Startseite
Sport
Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass sich das Internationale Olympische Komitee IOC und der Weltfussballverband Fifa seit längerem nicht grün sind. Die beiden mächtigsten Sportorganisationen vereint zwar ihr schlechter Ruf. Ansonsten sind die Distanz und der gegenseitige Argwohn so gross wie wohl noch nie.
Die Fifa müsste im Grunde das wichtigste Mitglied im IOC sein. Deren Präsident Gianni Infantino einen Platz im Olymp der fünf Sterne erhalten. Stattdessen wurde Infantino nach seiner Wahl nicht einmal in den Kreis der 100 ordentlichen IOC-Mitglieder aufgenommen. Ein Affront.
So kann es nicht verwundern, dass es innerhalb der Fifa-Administration nach dem Entscheid zu Russlands systematischem Dopingbetrug Verschwörungstheorien gibt. Diese sehen in der lebenslänglichen Sperre gegen Russlands ehemaligen Sportminister und aktuellen Vize-Premier Witali Mutko vor allem eine Provokation in Richtung Weltfussballverband.
Denn Mutko ist auch Präsident des russischen Fussballverbandes und OK-Chef der WM 2018. Und er gehörte bis zum letzten Frühjahr dem erlauchten Fifa-Rat an, ehe ihn der damalige Governance-Chef der Fifa, der Portugiese Miguel Maduro, wegen Interessenkonflikten mit der Politik aus dem Rennen nahm.
Maduro büsste seinen Mut kurz darauf am Fifa-Kongress mit seiner eigenen Abwahl, wie auch die beiden Ethikchefs Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert. Dabei würde es genau jetzt das entschlossene Handeln solcher Funktionäre brauchen. Schliesslich gerät Mutko nach dem IOC-Entscheid endgültig in Konflikt mit dem Ethik-Code der Fifa.
Dass 17 Monate nach dem kompetenten kanadischen Juristen Richard McLaren auch der absolut integre Schweizer Alt-Bundesrat Samuel Schmid in seiner gross angelegten Untersuchung zum Schluss kommt, Mutko trage als damaliger Sportminister die administrative Verantwortung für die systematischen Dopingverstösse, sollte als Steilvorlage für die Fifa reichen.
«Gemäss Protokoll hätte die Ethikkommission bereits gestern Mittwoch Herrn Mutko zu einer Befragung aufbieten müssen», sagt eine mit den Abläufen vertraute Person, «alles andere als eine sofortige provisorische Suspendierung Mutkos wäre verwunderlich».
Nun gut, Fifa und verwunderlich sind nicht erst seit gestern ein eingespieltes Duett. Dies setzt sich nun auch bei der Akte «systematisches Doping in Russland» fort. Die neue Ethik-Chefanklägerin Maria Claudia Rojas aus Kolumbien sei in Sachen Mutko bisher absolut tatenlos geblieben, sagt eine gut informierte Quelle.
Die hauseigene Presseabteilung hingegen reagierte prompt . . . und ebenso tatenlos: «Diese Entscheidung hat keinen Einfluss auf die Vorbereitungen für die WM 2018, da wir weiterhin daran arbeiten, die bestmögliche Veranstaltung zu liefern», richtete sie treuherzig aus.
Generalsekretärin Fatma Samoura schaffte es bei einer Pressekonferenz jüngst in Moskau sogar in die Kategorie «Fake News». Ihre Aussage, die Fifa habe die Untersuchungen zu den im McLaren-Report erwähnten angeblich gedopten 34 russischen Spitzenfussballern an die Welt-Anti-Doping-Agentur übergeben, ist schlicht falsch.
Und Gianni Infantino? Der versuchte nicht zum ersten Mal, Dopingdiskussionen mit einem Spässchen abzuschmettern. Immerhin spielte er so den Gegenpol zu Mutkos Wutrede über den bösen Westen.
Und wird der Fifa-Präsident dann doch einmal ernst und betont, alle Proben russischer Fussballer seien negativ gewesen, möchte man ihm gerne zurufen: «Jene der russischen Olympioniken in Sotschi auch!»
Infantinos Verbundenheit mit Mutko besteht seit der ersten internen Ethikuntersuchung gegen den Walliser kurz nach dessen Amtsantritt. Damals sagte Mutko in der Affäre um Flüge in russischen Regierungsflugzeugen zugunsten Infantinos aus.
Zurück zur Rivalität mit dem IOC. Einen Trost findet der Fifa-Präsident bei aller erneut auf ihn und seine Organisation niederprasselnde Kritik. Nicht nur die Fifa hat mit Mutko eine Leiche im Keller, sondern auch Bach und das IOC.
Den unter dringendem Korruptionsverdacht stehenden kuwaitischen Strippenzieher Scheich Ahmad al Fahd al Sabah hat die Fifa im Mai verabschiedet. Bei Bach hingegen gehört er noch immer zur Entourage. Auch dies ist wie Mutko eine tickende Zeitbombe.