Einst gefeiert als DIE Schweizer Nachwuchshoffnung, dann riss sich der Stürmer an den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr das Kreuzband. Zurück auf den Platz kehrte er erst diesen Frühling wieder. Doch es scheint einfach nicht weiterzugehen.
Die verhängnisvolle Szene ist etwas mehr als ein Jahr her. In einem Training der Schweizer Nationalmannschaft verdreht sich Mario Gavranovic das rechte Knie. Dies nur drei Tage vor dem WM-Achtelfinal gegen Argentinien. «Ich war in der Form meines Lebens, ging mit vielen Hoffnungen nach Brasilien – zurück kam ich mit einem Kreuzbandriss», sagt Gavranovic dazu.
Er wirkt ruhig, ja fast ein wenig distanziert, wenn er über seine Verletzung spricht, die ihn fast ein Jahr seiner Karriere gekostet hat. Er behauptet zwar, dass er mit der Verletzung abgeschlossen habe und nicht mehr daran denke, und trotzdem merkt man, dass es ihn immer noch etwas wurmt.
Geplatzt wie eine Seifenblase
Gavranovic war mit der Hoffnung nach Brasilien gereist, sich für einen Transfer ins Ausland interessant zu machen, stattdessen ist er ein Jahr später immer noch in der Schweiz, beim FC Zürich, und seine Zukunft ungewisser denn je.
Erst in diesem Frühjahr hatte sich Gavranovic von der schweren Verletzung erholt und gab sein Comeback in der Super League. Doch die Situation war keine einfache. Der FC Zürich tat sich schwer. Gavranovic wollte sofort helfen, möglichst schnell wieder der «alte Gavranovic» sein, wie er sagt. Aber das klappte nicht.
Sein Trainer Urs Meier beschreibt das Dilemma wie folgt: «Das Problem bei einer solchen Verletzung ist, dass sich der Spieler direkt wieder mit seiner Form von vorher vergleicht. Doch dies braucht etwas länger. Mario war in der letzten Rückrunde noch nicht wieder in dieser Verfassung. Es ist dann jeweils ganz schwierig, die eigenen Ansprüche und Erwartungen zu erfüllen, und man setzt sich selber unter Druck.»
Genau so wirkte Gavranovic auf dem Platz. Er schien völlig verkrampft und vergab Chancen, welche er früher mit verbundenen Augen verwertet hätte. Zu allem Übel plagte er sich auch noch mit Schmerzen an der Patellasehne herum – eine Spätfolge der Operation.
Der Traum vom Ausland
In der neuen Saison soll alles besser werden: «Jetzt bin ich endlich ohne Schmerzen, habe in der Vorbereitung kein Training verpasst», erzählt der 25-Jährige glücklich. Auch mental sei er bereit, habe keine Angst mehr vor harten Zweikämpfen. Urs Meier ist ebenfalls zufrieden mit seinem Schützling: «Er hängt sich voll rein. Man sieht, dass er unbedingt in die Form zurückkommen möchte, die er vor seiner Verletzung hatte.»
Diese Form soll ihn lieber kurz- als mittelfristig wieder ins Ausland, in eine Top-Liga führen. Dorthin, wo er schon einmal war: Als 20-Jähriger wechselte Gavranovic zu Schalke in die Bundesliga, um mit Weltstars wie Raul oder Huntelaar zu trainieren. Es blieb aber fast nur beim Trainieren, denn in zwei Jahren kam «Gavra» nur zu 15 Einsätzen in der höchsten deutschen Liga, ein Tor gelang ihm nicht. So folgte 2012 der Schritt zurück in die Heimat, zum FC Zürich.
Keine Zukunft in Zürich?
Beim Stadtklub spielt Gavranovic drei Jahre später noch immer. Die Szene vor gut einem Jahr hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und es scheint noch dicker zu kommen für den elfmaligen Nationalspieler.
In den letzten Tagen kamen Gerüchte auf, der FCZ wolle den Grossverdiener, dessen Vertrag im nächsten Sommer ausläuft, loswerden. Gavranovic bestätigt diese indirekt: «Der Verein hat mir mitgeteilt, dass er nicht mit mir verlängern wolle.» Jetzt wäre also die letzte Chance für den FCZ, mit einem Verkauf Gavranovics noch etwas Geld zu verdienen. Ausserdem ist der Kader der Zürcher gross. Mit Etoundi, Chermiti, Sadiku oder auch Chikhaoui hat Trainer Urs Meier ein Überangebot an Stürmern.
Ein harter Konkurrenzkampf droht, der viele unzufriedene Spieler zurücklassen wird. Keine optimalen Voraussetzungen für einen, der nach langer Verletzungspause viel Spielpraxis benötigt und sich ins Schaufenster ausländischer Klubs spielen möchte.
Auf einen Verkauf angesprochen benutzt Urs Meier in der Branche übliche Phrasen wie: «Die Transferphase läuft noch, man weiss nie, was passiert. Im modernen Fussball ist jederzeit möglich, dass ein Spieler geht.» Gavranovic wird konkreter: «Momentan gibt es keine Angebote, aber ich kann noch nicht sagen, was passieren wird.» Auf die Frage, ob er Gavranovic gerne behalten würde, antwortet Meier nur: «Das Kader ist tipptopp.» Rückendeckung sieht anders aus.
Gavranovic steht mit nunmehr 25 Jahren am Scheideweg seiner Karriere. Wie geht es weiter? In seinem Selbstbild erzielt er seine Tore bei einem Top-Verein im Ausland und in der Nationalmannschaft. Doch nach seinem Seuchenjahr muss Gavranovic erst noch den Beweis erbringen, dazu fähig zu sein – selbst in der Super League.