Die Schweiz besiegt in der WM-Qualifikation Litauen 4:0 – es ist ein guter Lohn, nachdem sie sich lange schwer tut. Embolo erzielt zwei Tore, dazu gelingt Steffen sein erster Treffer fürs Nationalteam, Gavranovic setzt den Schlusspunkt. Was bedeutet das nun im Duell mit Italien?
Der Schlusspfiff naht im frostigen Vilnius. Und dann dürfen die Schweizer doch noch einmal jubeln. Mario Gavranovic köpft ein. 4:0 steht es jetzt. Es ist der Schlusspunkt in einer mittelmässigen Partie. Wenige Sekunden danach ist Schluss. Die Schweizer umarmen sich. Danach bedanken sie sich bei dem Grüppchen der mitgereisten Fans. Ein ausgelassener Jubel sieht dennoch anders aus.
4:0, das Resultat tönt gut. Und doch stellt sich die Frage: Soll man sich nun darüber freuen, weil die Pflicht nach dem 2:0 gegen Nordirland erneut erfüllt ist? Weil es der Nati bereits zum vierten Mal unter Trainer Murat Yakin gelingt, zu Null zu spielen? Oder soll man sich ärgern, weil eine gute Gelegenheit verspielt wurde, um das Torverhältnis aufzubessern?
Klar ist: Einen höheren Sieg hätten sich die Schweizer an diesem Abend nicht verdient. Nicht, nach dieser durchschnittlichen Leistung. Konzentriert traten sie auf, das schon, aber der Schwung aus der Partie gegen Nordirland vom letzten Samstag in Genf ist irgendwo im Flugzeug verloren gegangen.
Darum bleibt als Fazit: Punktemässig haben die Schweizer gegenüber dem Gruppenrivalen Italien zwar aufgeholt. Um die Qualifikation aber als Erster zu beenden, muss die Nati am 12. November in Rom wohl gewinnen. Eben, weil sie um zwei Tore schlechter dasteht. Gelingt nur ein Unentschieden, muss entweder Italien zum Schluss in Nordirland patzen. Oder die Schweiz gegen Bulgarien zu einer Gala-Vorstellung mit vielen Tore ansetzen.
Wenn einer aus Schweizer Sicht die grosse Figur war an diesem Abend, dann Breel Embolo. Zwei Tore gelingen ihm. Am Ende bilanziert er: «Es war zu Beginn ein schwieriges Spiel. Litauen ist nicht so eine schlechte Mannschaft. In der zweiten Halbzeit hätten wir mehr machen können. Aber wir fahren dennoch mit einem guten Gefühl nach Hause. Wir sind auf einem guten Weg.»
Der 24-jährige Embolo erlebt gerade ziemlich beschwingte Tage. Manchmal scheint es, als fliege er richtiggehend über den Rasen. Nun ist es aber nicht so, dass ihm das auf dem Kunstrasen genau so gelingt wie gegen Nordirland. Doch diesmal gelingen ihm dafür die Tore. Das erste in der 30. Minute, als er nach einem Eckball von Shaqiri in die Luft steigt und stilvoll das 1:0 köpft. Und weil er eben in diesen Tagen viel Selbstvertrauen mit sich trägt, steht er kurz vor der Pause erneut richtig, drück den Ball zum 3:0 über die Linie. Wieder geht der Szene ein Eckball von Shaqiri voraus.
Dazwischen reicht ein schöner lange Ball von Fabian Schär, um die ansonsten gut organisierte Abwehr Litauens zu übertölpeln. Renato Steffen läuft davon und erzielt mit einem schönen Lob sein erstes Länderspieltor im 18. Einsatz. Fast 30 Jahre alt musste er dafür werden.
3:0 steht es zur Pause. Aber so wirklich versteht trotzdem niemand, warum das so ist. Nach einer Hälfte, in der sich die Schweizer durchwegs schwer tun. In der sie sich kaum einmal in eine aussichtsreiche Position vor dem Tor der tapferen Litauer kombinieren.
Das Schweizer Spiel ist zäh. Es ist zu wenig Bewegung, zu wenig Tempo, zu wenig Genauigkeit drin. Zweimal kommt der Aussenseiter gar unverhofft zur Chance auf das 1:0. Wobei sich die Litauer im Gegensatz zu Nordirland durchaus gewillt zeigen, auch einmal nach vorne zu spielen. Doch dann gelingen innert 15 Minuten plötzlich drei Tore. In dieser Phase ist die Schweizer Effizienz hervorragend.
Auch in der zweiten Hälfte spielen die Schweizer lange rätselhaft fahrig. Erst nach einer Stunde besinnt sich die Nati wieder darauf, den Ball schneller laufen zu lassen. Dass aber wirklich alle mit letzter Konsequenz nach weiteren Treffern dürsten, um das Torverhältnis weiter aufzubessern, ist nicht zu sehen. Und darum folgt nun die grosse Herausforderung, den Europameister Italien auswärts zu besiegen.
Und eines ist seit dem späten Dienstagabend von Vilinius auch gewiss: Die Schweiz hat zumindest den Barrage-Platz bereits gesichert. Doch daran wollen sie im Moment gewiss noch nicht denken.
Breel Embolo: «Es war zu Beginn ein schwieriges Spiel. Nach der Führung machten wir es gut, wir blieben dran. In der zweiten Halbzeit hätten wir mehr machen können. Litauen ist aber nicht so eine schlechte Mannschaft. Schade haben wir noch Tempo herausgenommen. Wir sind auf einem guten Weg und eine gute Mannschaft.»
Renato Steffen: «Es freut mich, hat es endlich geklappt. Ich musste lange darauf warten. Schön, konnte ich dem Team helfen. Ich sah, dass der Goalie zu weit vorne postiert war. Wir blieben bis zum Schluss konzentriert. Wir sind immer noch in einem Prozess mit dem neuen Trainer.»
Murat Yakin: «Wir machten von Anfang an Druck, traten solidarisch auf. Wir zwangen den Gegner zu Fehlern. Es gingen viele Dinge heute gut auf. Der Raum war teilweise schon sehr eng. 4:0 muss man zuerst einmal gewinnen. Zu Null hinten ist schon auch top. Wir sind zufrieden.»