Verwöhnt, abgehoben, überbezahlt. Das Image der Fussballer hat in der Coronakrise stark gelitten. Zu recht? Oder büssen die Schweizer Kicker nur für die Exzesse internationaler Superstars? Eine Annäherung an ein viel diskutiertes Thema.
Make money not friends. Zdravko Kuzmanovic posaunte auf Instagram ungeniert, was er vom Leben erwartet: mach Geld, nicht Freunde. Der Spieler des FC Basel ist eher die Regel als die Ausnahme. Auch wenn andere Kicker etwas defensiver kommunizieren. Dafür lassen sie Bilder sprechen und neigen dazu, in den sozialen Medien zu prahlen. Mit ihren Protz-Karossen, ihren Model-Freundinnen, ihren Designer-Klamotten, ihren Tattoos, ihren Luxusuhren, ihren Urlaubsbildern aus dem Highend-Beach-Ressort.
Verwöhnt, abgehoben, dekadent, überbezahlt. Die Coronakrise und der damit verbundene Hilferuf der Fussballer und Eishockeyaner nach Staatshilfe befeuert die Image- und Lohndiskussion. So sehr, dass selbst unsere Sportministerin Viola Amherd Position bezieht: «Wir haben nicht die Zustände wie im Ausland. Es gibt kaum Fussball-Millionäre.» Gewiss. Aber Posts wie jene von Zdravko Kuzmanovic führen nicht dazu, das Bild des Fussballers aufzuhübschen.
Mach Geld, nicht Freunde. Möglich, dass Kuzmanovic den Satz von irgendeinem Gangster-Rapper abgekupfert hat. Es macht die Sache nicht erträglicher. Der Rapper muss das Image des bösen Buben kultivieren, andernfalls kann er seine Karriere-Pläne gleich schreddern. Ausserdem ist kaum ein Gangster-Rapper so vermessen, etwas von Vorbildfunktion zu schwafeln. Schliesslich ist ihm bewusst, dass die meisten, die seine Musik und seine Texte gut finden, ein gutbürgerliches Leben führen.
«Wir haben eine Vorbildfunktion.» Egal ob Fussballer, Manager, Trainer oder Funktionär. Mantraartig bemühen sie den Satz mit der Vorbildfunktion. Und wenn mal etwas schiefläuft, ein Spieler auf dem Platz austickt, haucht er auf Drängen des Pressechefs mit Dackelblick in die Mikrophone: «Sorry, ich war mir meiner Vorbildfunktion nicht bewusst.» Hört auf mit diesem Mist. Ihr schneidet euch ins eigene Fleisch. Vorbildfunktion, von wegen! Niemand mit gesundem Menschenverstand kann von euch erwarten, Vorbild zu sein. Ihr seid begabte, ehrgeizige, privilegierte, verwöhnte und hochbezahlte Sportler. Idole, ja. Aber keine Vorbilder. Wie der Gangster-Rapper.
Man kann sich fragen, warum Yvon Mvogo im Urlaub in Beverly Hills auf einem Ferrari hocken und dieses Bild auf Instagram posten muss. Hat er ihn gemietet? Gekauft? Spielt keine Rolle. Er kann es sich leisten. Auch wenn er in Leipzig nur auf der Ersatzbank sitzt. Viele klopfen ihm für den Post mit dem Ferrari auf die Schultern. Vielleicht sogar mehr, als wenn er einen Ball aus dem Lattenkreuz fischt. Das sollte den Protagonisten zu denken geben.
In der Schweiz haben wir traditionell Mühe damit, wenn Leute ihren Reichtum zur Schau stellen. Mvogo und viele andere Fussballstars tun es. Es befremdet. Aber wohl eher die ältere Generation. Viele Kids hingegen finden: «Scharfe Karre, coole Sneakers, vollgeile Uhr.» Oder so ähnlich. Und sind wir ehrlich: Hätten wir mit Mitte 20 und Millionen im Gepäck dem Luxus abgeschworen? Hätten wir all unsere Träume und Sehnsüchte, und seien sie noch so unvernünftig wie sinnlos, mir nichts dir nichts ignoriert?
Natürlich würden wir gerne Bilder sehen – und sie stünden den Fussballern gut an – wie sie als Helden des Alltags einer alten Nachbarin den Einkauf besorgen. Oder wie sie auch mal den öffentlichen Verkehr anstelle des Luxusmobils benutzten. Sie sich weiterbildeten. Sich in einer Arbeiterkneipe statt im In-Schuppen verköstigten. Oder einfach nur mal Gartenarbeit oder sonst so einen unsexy Kram erledigten. Dann könnten wir ernsthaft über Vorbildfunktion diskutieren. Andererseits ist es halt schon eher die Regel, dass sich Jugendlichkeit und Vernunft spinnefeind sind.
Gefangen in der Blase, beschränkt sich der Ausbruch meist auf ein Tattoo, einen Brillanten am Ohrläppchen, oder ein Goldsteak in Dubai. Dass wir das mitkriegen, liegt daran, dass die Fussballer gerne demonstrieren: Schaut her, ich hab’s geschafft. Aber auch daran, dass sie, ständig in ein taktisches Korsett gezwängt, ständig sich dem Kollektiv unterordnend, ihre Individualität, ihre Einzigartigkeit hervorheben möchten. Freizeit - und das haben sie nicht zu wenig - da mach ich, was mir passt. Aber hat der erste sein Goldsteak verspeist, wartet schon der nächste auf einen freien Tisch. Also doch Herdentier.
So lange die Fussballer auf Instragram protzen, brauchen sie sich um ihren Ruf nicht zu kümmern. Das ist schade für jene Fussballer, denen das Geld für den Protz fehlt. Und davon gibt es in der Schweiz etliche. Den Protzern kann das aber egal sein. In der Blase der Glückseligkeit lebt es sich ziemlich behaglich.
Aber so ein Fussballerleben dauert nicht ewig. Irgendwann kommt der Punkt, da sagen sie: «Ich will dem Fussball etwas zurückgeben.» Nein, natürlich nicht als ehrenamtlicher Juniorentrainer. Wäre ja noch schöner. Wenn es zum Trainer, Manager oder Sportchef nicht reicht, werden sie Spielerberater.
Apropos Spielerberater. Würde man wie im Tennis eine Weltrangliste erstellen, könnte es für Josip Drmic, Ergänzungsspieler bei Norwich City, eng werden, in den Top 1000 Unterschlupf zu finden. In kaum einer anderen Sportart wird die Nummer 1000 Millionen verdienen. Geschweige denn, Berater für einen Transfer seines Klienten eine Provision von 615 000 Euro einfordern, wie im Fall Drmic. Für die Nummer 950 oder 988 der Welt! Das ist der absolute Irrsinn.
Es ist schwierig, als kickender Jungmillionär in diesem abgehobenen Milieu die Bodenständigkeit zu bewahren. Deshalb sollten wir die Bedeutung der Fussballer nicht überhöhen. Und, ganz wichtig: Wir sollten keine Vorbildfunktion erwarten. Sie sind Fussballer und wenn sie nicht mehr Fussballer sind, interessiert es die Öffentlichkeit nicht mehr, welche Partei sie wählen, was sie von einer Klimasteuer auf Flugtickets halten, ob sie den Müll trennen oder welches Auto sie fahren.