Fussball
Nati-Captain Lichtsteiner zu seinem Rücktritt: «Natürlich ist es bitter, die Karriere nicht mit der EM abzuschliessen»

Der langjährige Nati-Captain Stephan Lichtsteiner tritt im Rahmen seiner eigenen Medienkonferenz zurück. Im Gespräch begründet er warum.

Raphael Gutzwiller
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Wann haben Sie sich entschieden, die Karriere in diesem Sommer zu beenden?

Als Fussballer weisst du, dass du nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hast. Es war mir schon lange klar, dass dies mein letztes Jahr sein wird. Eigentlich hätte ich unbedingt noch die Europameisterschaft spielen wollen, das hat wegen Covid nun aber nicht funktioniert. Das schwerste war für mich schliesslich, dass die Familie bei meinem letzten Spiel nicht dabei sein konnte.

Haben Sie sich länger Gedanken gemacht über den Rücktritt, weil die EM 2020 um ein Jahr verschoben werden musste?

Ich habe mir schon nochmals Gedanken gemacht. Für mich war aber klar, dass ein möglicher Wechsel in die Schweiz hätte stattfinden sollen, weil meine Familie schon hier ist. Schliesslich blieb ich aber bei meinem ursprünglich gefällten Entscheid.

Stephan Lichtsteiner gibt an einer Medienkonferenz in Bern seinen Rücktritt bekannt.

Stephan Lichtsteiner gibt an einer Medienkonferenz in Bern seinen Rücktritt bekannt.

Keystone

Sie sind der erste Nationalspieler, der auf diese Art und Weise eine Karriere beendet. Was bedeutet dies Ihnen?

Es war für mich sehr wichtig, die Karriere gut beenden zu können. Darum habe ich mich früh auch vom Schweizerischen Fussballverband beraten lassen. Es ist ein schöner Moment, auf lockere Art und Weise noch zu einer Pressekonferenz zu laden. Viele Journalisten haben mich lange verfolgt, es ist schön sie nun wieder zu sehen. Und es ist für mich so ein schöner Moment meinen Abschied bekannt geben zu dürfen.

Welche Bilder erscheinen Ihnen vor dem inneren Auge, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken?

Sich nur auf zwei, drei Bilder zu beschränken, ist schwierig. Da erscheinen mir sicher auch die verschiedenen Endrunden mit der Schweizer Nationalmannschaft oder die erfolgreiche Zeit mit Juventus Turin. Für mich war die Qualifikation für die EM 2020 nochmals sehr wichtig. Ich habe mich nach dem Wechsel zu Augsburg wieder ins Team reinkämpfen können. Das hat mich stolz gemacht.

Die Karriere von Stephan Lichtsteiner in Bildern:

2002: Der Durchbruch bei den Profis. Zwei Jahre zuvor wechselt der Adligenswiler zu GC, wo ihm unter Marcel Koller der Durchbruch gelingen sollte.
35 Bilder
2003: Nachdem Lichtsteiner mit GC den Schweizer Meistertitel gewinnt, darf er gegen AEK Athen in der CL-Quali antreten.
2003: Lichsteiner (ganz rechts) spielt als 19-Jähriger zusammen mit Johan Vonlanthen, Reto Ziegler und Daniel Gygax in der U21-Nati.
2005: GC macht einen Ausflug auf den Titlis, Lichtsteiner stellt sich ins Tor und hechtet bravourös.
2005: Von GC-Präsident Walter Brunner wird Stephan Lichsteiner verabschiedet. Er entscheidet sich für einen Wechsel ins Ausland.
2005: Der Luzerner wechselt zum OSC Lille nach Frankreich.
2006: Stephan Lichtsteiner debütiert in Basel gegen Brasilien für die Schweizer Nationalmannschaft.
2008: Für die Heim-EM wird Lichtsteiner vom mittlerweile verstorbenen Köbi Kuhn nominiert und spielt in allen drei Gruppenspielen. Hier mit Valon Behrami gegen Tschechien im Startspiel, das 0:1 verloren ging.
2008: Ebenfalls ein Bild von der EM 2008: Stephan Lichtsteiner in der Regenschlacht gegen die Türkei. Diese ging mit 1:2 verloren, die Schweiz schied aus.
2008: Von Frankreich nach Italien: Lichtsteiner schliesst sich Lazio Rom an, wird bald Stammspieler.
2009: Lichtsteiner zelebriert mit den Lazio-Fans ein Tor im Derby gegen den Stadtrivalen AS Rom.
2010: Auch an der WM in Südafrika gehört Lichtsteiner wieder zum Schweizer Aufgebot. Im Startspiel gewinnen die Schweizer gegen den amtierenden Europameister Spanien mit Superstar Andres Iniesta überraschend mit 1:0.
2010: Dennoch ist nach der Gruppenphase und einer Niederlage gegen Chile und einem mageren 0:0 gegen Fussballzwerg Honduras Feierabend.
2011: Lichtsteiner wechselt zum italienischen Rekordmeister Juventus Turin. Unvergessen bleibt vor allem, dass der Schweizer das erste Tor im nagelneuen Stadion erzielt.
2011: Die Schweiz mit Trainer Ottmar Hitzfeld und Rechtsverteidiger Lichtsteiner verpasst die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine.
2012: Insgesamt spielt Lichsteiner sieben Jahre für die Juve. Er gehört meistens zum Stammpersonal und wird auf der rechten Aussenverteidigerposition – manchmal im rechten Mittelfeld – zu einer Teamstütze.
2013: Auf dem Weg an die WM in Brasilien hat die Schweiz wieder einige Stolpersteine zu überwinden und Lichtsteiner holt sich dabei eine blutige Mase ab. Am Ende reicht es aber zur Qualifikation.
2014: Enttäuschung pur nach dem Achtelfinal-Out: Stephan Lichtsteiner wird vom argentinischen Torhüter Sergio Romero getröstet. Die Schweiz unterliegt erst nach Verlängerung 0:1.
2015: Besser läuft es in Turin. Mit Juventus gewinnt Lichtsteiner stets die Meisterschaft und steht sogar im Finale der Champions League. Gegen Barcelona unterliegen die Turiner allerdings mit 1:3.
2015: Schmerzhafte Niederlage gegen England. Die Schweiz unterliegt in der EM-Quali dem Mutterland des Fussballs, schafft es aber dennoch nach Frankreich an die Endrunde.
2016: Lichtsteiner ist mittlerweile Kapitän der Schweizer Nati und führt diese auch im EM-Startspiel gegen Albanien an. Die Schweiz gewinnt knapp mit 1:0.
2016: Im Elfmeterschiessen gegen Polen verwandelt der Kapitän seinen Versuch. Allerdings verschiesst Granit Xhaka als einziger Schütze, die Schweiz scheidet im Achtelfinale aus.
2016: Die Enttäuschung ist riesig, Lichtsteiner bedankt sich dennoch bei den Fans und verschenkt sein Trikot.
2016: Nicht mehr immer in der Startelf, dennoch immer wieder erfolgreich: Stephan Lichtsteiner im Juve-Dress.
2017: Und noch einer. Lichtsteiner (rechts) freut sich mit Giorgio Chiellini über seinen sechsten «Scudetto», den Meistertitel in Italien.
2017: Mal wieder eine Regenschlacht im Nationaldress: Lichtsteiner – hier gegen Andorra – qualifiziert sich für das Kontinental-Turnier in Russland.
2018: Kracher zum Turnierstart: Die Schweizer um Stephan Lichtsteiner kämpfen gegen Brasilien aufopferungsvoll und kommen zu einem 1:1.
2018: Last-Minute-Sieg gegen Serbien inklusive «Doppeladler». Dieses Duell sollte hinterher noch viel zu reden geben.
2018: Im Training macht Lichtsteiner wieder einmal den Goalie. Im Achtelfinal gegen Schweden fehlt er gesperrt, die Schweiz scheidet nach dem 0:1 wieder einmal in der Runde der letzten 16 aus.
2018: Nach der WM wechselt der Aussenverteidiger zu Arsenal auf die Insel. Er wird ein Jahr bleiben.
2018: In der Nati gibt es Konkurrenz auf seiner Position: Kevin Mbabu (rechts) spielt sich ins Rampenlicht, Lichtsteiners Position beginnt zu wackeln.
2019: Die vierte grosse Liga in Lichtsteiners Karriere ist die Bundesliga: Er wechselt zum FC Augsburg, für den er 20 Bundesligapartien bestreitet. Nicht immer gibt der Adligenswiler eine gute Figur ab.
2019: Für die Nationalmannschaft wird Lichtsteiner nicht mehr immer berücksichtigt. Der Routinier hütet sich aber, verbal gegen Trainer Vladimir Petkovic zu sticheln.
2019: Sein 108. (und letzter?) Einsatz im Nationaldress absolviert Stephan Lichtsteiner in St.Gallen gegen Georgien. Die Schweiz gewinnt 1:0, er ist Captain.
2020: Sein letzter Bundesliga-Einsatz: Stephan Lichtsteiner (rechts) im Duell gegen den ehemaligen GC-Spieler Munas Dabbur von Hoffenheim.

2002: Der Durchbruch bei den Profis. Zwei Jahre zuvor wechselt der Adligenswiler zu GC, wo ihm unter Marcel Koller der Durchbruch gelingen sollte.

Keystone

Sie hatten Ihre erfolgreichste Zeit bei Juventus Turin. Danach waren ihre beiden Jahre bei Arsenal und Augsburg weniger von Erfolg gekrönt. Wie blicken Sie auf diese Jahre zurück?

Der Entscheid, mit 34 Jahren nochmals zu Arsenal zu gehen, war ein gewagter Entscheid. Mein Ziel war es, die Europa League zu gewinnen und in die Top Vier zu kommen. Beides haben wir knapp verpasst. Es war trotzdem eine sehr gute Erfahrung. Und nach Augsburg in die Bundesliga zu wechseln, war nochmals eine grosse Herausforderung. Dadurch wollte ich auch mich nochmals für das Nationalteam aufdrängen. Der Plan wäre fast aufgegangen bis Covid kam.

Wie schlimm ist es, dass Sie Ihre Karriere nicht mit einer Endrunde abschliessen konnten?

Natürlich wäre es perfekt gewesen, mit der Europameisterschaft abzuschliessen. Das hat aber nicht geklappt, das muss man akzeptieren.

Wie sieht nun Ihre Zukunft aus?

Ich plane nun zweigleisig. Auf der einen Seite mache ich die Trainerdiplome, auf der anderen Seite schaue ich in die Wirtschaft hinein. Ich möchte mir Zeit nehmen, um herauszufinden, wo mein Weg hinführt.