Vancouver
Olympia-Premiere: Blind in die Loipe

Ein praktisch blinder kanadischer Langläufer geht morgen über 50 km in die Loipe: Brian McKeever ist der erste Sportler, der sowohl bei den Olympischen Winterspielen als auch bei den Paralympics an den Start gehen wird. Der Kanadier ist seit seinem 21. Lebensjahr praktisch blind.

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Jenseits aller Vorstellungskraft

Jenseits aller Vorstellungskraft

Peter A. Frei, Whistler

Insgesamt vier Goldmedaillen hat der Langläufer und Biathlet schon bei den Paralympics in Salt Lake City 2002 und Turin 2006 gewonnen. Jetzt startet er am Sonntag, dem letzten Tag von Olympia, im 50-km-Langlauf in der klassischen Technik. Und zwei Wochen später wird er bei den Paralympics-Winterspielen erneut im Whistler Olympic Park am Start stehen. Er plant insgesamt drei Starts im Langlauf und zwei im Biathlon.

Bisher gab es fünf Athleten, die sowohl an Olympischen Spielen und an Paralympics teilgenommen haben, aber alle an Sommerspielen. McKeever schreibt diesbezüglich als erster Wintersportler Geschichte.

McKeever träumte als Jugendlicher von der Teilnahme an Olympischen Spielen. Er wuchs in den Rocky Mountains auf, in Canmore, wo 1988 die nordischen Konkurrenzen der Winterspiele von Calgary vonstattengingen. Und er trainierte Skilanglauf. 19 Jahre war Brian McKeever alt, als bei ihm die Stargardt-Krankheit festgestellt wurde, die sein Vater Bill in seinen Genen getragen hatte, wie Untersuchungen ergaben. Zwei Jahre nach der Diagnose der seltenen Netzhauterkrankung galt er offiziell als blind. Heute sind ihm zehn Prozent seiner Sehkraft geblieben. Das bedeutet, dass er noch Umrisse und Schatten wahrnehmen kann; er verfügt über eine reduzierte «Ringsicht».

Brian wollte weiter trainieren und bat seinen älteren Bruder Robin, ihn zu unterstützen. Robin hatte Kanada an den Olympischen Spielen 1998 in Nagano als Langläufer vertreten. Bei Paralympics-Wettkämpfen wird Brian nun seit Jahren von Robin begleitet und durch die Loipe geführt.

Bei den Olympischen Spielen hingegen muss er ohne Führung auskommen. McKeever will versuchen, sich an die anderen Langläufer anzuhängen und ihren Schatten zu folgen. Ausserdem verlässt er sich auf sein Gedächtnis. Der Kanadier hat sich die Strecke eingeprägt und schwierige Abfahrten anhand von Video-Aufnahmen «auswendig gelernt». Sein Ziel ist nicht ein Spitzenrang. «Ich werde der Erste sein, der an beiden Winterspielen teilnimmt. Wenn das die Vorstellungskraft der Menschen anregt und ihnen zeigt, was wir schaffen können, dann habe ich viel erreicht», sagte er im Vorfeld.

Bekannt und populär

Schon vor seinem olympischen Start zählte McKeever zu den bekanntesten und populärsten Sportlern Kanadas. Er besitzt sogar Verträge als Werbeträger. «Auch mit zehn Prozent Sehkraft kann ich mir meine Träume erfüllen», sagt McKeever in einem TV-Spot für eine Kreditkartenfirma. Sonst gibt er sich in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend. Er will kein Held sein, sondern nur das Beste aus sich herausholen.

Fühlt er sich am Sonntag im 50-km-Rennen unter lauter Sehenden nicht benachteiligt?
Bian McKeever hat eine andere Einstellung dazu. Der Zeitung «The Vancouver Sun» sagte er: «Die Bedingungen sind für alle gleich.»