäre Servette nicht bis in den Final gekommen. Aber nun hat Servette dieses erste Finalspiel wegen Tömmernes verloren. Aber noch nicht den Final. Die beiden Mannschaften sind so ausgeglichen, dass nach wie vor jeder Ausgang möglich ist. Tömmernes bekommt bereits morgen in Genf im zweiten Finalspiel die Chance zur Korrektur.
Zugs Trainer Dan Tangnes hat sich für die richtige Taktik entschieden. Er hat mit der besten Offensive der Liga die defensive Geduld gewählt. Sicherheit statt Spektakel. Wohl wissend, dass es einfacher sein wird, gegen dieses Servette Tore zu verhindern als Tore zu erzielen. Die Frage ist nun: was ist, wenn Tömmernes keinen Fehler mehr macht? Gelingt dann den Zuger kein Tor? Genoni war gestern ein grosser Torhüter. Um solche Partien zu gewinnen, hat ihn Zug zum bestbezahlten Goalie unserer Liga-Geschichte gemacht. Auch die Rechnung von Sportchef Reto Kläy ist gestern aufgegangen.
Aber es wäre schon etwas vermessen, wieder darauf zu hoffen, dass Tömmernes noch ein zweites Mal einen solche Fehler. Die Prognose sei gewagt: noch einmal wird Zug nicht dank einem Fehler von Servettes Verteidigungsminister 1:0 gewinnen. Zweimal hintereinander stürzt ein Titan nicht.