Europa ist das Epizentrum des Weltfussballs, und die Champions League dessen grösste Bühne. Doch regiert wird mit dem Geld fremder Vögte aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Russland.
Am Dienstag ist es wieder so weit. Die Hymne erklingt, das Sternebanner glitzert im Flutlicht, und die Spieler fabulieren vom besonderen Kribbeln, das immer ein bisschen grösser sei, wenn Spiele der Champions League anstehen. In Madrid und Dortmund, in London und Paris, in München und Barcelona, in Liverpool und Turin. In den Epizentren des Fussballs. Es geht um die europäische Krone, um Ruhm, aber auch um: Geld und Geltung.
Europa als Epizentrum des Weltfussballs?
Geografisch vielleicht, politisch hingegen längst nicht mehr. Der Erfolg ist gekauft mit dem Geld fremder Vögte. Die Hälfte der 16 Achtelfinalisten der Königsklasse sind vollständig in ausländischem Besitz, weitere lassen sich direkt von Staaten alimentieren, oder von Unternehmen, die von Staaten gelenkt werden. Nicht immer ist das unproblematisch.
Beispiel Katar. Das Emirat an der Ostküste der arabischen Halbinsel gilt als hochmodern, von demokratischen Strukturen ist das Land indessen weit entfernt. Macht hat nur einer: Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Und auf seiner politischen Agenda ganz oben steht der Sport. Seit Jahren werden Athleten aus allen Winkeln der Erde eingebürgert und als Gastgeber von Grossveranstaltungen hat Katar längst Weltruhm erlangt. 2018 fanden die Weltmeisterschaften im Kunstturnen in der Hauptstadt Doha statt, im letzten Jahr die Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Die Krönung dieser Strategie: Im Dezember 2022 findet in Katar die Fussball-Weltmeisterschaft statt, gespielt in klimatisierten Stadien.
Und das im Land, das schon jetzt den weltweit grössten CO2-Ausstoss pro Kopf verzeichnet. Ein Land, das die Stadien von Gastarbeitern bauen lässt. Ein Land, in dem Hausangestellte wie Sklaven gehalten werden. Kurz: Ein Land, in dem die Menschenrechte mit Füssen getreten werden.
Für Katar ist die Fussball-Weltmeisterschaft nur ein weiteres Mittel zur Imagepflege. Denn im Weltfussball hat das Emirat längst das Sagen. 2011 kaufte Katar über die Qatar Sports Investments QSI Paris Saint-Germain. Die QSI ist ein Tochterunternehmen der katarischen Investmentbehörde. Deren Gründer und Präsident? Katars Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Für ein unmoralisches Angebot von 165 Millionen Euro über fünfeinhalb Jahre verteilt, brach 2010 selbst der grosse FC Barcelona, der sich als Nationalmannschaft Kataloniens sieht und mit dem Slogan «Més que un Club» (mehr als ein Verein) wirbt, mit der Tradition und verkaufte erstmals nach 111 Jahren seine Brust – an die Qatar Foundation, hinter der die katarische Investmentbehörde und damit ebenfalls der Staat Katar steht.
Katar hält aber auch Anteile am deutschen Autobauer Volkswagen, dessen Konzerngruppe Audi angehört. Audi wiederum hält 8,3 Prozent der Aktien des deutschen Rekordmeisters Bayern München. Und Katar kooperiert auch mit Spaniens Rekordmeister Real Madrid.
Real Madrid wiederum lässt sich von Emirates unterstützen, der staatlich kontrollierten Fluggesellschaft des Emirats Dubai. In den Achtelfinals der Champions League treffen die Madrilenen auf Manchester City, das die Abu Dhabi United Group im Herbst 2008 für 210 Millionen Pfund (damals 420 Millionen Franken) vom ehemaligen thailändischen Premierminister, Thaksin Shinawatra, kaufte. Gründer und Besitzer der Abu Dhabi United Group? His Royal Highness, Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, Bruder des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Als Trikotsponsor und Namensgeber des Stadions von Manchester City fungiert Etihad, die nationale Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate.
Verwirrend, nicht?
Fehlt noch die Figur, die all diese Zielkonflikte auf sich vereinigt: Nasser Al-Khelaifi. Seit einem Jahr ist er Mitglied des Exekutivkomitees der Uefa. Er ist aber auch Präsident von Paris Saint-Germain. Die Pariser stehen wegen möglicher Verstösse gegen das Financial Fairplay seit Jahren unter Beobachtung der Uefa. Die Uefa lässt sich wiederum von beIN Sports für die Übertragungsrechte der Champions-League-Spiele bezahlen. Und wie heisst der Besitzer des katarischen Medienkonzerns? Nasser Al-Khelaifi.
Ausländische Mehrheitseigner kontrollieren auch RB Leipzig (Red Bull, Österreich), den FC Liverpool (Fenway Sports Group, USA), Valencia (Peter Lim, Singapur), und Chelsea London (Roman Abramowitsch, Russland). Bei Atlético Madrid halten der chinesische Mischkonzern Wanda (17 Prozent) und der israelische Unternehmer Idan Ofer (15 Prozent) bedeutende Minderheitsbeteiligungen. Bei Olympique Lyon hält das chinesische Unternehmen IDG Capital Partners Co. 20 Prozent der Aktien.Von den Achtelfinalisten der Champions League gehören einzig Tottenham und Borussia Dortmund nicht fremden Vögten. Die italienischen Vertreter Atalanta Bergamo und Napoli sind wahre Einhörner. Sie gehören den jeweiligen Präsidenten Antonio Percassi und Aurelio De Laurentiis.
Juventus Turin befindet sich zwar in Besitz der italienischen Familie Agnelli, doch die Exor-Gruppe, der zwei Drittel der Anteile gehören, ist in den Niederlanden domiziliert. Beim italienischen Rekordmeister sind die Besitzverhältnisse besonders interessant. Unter den Investoren befinden sich auch solche aus China, Frankreich, Grossbritannien und den USA. Die Spuren führen auch zur berüchtigten Fondsgesellschaft BlackRock. Und die norwegische Zentralbank, welche die Aufgabe hat, die Einnahmen aus der Erdölförderung, die in den staatlichen Pensionsfonds des Landes fliesst, sieht in der Juventus-Aktie ebenfalls eine sichere Anlage.
Mittendrin statt nur dabei ist der europäische Fussballverband, die Uefa. Seit 2012 ist Gazprom, der grösste Erdgasförderer der Welt, Partner der Champions League. Das Unternehmen ist auch Hauptsponsor von Zenit St. Petersburg, Roter Stern Belgrad und Schalke 04. Gazprom, der Konzern, der Russland gehört. Russland, das sich in Syrien mit Katar bekriegt. Vereinzelt regt sich Widerstand gegen das Geschäftsgebaren der Vereine. So protestierten Fans von Bayern München gegen die Nähe zu Katar und zeigten ein Banner mit dem Konterfei des Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge mit Tomaten auf den Augen, nachdem dieser gesagt hatte, die Arbeitsbedingungen in Katar würden sich verbessern. Und als Schalke im November 2013 in Basel zu Gast war, seilten sich vier Greenpeace-Aktivisten vom Stadiondach ab, entrollten ein Protestplakat gegen Gazprom und provozierten damit einen Spielunterbruch.
In einer Welt, die mit Geld vom fremden Vögten regiert wird, sind das nur Randnotizen geblieben. Wenn die Sterne der Königsklasse funkeln und die Spieler Tausende im Stadion und Millionen vor den Fernsehern in Jubel versetzen, geht vergessen, mit wessen Geld die Löhne bezahlt werden.
Bis am Freitag, den 14. Februar 2020. Es ist der Tag, an dem die Uefa Manchester City wegen Verstössen gegen das Financial Fairplay für zwei Saisons von europäischen Wettbewerben ausschliesst und zur Zahlung einer Busse über 30 Millionen Euro verpflichtete. Der englische Meister hat zwischen 2012 und 2016 die Einnahmen aus Sponsoring in seinen Bilanzen höher als der Realität entsprechend bewertet. Manchester City kann am internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne Berufung gegen das Urteil einlegen. Auch das mit dem Geld fremder Vögte.