Nachruf
Niki Lauda, der zielstrebige Sturkopf: Einmal Hölle und zurück – servus!

Der erbitterte Titelkampf gegen James Hunt machte Niki Lauda zur Ikone. 1976 ging er durchs Feuer. Am Montag ist der dreifache Formel-1-Weltmeister im Alter von 70 Jahren gestorben.

Marco Oswald
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Niki Lauda vor vier Jahren beim GP von Malaysia in Sepang. Der Österreicher verstarb am 20. Mai 2019 im Alter von 70 Jahren in Zürich.
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Abschied von einem grossen Champion: Niki Lauda.
Niki Lauda wurde 70 Jahre alt.
Der Österreicher war dreifacher Formel-1-Weltmeister (1975, 1977, 1984).
Lauda war später Pilot und Airline-Besitzer.
Die rote Kappe war sein Markenzeichen.
Lauda mit Ehefrau Birgit an den Laureus Sport Awards in Berlin 2016.
Lauda erhielt die Auszeichnung für sein Lebenswerk.
Lauda (rechts) und sein Rivale James Hunt 1976. Es war die Saison von Laudas schrecklichem Unfall auf dem Nürburgring.
Die Formel-1-Legende Niki Lauda zieht sich beim Horrorunfall im Jahr 1976 auf dem Nürburgring schwerste Verbrennungen zu.
Der Rennfahrer war auch über einen Monat nach dem Unfall noch schwer gezeichnet. Niki Lauda an einer Pressekonferenz nur fünf Wochen nach der Feuerhölle.
Auch ein halbes Jahr nach dem Unfall waren die Spuren der Verbrennungen noch deutlich sichtbar.
Seine erste Station in der Formel 1 war 1971 das Team March.
Lauda fuhr für McLaren (1982 - 1985), Brabham (1978 - 1979), Ferrari (1974 - 1977), BRM (1973) und March (1971 - 1972).
Niki Lauda.
Bei Ferrari war er Teamkollege von Clay Regazzoni.
Gehörten zu den erfolgreichsten Fahrer ihrer Zeit (von links): Regazzoni, Lauda und Emerson Fittipaldi im April 1974 auf dem Podest des Grand Prix von Spanien.
1979 gründete er die erste Lauda Air. 2003 folgte Flyniki.
Lauda im Cockpit des Airbus A320 im Rahmen des Erstfluges von Flyniki am Freitag, 28. November 2003, am Wiener Flughafen Schwechat.
Mit Laudamotion wollte der Unternehmer 2004 ins Leihwagenservice-Geschäft einsteigen. 2009 zog er sich zurück.
Der Selfmade-Millionär präsentiert 2015 sein Buch "Reden wir über Geld".
Eine Frohnatur war Niki Lauda nicht, dafür hatte er sein Herz auf der Zunge.
Lauda und Alain Prost.
Lauda und Michael Schumacher 1996.
Lauda und Nico Rosberg 2015.
Niki Lauda verstarb am 20. Mai 2019.

Niki Lauda vor vier Jahren beim GP von Malaysia in Sepang. Der Österreicher verstarb am 20. Mai 2019 im Alter von 70 Jahren in Zürich.

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Andreas Nikolaus Lauda: Seine Duelle mit James Simon Wallis Hunt waren legendär. Und Adrenalin pur. Vor allem im Jahr 1976, in einer irren WM-Saison mit feurigem Ausgang. Hier Niki Lauda: der Analytiker und Charismatiker aus der österreichischen Alpenrepublik – im Ferrari 312T. Und da McLaren-Pilot James Hunt, der Rockstar-Typ mit Sixpac-Body und Lebemann von der Insel, im M23.

Lauda und Hunt: Zwei charismatische Rebellen ohne Limit – quasi die damaligen McEnroe und Connor des Motorsports. Hunt «the Shunt» war ein Exzentriker, ein wilder Hund. Er rauchte, trank und vernaschte mehr Boxenluder als dass er GP-Runden abspulte. Seine unberechenbare Art zerstörte schliesslich auch seine Ehe: Frau Suzie krallte sich Richard Burton.

Niki Lauda

Geboren: 22. Februar 1949

Gestorben: 20. Mai 2019

Teams: McLaren (1982–1985) Brabham (78/79) Ferrari (74–77) BRM (1973) March (71/72)

Grösste Erfolge: Weltmeister 1975, 1977, 1984

Erstes Rennen: 15. 8. 1971 GP Österreich

Erster GP-Sieg: 28. 4. 1974 GP Spanien

GP-Starts: 171

GP-Siege: 25

Podiumsplätze: 54

Pole-Positionen: 24

Im Gegenzug Niki Lauda: Sohn eines reichen Industriellen. Aber auch er musste in jungen Jahren viel Gras fressen: Sonntäglicher Kreisverkehr, Draufgängertum und die rasende Herausforderung gegen den Tod waren bei seinen Eltern Ernst-Peter und Elisabeth nicht hoffähig – sie liessen ihn ohne einen Schilling fallen. Niki machte seinen Weg alleine: Mit seinem Willen, seinen Nöten und dem unkalkulierbaren Risiko.

Das grosse Comeback nach der letzten Ölung

Seine erste Frau Marlene spannt Niki dem grossen Curd Jürgens aus. Mit ihr hat er später zwei Söhne – Lukas und Mathias. Seine zweite Frau Birgit schenkte ihm vor neun Jahren Zwillinge – Mia und Max. Von Anfang bis Ende der wilden Hatz zwischen Lauda und Hunt im denkwürdigen F1-Jahr 1976 liegt der Feuerunfall auf der Nordschleife, die knappe Rettung, die schweren Verbrennungen, die letzte Ölung – und das Comeback 42 Tage später mit einem vierten Platz in Monza.

Der Zeitraffer zeigt, wie ungewöhnlich und prägend die Rivalität Lauda gegen Hunt war – und deswegen wohl 36 Jahre später auch unter dem Titel «Rush» erfolgreich verfilmt wurde.

Mit grossem Herz und viel Sinn für Humor

Niki Lauda war immer ein Besessener. Nicht nur in den Goldenen Zeiten der 70er- und 80er-Jahre, wo das Rasierwasser noch «Denim» hiess und Siegern Lorbeerkränze umgehängt wurden – auch später. Als Pilot, Airline-Besitzer, Jaguar-Rennleiter und Teamchef, Ferrari-Berater, RTL-F1-Experte und Aufsichtsratsvorsitzender bei Mercedes-AMG Petronas Motorsport war er immer auf Erfolgsjagd. Äusserlich und geschäftlich ein knallharter Hund – im Austeilen stark, im Einstecken und Geldausgeben weniger.

Im tiefsten Innern aber ein echter Champ – mit grossem Herz und viel Sinn für Humor. Viele Lauda-Zitate sind Kult: «Die Formel 1 ist eine kleine Welt für Zirkusaffen», sagte er einmal. Oder als er 1979 nach dem GP Kanada zum ersten Mal zurücktrat, meinte er bei der Pressekonferenz: «Ich habe es satt, blöd im Kreis herumzufahren.»

55 Sekunden lang im Feuer

«Rennfahrer sind egoistische Schweine, die alles versuchen, um zu gewinnen.» Am 1. August 1976 hätte ihn diese Regel beinahe umgebracht: Lauda, der den Nürburgring liebte und als «geilste Rennstrecke der Welt» bezeichnete, fuhr wie immer auf der letzten Rille. Dann bei Tempo 220 der Unfall: An Laudas Ferrari brach der Anlenkpunkt des rechten hinteren Längslenkers – Abflug in die Felswand, unweit des Bergwerks. Als sich das Ferrari-Wrack zurück auf die Strecke dreht, wird Lauda auch noch von Guy Edwards, Harald Ertl und Brett Lunger torpediert.

Unendliche 55 Sekunden sitzt Niki im Feuer, das mit 800 Grad lodert – und kann dann wie von Geisterhand gerettet werden. Verrückt: Hätte der 312T nicht Feuer gefangen, wäre es für Lauda relativ glimpflich ausgegangen. Er erlitt lediglich einen Jochbein- und zwei Rippenbrüche sowie ein paar Schrammen am Kopf, da es ihm den Helm abgerissen hat.

Jahr und Tag fuhr Lauda mit einem Kopfschutz der Helmfirma Bell – ausgerechnet am 1. August entschied er sich für die Marke AGV, da der Helm leichter war und lockerer auf dem Kopf sass. Ein fast tödlicher Irrtum.

Schlimmer als die Verbrennungen im Gesicht waren die verätzte Lunge, da Lauda im Nordschleifen-Todeskampf giftige Gase einatmete. Aus dem Koma erwacht, kämpfte sich Niki dann auf wundersame Weise zurück. Den Pfarrer am Spitalbett, der bereits die letzte Ölung einleitete, jagte er zuvor weg. Nach Platz 4 beim Comeback-GP in Monza meinte er auf die Frage bezüglich seines Aussehens: «Mir ist eigentlich egal, wie ich ausschaue – meinen Beruf übe ich ja mit dem rechten Fuss aus.»

Ja, so war Niki Lauda. Sein Leben: Ein stetiges Auf und Ab: Drei Mal wurde er Formel 1-Weltmeister (1975/77/84). Nach dem GP Australien am 3. November 1985 trat er endgültig zurück. 1988 startete er mit der Lauda Air – und ersten Linienflügen in den Fernen Osten. Am 26. Mai 1991 dann das nächste Drama: Lauda-Flug 004 stürzte über Thailand ab – 223 Tote. 2003 wurde die Lauda Air Teil der Austrian Airlines Group, später folgten Kooperationen mit Air Berlin (Niki) und Ryanair.

Nachdem er bereits von Bruder Florian und Ehefrau Birgit je eine Spender-Niere erhalten hatte, brauchte Niki Lauda im August 2018 auch noch eine Spender-Lunge. Von diesem Eingriff hat sich Niki Lauda seither nicht mehr richtig erholt. Nach einem lauten Leben mit viel Lärm und Kampf auf Spielwiesen für extreme Charaktere sagte er nun am letzten Montag im Kreise seiner Familie leise Servus.