Die Atlanta Hawks haben Miami in der ersten Playoff-Runde nichts entgegenzusetzen und scheitern deutlich. Zu den Verlierern gehört auch der Genfer Clint Capela, der auf eine Saison zum Vergessen zurückblickt.
Vor einem Jahr waren die Atlanta Hawks das Überraschungsteam der NBA: Ein junges, ungestümes, hungriges Team stürmte als Underdog bis in den Eastern-Conference-Final. Die starke Saison weckte Sehnsüchte. Atlanta würde noch ein bisschen besser sein, das war die Erwartung – die Playoff-Erfahrung sollte die Entwicklung dieses Kollektivs beschleunigen. Das Gegenteil geschah. Atlanta gehörte zu den drei grossen Enttäuschungen der Saison neben den Los Angeles Lakers um LeBron James, die das Playoff verpassten und dem Titelfavoriten Brooklyn Nets, der sich gegen die Boston Celtics sieglos aus Runde 1 verabschiedete.
Diese Schmach blieb Atlanta erspart, aber der eine Erfolg in der Serie gegen die stark ersatzgeschwächten Miami Heat hat nicht mehr als einen kosmetischen Effekt. Bis auf ganz wenige Lichtblicke war die ganze Saison der Hawks unbefriedigend. Im Herbst verlor das Team zehn Heimspiele in Serie und stellte ganz generell eine spektakulär schwache Defensive. Die Hawks liessen am fünftmeisten Punkte der Liga zu – und deutlich am meisten aller Play-off-Teilnehmer.
Die Abwehrprobleme waren eng mit Clint Capela verknüpft. Capela, 27, der einzige Schweizer in der NBA, spielte eine Saison zum Vergessen. Im Sommer 2021 liess er nach anhaltenden Beschwerden einen Eingriff an der Achillessehne vornehmen, was seine Vorbereitungszeit deutlich verkürzte. Zum Saisonstart wirkte er nicht fit, er bekundete Mühe, das horrende Tempo in der Liga mitzugehen. Gegenüber «The Athletic» sagte Capela, er sei aufgrund des zu kurzen Sommers mit Übergewicht in die Saison gestartet: «Ich war nicht dort, wo ich sein wollte.» Offenbar fühlte sich Capela nicht nur körperlich, sondern auch mental nicht bereit. Er sagte: «Am Ende der letzten Saison war ich müde. Ich brauchte Zeit ohne Basketball. Aber nach zweieinhalb Monaten war ich schon wieder in Atlanta. Und wusste, dass ich hart trainieren muss, um für 82 Qualifikationsspiele bereit zu sein. Es fühlte sich so an, als wäre ich erst gerade auf dem Platz gestanden. Ich glaube, anderen im Team ging es auch so. Vielleicht haben wir den Sport nicht genug vermisst und entwickelten zu wenig Enthusiasmus.»
Es waren erstaunlich offene Aussagen, zumal in Nordamerika, wo die Profis früh auf inhaltslosen PR-Sprech getrimmt werden. Sie müssen für die Verantwortlichen etwas Alarmierendes haben, denn es ist ein sehr schlechtes Zeichen, wenn einem jungen Team das Feuer fehlt.
Capelas Wort hat bei den Hawks Gewicht, er ist der drittteuerste Spieler im Kader und geniesst beim General Manager Travis Schlenk eine so hohe Wertschätzung, dass sein bis 2023 laufender Vertrag im Sommer 2021 etwas überraschend vorzeitig und zu erhöhten Bezügen um zwei Jahre verlängert wurde. Es war die Belohnung für eine bärenstarke Saison, in der Capela bei der Wahl des Defensivspielers des Jahres immerhin Platz 6 belegte.
Schon jetzt ist Capela mit einem Salär von 18,6 Millionen Dollar der am besten bezahlte Schweizer Teamsportler der Geschichte. Es gibt in seinem Vertrag eine Klausel, die ihm weitere 500’000 Dollar garantieren würde, wenn seine Freiwurfquote bei mindestens 65 Prozent liegt. Der Genfer erreichte den Wert erneut deutlich nicht. Die erreichten 47,3 Prozent waren miserabel – und so schwach wie seit 2015/16 bei den Houston Rockets nicht mehr.
Es wäre eine Überraschung, würden die Hawks ihr Team im Sommer nicht umzubauen versuchen – auch ein Tauschgeschäft mit Capela wird da nicht Tabu sein. Denn klar ist: Die Abhängigkeit Atlantas von Trae Young, dem mit Abstand besten und wichtigsten Einzelspieler des Teams, ist so gross, dass es ungesund ist. Die Hawks brauchen einen zweiten Star. Und einen Capela in Bestform als Rettungsanker in der Defensive – sollte er Atlanta denn erhalten bleiben.