Super League
Nicht mehr so dünnhäutig: Carlos Bernegger will sich bei GC beweisen

Der neue GC-Trainer Carlos Bernegger sagt, er sei reifer geworden. Jetzt muss es der 48-Jährige beweisen. Am Samstag um 20 Uhr gegen den Leader FC Basel steht er zum ersten Mal an der Seitenlinie.

Markus Brütsch
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Carlos Bernegger ist als feuriger Motivator bekannt.

Carlos Bernegger ist als feuriger Motivator bekannt.

Keystone

23 Jahre sind eine lange Zeit. Aber Deutschlands Nationaltrainer Jogi Löw erinnert sich noch gut an seinen früheren Mitspieler. Allerdings nicht, weil dieser beim FC Winterthur ein virtuoser Ballkünstler gewesen wäre. «Ich war beeindruckt von Carlos’ Temperament und wie schnell er die deutsche Sprache gelernt hat», sagt Löw.

Wirklich? Carlos Bernegger sitzt am Freitagmittag in einem Sitzungszimmer im Trainingszentrum von GC. Er sagt Sätze wie: «Die jungen Spieler brauchen einen anderen Approach. Bum, bum – das kann ein Hindernis provozieren.» Oder: «Du hast gegen Basel das Gefühl alles im Griff – und bum!» Er meint: Man muss den Jungen mit Fingerspitzengefühl begegnen, darf verbal nicht dreinfahren wie ein Verrückter. Und: Wer sich gegen den FCB zu sicher fühlt, wird schnell einmal mit einem Gegentor bestraft.

Carlos Bernegger gibt die Richtung vor: GC soll wieder nach vorne.

Carlos Bernegger gibt die Richtung vor: GC soll wieder nach vorne.

Keystone

Es ist der Tag vor dem Spiel des abstiegsgefährdeten Rekordmeisters in Basel. Im St. Jakob-Park wird Bernegger die Grasshoppers bereits zum vierten Mal als Interimstrainer betreuen. Weil die drei bisherigen Tätigkeiten jeweils nicht lange dauerten, ist das Bild vom Fussballtrainer Bernegger erst schärfer geworden, als dieser vor vier Jahren beim FC Luzern den Sprung in die Super League wagte.

Von Sportchef Alex Frei geholt, rettete er die Zentralschweizer vor dem Abstieg, führte sie dann in den Europacup, um in der folgenden Saison entlassen zu werden, als die Mannschaft Tabellenletzte war.

Unermüdlicher Motivator

Bernegger, ein argentinisch-schweizerischer Doppelbürger, hat den Ruf, ein Hitzkopf zu sein, aber auch ein exzellenter Motivator. Der frühere Trainer Martin Andermatt kennt ihn besonders gut. In den Neunzigerjahren war Bernegger dessen Assistent beim FC Winterthur. «Unsere Zusammenarbeit war prima. Wir haben den Kontakt seither nie abbrechen lassen», sagt Andermatt.

Er bestätigt den Eindruck, Bernegger habe lange von der Fähigkeit gelebt, eine Mannschaft ohne Ende zu pushen. Mit Gesten und einer ganz speziellen Sprache. «Aber irgendwann verpuffen solche Motivationskünste», sagt Andermatt. Das habe Carlos begriffen und sich zu einem kompletteren Trainer entwickelt. «Aber er lebt den Fussball noch immer leidenschaftlich.»

Von Argentinien in die Ostschweiz

Was nicht weiter erstaunt, ist Bernegger doch trotz seines Schweizer Familiennamens stark von Südamerika geprägt. Seine Grosseltern hatten einst aus wirtschaftlicher Not das Rheintal verlassen und waren nach Bell Ville in Argentinien ausgewandert. In der Nähe von Cordoba als Sohn eines Postbeamten und einer Musiklehrerin aufgewachsen, wusste der fussballbesessene Carlos allerdings praktisch bis ins Erwachsenenalter hinein nichts von seinen Wurzeln.

Der Chrampfer gibt alles für seine Mannschaft – er übernachtet manchmal sogar auf dem Campus.

Der Chrampfer gibt alles für seine Mannschaft – er übernachtet manchmal sogar auf dem Campus.

Keystone

Bis eines Tages ein Schweizer Spieleragent seinen Namen auf dem Matchblatt des Zweitligisten Belgrano Cordoba entdeckte und Kontakt mit ihm aufnahm. Von da an begann sich Bernegger für die Schweiz zu interessieren. Er kam zum Probetraining nach St. Gallen, doch der Transfer klappte nicht. Er landete in Winterthur, war wegen seiner Härte gefürchtet und Löw froh, ihn nicht als Gegenspieler zu haben. Doch Bernegger verletzte sich schwer und musste seine Laufbahn früh beenden.

In Cordoba hatte er ein paar Semester Medizin studiert. Weil ihm dies in der Schweiz jedoch nicht angerechnet wurde, setzte er ganz auf Fussball. Er trainierte Kinder, wurde Assistent von Andermatt und mit 28 Jahren Cheftrainer beim FC Winterthur. Doch er war noch zu jung dafür, es lief schlecht. Legendär ist die Nachricht aus Bern, der Winterthurer Trainer habe sich nach einem 1:6 gegen YB hinlegen müssen. Grund: Übelkeit.

Die Balance finden

Heute sei er nicht mehr so verbissen, sagt Bernegger. «Ich bin reifer geworden.» Nach seiner Entlassung in Luzern habe er sich hinterfragt, Meinungen von anderen Leuten eingeholt. «Ich bin weniger dünnhäutig, habe mehr Widerstandskraft», sagt Bernegger. «Und ich bin besser geworden mit Deutsch, nicht wahr?», sagt er mit Schalk in den Augen.

Er hat herausgefunden, wie wichtig es ist, die Balance zwischen dem Argentinier und dem Schweizer in ihm zu finden. Als Mensch glücklich zu sein und als Trainer Befriedigung zu haben. Ein Chrampfer wird er bleiben.

Weil es bei GC so viel zu tun gibt, hat er schon zwei Mal auf dem Campus übernachtet; der Weg nach Luzern zur Familie war zu weit. Yassine Mikari hat unter ihm bei Luzern gespielt. Er sagt: «Wenn es einer schafft, GC da unten rauszuholen, dann ist es Bernegger.» Eigentlich ist Fussball für Bernegger nicht ein Beruf, sondern eine Berufung.