Welch ein Drama und welch ein Triumph zum Saisonauftakt. Tom Lüthi ist nach seinem Sieg nun Titelfavorit Nummer 1 der zweitwichtigste Töff-WM.
Tom Lüthi (29) gehört in der Moto2-WM jedes Jahr zu den Titelanwärtern. Er hat das Talent, die Erfahrung, und das Material, um die zweitwichtigste Töff-WM zu gewinnen. Aber bereits nach dem ersten Rennen zogen schon die ersten Zweifel herauf wie Nebel nach einem Gewitterregen. Doch nun ist ihm der optimale Saisonstart gelungen. Er hat nicht nur erstmals in seiner Karriere den Saisonauftakt gewonnen. Gleichzeitig gelang keinem der anderen Titelanwärter (Folger, Lowes, Rins, Marco, Morbidelli) eine Spitzenklassierung. Weil dieses Rennen zu einem so noch nie gesehenen Drama geworden ist.
Am besten lässt sich das, was die Rangliste durcheinander gewirbelt hat, mit einem saloppen französischen Sprichwort zusammenfassen: «Un bon chien fait pisser les autres» Was ungefährt so viel bedeutet, dass ein guter Hund auch die anderen zum pinklen bringt. Die Asphaltcowboys sind am Start so konzentriert und die Nerven sind so angespannt, dass einer mit einem Frühstart gleich alle mitzieht. Bevor die Startampel in Katar auf grün springt, haben sich gestern gleich fünf der sechs Piloten der ersten zwei Startreihe zu früh bewegt - wer der Auslöser war, lässt sich nicht genau feststellen.
Der Start wird von TV-Kameras überwacht, jeder Frühstarter wird erwischt. Erst werden Sam Lowes, Alex Rins, Johann Zarco, und Takkaaki Nakagami mit einer Boxendurchfahrt bestraft. Sechs Runden vor Schluss kommt die Meldung, dass auch noch die Starts von Sandro Cortese und Franco Morbidelli untersucht werden. Und während der letzten Runde - Tom Lüthi kämpft auf des Messers Schneide mit Morbidelli um den Sieg - werden der Italiener und Cortese mit 20 Strafsekunden belegt - es war ja jetzt nicht mehr möglich, eine Bodendurchfahrt zu machen.
Es wäre verrückt gewesen, wenn Tom Lüthi alles riskiert hätte und gestürzt wären um dann zu erfahren, dass er seinen Gegner hätte ziehen lassen können. Tom Lüthi sagt dazu: «Ja, ich habe wirklich alles riskiert und bin zeitweise quer in die Kurven und quer wieder aus den Kurven gekommen. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich bin froh, dass es so herausgekommen ist und ich das Rennen auf der Piste gewonnen habe.» Lüthi siegte mit 47 Tausendstel Vorsprung. Es ist sein 11. GP-Sieg und der grösste in der Moto2-Klasse.
Warum so viele Fahrer einen Frühstart machten, kann er nicht sagen. «Ich habe gesehen, dass eine ganze Reihe von Fahrern vor mir einen Frühstart machten. Aber dass auch Morbidelli darunter sein würde, das wusste ich nicht sicher.»
Es war wohl sogar ein Vorteil, dass er «nur» aus der dritten Reihe losfahren konnte. «Ich bin beim Start immer konzentriert. Aber ich wusste, dass der Start einfach kappen musste. Sonst wäre der Zug vorne ohne mich abgefahren. Ja, ich war wirklich sehr, sehr konzentriert und wegen der schlechten Startposition vielleicht noch mehr als sonst.»
Am Ende ist es ein grosser Triumph. Die Mitfavoriten Alex Rins (8.), Sam Lowes (9.) und Weltmeister Johann Zarco (12.) erreichen wegen der bestraften Frühstarts keine Spitzenplätze mehr. Und Dominique Aegerter (25) fährt im ersten Rennen nach seinem Horrorcrash im letzten September gleich auf Rang fünf. «Ich war zwar sicher, dass ich wieder okay bin. Aber in der Startphase bin ich noch nicht so aggressiv gefahren wie sonst, da war ich ein bisschen zurückhaltender. Es ist ja schon verrückt, wie da zur Sache gegangen wird, es ist wie Krieg auf der Piste. In der zweiten Rennhälfte war es dann wieder so wie immer.»
Nun müsste Teamchef Fred Corminboeuf eigentlich nach dem besten Saisonstart aller Zeiten eine Stallorder erlassen. Damit Dominique Aegerter seinem Teamkollegen Tom Lüthi beim Kampf um den Titel nicht etwa Punkte wegnimmt. «Das kommt sicher nicht in Frage» sagt Aegerter und Lüthi wehrt ab: «Wir wollen jetzt nicht schon übertreiben.» Aber er sagt auch, dass er nach diese Saisonstart noch viel erwartet. «Das war erst der Anfang und noch nicht das Ende...»