Der siebenfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton hatte es auf seinem Weg zum Ruhm nicht immer leicht. Vater Anthony schuftete hart und forderte viel für den Traum der Königsklasse. Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung.
Vor knapp einem Jahr schreibt Lewis Hamilton mit seinem Sieg beim Grossen Preis der Türkei Geschichte. Der Brite gewinnt nicht nur ein dramatisches Regenrennen. Er holt sich auch den siebten Weltmeistertitel in der Formel 1. Damit zieht er mit der Legende Michael Schumacher gleich. «Das ist für alle Kinder, die vom Unmöglichen träumen. Ihr könnt das auch, ich glaube an euch», ruft er unmittelbar nach der Zielgeraden ins Helmmikrofon.
Die Worte des 36-Jährigen berühren. Es ist nicht nur eine inspirierende Botschaft an die Generation von Morgen. Es ist gleichzeitig auch eine Hommage an seine Familie, insbesondere an Vater Anthony Hamilton. Denn ihm hat er seine Karriere zu verdanken.
2007 ist der junge Hamilton Junior im McLaren drauf und dran, in seinem ersten Jahr in der Formel 1 seinen ersten Titel zu holen. Zwei Rennen vor Saisonende liegt er in der WM-Wertung vor Teamkollege Fernando Alonso und Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen in Führung. Diese einmalige Chance darf er sich nicht nehmen lassen, sagt Hamilton Senior. Beim GP von China kann der Brite seinen Titel ins Trockene bringen.
Kurzerhand verordnet Papa Hamilton, der auch als Manager seines Sohns fungiert, ein Ausgehverbot für den damals 22-Jährigen: «Kein Rauchen, kein Trinken, keine Frauen – nur Arbeit! Wenn du auf Partys Frauen abschleppen willst, muss du dir einen anderen Job suchen.»
Es bringt alles nichts. Hamilton kann seinen Vorsprung nicht verteidigen und muss im letzten Rennen Räikkönen den Titel überlassen. Ein Jahr später ist es schliesslich der McLaren-Fahrer, der sich Weltmeister nennen darf. Vater und Sohn haben es geschafft. Er ist mit 23 Jahren der jüngste Weltmeister der Geschichte. Nach dem letzten GP der Saison in Brasilien liegen sich beide Hamiltons in den Armen. Die Welt scheint perfekt.
Doch 2010 ist die Zusammenarbeit der beiden vorbei. Zu gross ist für Lewis der Druck seines Managers. «Mein Vater war streng», sagt Hamilton, «er kontrollierte alles, und dank dieser Disziplin sind wir in die Formel 1 gekommen. Ich wollte aber meine eigenen Fehler machen. Wir waren in der Formel 1, wir hatten unser grosses Ziel eigentlich erreicht, das fand ich alles unnötig.» Anthonys Herz ist gebrochen. Die Trennung kommt unerwartet. Beide reden über Jahre hinweg kein Wort miteinander.
Lewis Hamilton kommt am 7. Januar 1985 zur Welt. Sein Vater und seine Mutter trennen sich, als Lewis zwei Jahre alt ist. Von da an verbringt der Junior jedes Wochenende bei seinem Vater. Dort saugt er die Liebe für Autos auf, beobachtet ihn beim Fahren. Als sein Sohn fünf Jahre alt ist, kauft ihm Anthony ein ferngesteuertes Auto. Sofort erkennt er ein Talent bei seinem Sprössling. Zwei Jahre später sitzt Lewis bereits in einem Go-Kart und nimmt äusserst erfolgreich an Rennen teil.
Da Rennfahren kein günstiges Hobby ist, schuftet Anthony wie verrückt. Um fünf Uhr startet sein Arbeitstag, sobald er am Abend nach Hause kommt, schraubt er bis ein Uhr morgens am Go-Kart. Teilweise hat er vier Jobs gleichzeitig und nimmt mehrere Hypotheken auf sein Haus auf. Ferien gibt es keine, das ganze Geld wird in den Traum von Vater und Sohn gesteckt.
Auch auf der Rennstrecke ist Anthony omnipräsent. Er arbeitet am Auto, sorgt als Trainer und Manager für seinen Sohn. «Ich sagte ihm immer, dass er später als die Konkurrenz bremsen sollte. Am Anfang fuhr er noch über die Strecke hinaus, aber sobald er den richtigen Zeitpunkt erwischte, überholte er alle», erinnert er sich stolz. Auf der Überholspur geht es auch Richtung Formel 1. Nach seinem Sieg in der GP2, der zweiten Liga des Autorennsports, ist es dann so weit: McLaren gibt ihm einen Sitz neben Doppelweltmeister Alonso. Er ist der erste dunkelhäutige Rennfahrer der Formel 1.
13 Jahre später ist er siebenfacher Weltmeister und auf dem Weg, der grösste Fahrer der Geschichte zu werden. Vater und Sohn haben sich längst versöhnt. «Er wollte damals seinen eigenen Weg gehen, damit habe ich mich abgefunden», sagt Anthony Hamilton über den Bruch. Nie sind sie sich näher gewesen als heute. Nach dem GP der Türkei 2020 sagt Hamilton: «Als ich über die Ziellinie fuhr, musste ich an all die Erlebnisse mit meinem Vater denken. Als wir vom ersten Go-Kart-Triumph heimfuhren und ‹We Are the Champions› sangen, all das ging mir durch den Kopf und die ganzen Emotionen kamen hoch.»
Nun kann Hamilton seinen achten WM-Titel holen, der ihn zum alleinigen Rekordhalter machen würde. Und er weiss, bei wem er sich dafür bedanken muss: «Ich fühle mich von Glück gesegnet, dass ich einen Vater habe, der von Beginn an für mich da war und mich durch dick und dünn unterstützt hat.»
My dad and I aren’t great at tennis but we are trying to get better. I always use a slice to beat him and he always falls for it. He’s finally got me today🤣 People ask me, how will you celebrate? We’ve got life to celebrate and spending time with family is how I am celebrating. pic.twitter.com/VOthGkIkok
— Lewis Hamilton (@LewisHamilton) November 22, 2020