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Spaniens Hauptstadt ist am Samstag Schauplatz des Champions-League-Finals – 70 000 Engländer werden erwartet.
Madrid ist im Ausnahmezustand. Erstmals seit elf Jahren und dem Final zwischen Manchester United und Chelsea in Moskau steigt am Samstagabend in der spanischen Hauptstadt ein rein englischer Champions-League-Final. Liverpool trifft auf Tottenham – und die Madrilenen zittern vor den Hooligans von der Insel. Rund 70'000 Engländer sollen für das Spiel anreisen. Das Wanda Metropolitano, das neue Stadion von Atlético Madrid, in dem der Final steigt, fasst zwar rund 68'000 Zuschauer, doch nur 40'000 Tickets gingen an die Fans.
«Wir sind ohne Tickets angereist, weil wir unser Team unterstützen wollen. Dafür müssen wir nicht ins Stadion kommen», sagt Steve Stodden. Er ist mit seinen Freunden aus Liverpool angereist, um dabei zu sein, wenn sein Team nach den Sternen greift. Nach dem verlorenen Final letztes Jahr in Kiew gegen Real Madrid sind die Liverpool-Anhänger nun umso optimistischer für die Partie gegen den Liga-Rivalen aus London. Zwischen 20 000 und 30 000 Fussballfans wird es ähnlich ergehen wie Stodden und seinen Freunden. Sie werden zwar in der Stadt sein, trinken und feiern, aber keine Chance haben, das Spiel im Stadion zu sehen.
Temperaturen über 30 Grad, Tausende von Engländern in Trinklaune und ein Fussballspiel dieser Bedeutung: Da scheinen Probleme programmiert. Zwar werden die beiden Fanlager getrennt, die Tottenham-Anhänger versammeln sich unweit des Stadtzentrums auf der Plaza Colon, jene von Liverpool knapp anderthalb Kilometer weiter westlich auf der Plaza de Felipe II. Damit es zwischen den zwei Lagern nicht zu wüsten Auseinandersetzungen kommt, sind am Samstag rund 4700 Polizisten im Einsatz. Erstmals kriegen die Sicherheitskräfte auch Unterstützung aus der Luft: Eine Drohne überwacht das Geschehen in Stadionnähe von oben.
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«Die Guardia Civil wird die bösen Jungs im Zaum halten, da zweifle ich keine Sekunde», sagt José Lopez. Heute arbeitet er für die Stadtpolizei, aber früher war er selbst bei der Guardia Civil, der spanischen Militärpolizei. Auch Lopez ist am Samstag im Einsatz.
Selbst als im Dezember 2018 das Final-Rückspiel der Copa Libertadores zwischen den Boca Juniors und River Plate, den ewigen Rivalen aus Buenos Aires, aus Sicherheitsgründen im Bernabéu ausgetragen wurde, waren «bloss» 4000 Sicherheitskräfte im Einsatz.
Trotz dieses noch nie gesehenen Polizeiaufgebots fürchten sich viele Madrilenen vor Ausschreitungen.
Etliche Bars in der Nähe der beiden Fanzonen überlegen sich, am Samstag zu schliessen. «Wir können die Sicherheit für unser Lokal kaum garantieren. Wir hatten ja schon Probleme, wenn für internationale Basketballspiele 100 Serben aufkreuzten», sagt ein Barbesitzer unweit der Plaza de Felipe II. Am Samstag aber werden die Liverpool-Fans zu Tausenden in diese Gegend strömen.
Ähnlich tönt es bei etlichen Taxifahrern. «Ich arbeite am Samstag nicht», sagt Manuel Rodriguez, «es macht einfach keinen Sinn.» Es sei nicht so, dass er sich vor den Engländern fürchte, aber er könne ihnen einfach nicht erklären, wohin sie kommen sollen, um die Polizeisperren zu umgehen.
So gross die Angst auch sein mag, Madrid wird vom grossen Fanaufmarsch auch ordentlich profitieren. Die Handelskammer der Hauptstadt rechnet damit, dass die Besucher während der Tage rund um den Final rund 125 Millionen Euro ausgeben werden – für Bocadillos (Sandwiches), Cerveza (Bier) und Souvenirs. Und natürlich für ihre Unterkünfte. 95 Prozent der Hotelbetten sollen belegt sein.
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Die Preise schiessen ins Unermessliche. Für ein Bett in einem 5-Bett-Raum eines Hostels im Zentrum blättert man rund um den Final bis zu 180 Euro hin. Die teuersten Hotelbetten kosten bis zu 3000 Euro. Und für Airbnb-Wohnungen in Stadionnähe werden Summen bis zu 4500 Euro pro Nacht verlangt. Der ganz normale Champions-League-Wahnsinn.
Am Sonntag ist der Spuk vorbei. Dann wird ein Grossteil der englischen Fussballfans wieder auf die Insel zurückfliegen. 1744 Flugzeuge heben an diesem Tag vom Flughafen Madrid-Barajas in alle Himmelsrichtungen ab. Rund 240 000 Reisende verlassen Spaniens Hauptstadt. Das bisherige Rekordaufkommen wurde in Barajas im September 2007 verzeichnet. Damals hoben 1507 Flugzeuge ab.
Der Champions-League-Final lässt in Madrid Rekorde purzeln. Bleibt für die Madrilenen bloss zu hoffen, dass das massive Polizeiaufgebot dafür sorgen kann, die englischen Haudegen in Schach zu halten. Eine Hoffnung, die auch die Uefa teilt. Denn Gewaltexzesse könnten einen langen Schatten auf das sportliche Highlight des Jahres werfen.