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Liebe Berner, liebe Basler, wer wird denn bitte Meister?

Mit einem Paukenschlag startet die Super League am Sonntag (16 Uhr) zur Rückrunde: YB gegen Basel, Meister gegen Vizemeister, Leader gegen Zweiter. Während in Bern alle überzeugt vom Meistertitel sind, zeigen sich die Verantwortlichen in Basel unschlüssiger.

Céline Feller, Raphael Gutzwiller
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Drei Berner umzingeln einen Basler: Jean-Pierre Nsamé (von links), Ulisses Garcia und Christopher Martins gegen Edon Zhegrova (2. von links).

Drei Berner umzingeln einen Basler: Jean-Pierre Nsamé (von links), Ulisses Garcia und Christopher Martins gegen Edon Zhegrova (2. von links).

Urs Lindt/Freshfocus (Basel, 1. Dezember 2019

Ja, sicher!

Young Boys Der Optimismus ist spürbar in Bern. Von Druck, Zweifel oder Bedenken keine Spur. An diesem Nachmittag im Stade de Suisse, an dem sich die YB-Akteure der Öffentlichkeit stellen, zeigen sich die Berner besonders selbstbewusst. Viel lief gegen sie im Herbst. Und doch steht Gelb-Schwarz zuoberst in der Tabelle. Erneut. Seit zwei Jahren sind sie die Nummer 1 des Landes. Es ist in Berner Augen unvorstellbar, diese Position bald abgeben zu müssen. Nicht an Basel, nicht an St. Gallen, schon gar nicht an Zürich – auch wenn Trainer Gerardo Seoane von einem Vierkampf um den Titel spricht.
Seine Aussage zollt von Respekt gegenüber den anderen Teams, aber in keinem Fall von Selbstzweifel. Nationalspieler Christian Fassnacht sagt: «Wir können uns nur selber schlagen. Wenn wir unsere Leistung abrufen, werden wir Schweizer Meister.» Ohne Wenn und Aber.
Selbst die Verletzungsmisere im Herbst konnte YB wenig anhaben. Und jetzt, wo die Hoaraus, Sulejmanis, Lustenbergers, Gaudinos, Camaras und Sierros auf dem Weg zurück sind, scheint YB wieder unbesiegbar. Fassnacht sagt: «Im Herbst mussten wir auf viele wichtige Spieler verzichten. Und trotzdem sind wir Erster. Jetzt sind fast alle wieder fit. Da ist es nur logisch, wenn wir Meister werden.» Auf die Nachfrage, ob er einen Grund gegen einen Berner Titel nennen könne, sagt er nach kurzem Nachdenken: «Nein, es gibt keinen Grund.»
Fassnacht wählt die klarsten Worte der YB-Spieler, seine Meinung steht aber sinnbildlich für die erlangte Selbstverständlichkeit eines Ligakrösus. «Wir können damit umgehen, gejagt zu werden und wissen, was es heisst, gewinnen zu müssen», sagt Goalie David von Ballmoos. «Darum sind wir davon überzeugt, Meister zu werden.»Dass es zum Rückrundenauftakt sogleich gegen den ärgsten Konkurrenten aus Basel geht, findet Seoane positiv. «Nach der Partie wissen wir, wo wir stehen. Das ist nach der Vorbereitung immer schwierig abzuschätzen.»
Von einer Vorentscheidung bezüglich des Meisterrennens wollen die Akteure aber nichts wissen. «Es ist ein Spitzenspiel, aber keine Finalissima. Entscheidend ist nicht, wer im Januar an der Spitze steht, sondern wer dies Ende Saison tut», sagt von Ballmoos. Dass YB zur Saisonmitte ganz oben steht, ist nicht nur wegen der Verletztenmisere, sondern auch aufgrund vieler Transfers nicht selbstverständlich.
Wichtige Stützen wie Steve von Bergen, Djibril Sow, Kevin Mbabu oder Loris Benito fielen im Sommer weg. Der Umbruch verlief in Bern aber genau so, wie man das einst vom FC Basel gewohnt war: problemlos. So problemlos, dass Sportchef Christoph Spycher jetzt im Winter keine Nachjustierung machen musste. Keine Abgänge, keine Neuzuzüge. Die einzige Nachricht verkündeten die Berner mit einer Vertragsverlängerung von Christian Fassnacht.
Ein Jahr zuvor hatte die Vertragsverlängerung von Spycher die Schlagzeilen dominiert. Der Baumeister blieb – und so auch der Erfolg. Dass sich daran bald etwas ändern könnte, glaubt in Bern niemand. Auf die Frage, ob YB lieber erstmals seit 33 Jahren den Cup wieder gewinnen oder zum dritten Mal in Serie den Meistertitel holen möchte, sagt Spycher: «Wir wollen beides.»

Ja, aber ...

FC Basel Die Aussagen zeugen von Selbstvertrauen. Ja, «wir hatten eine gute Vorbereitung ». Ja, das letzte Testspiel, die dortige Leistung und die damit einhergehende Niederlage «waren für jeden ein Zeichen». Ja, «wenn jeder mitzieht, dann können wir Einiges erreichen in dieser Saison». Ja, «wir spüren, dass die Spieler heiss sind, nach den zwei Jahren in denen YB Meister wurde.» Ja, auch wenn wir vier Gesperrte haben, «sind wir dennoch überzeugt, dass, egal wer spielt am Sonntag, es gut kommen wird.» Und ja, vor allem ja, «wir sind noch in allen Wettbewerben dabei.» So äussert sich Sportchef Ruedi Zbinden vor Rückrundenstart stellvertretend für den FC Basel.
Die blossen Fakten legen die Grundbasis für diese optimistische Grundhaltung in Basel. Der FCB kann noch Meister werden. Er kann noch Cupsieger werden. Er kann europäisch noch mehr reissen, als er das mit dem Gruppensieg und der Qualifikation für die K.o.-Phase bereits getan hat. Ja, diese Rückrunde kann gut werden für den FCB. Aber dieses Selbstvertrauen rund ums Joggeli, es ist etwas gar oft an ein «aber» gekoppelt. Vier Gesperrte könne man ersetzen, «aber diese Komponente hat vielleicht eine gewisse Unsicherheit geschürt.» Das Feuer sei da, aber «dass das erste Spiel der Rückrunde jenes zwischen Basel und YB ist, finde ich gar nicht gut. In Spanien oder Deutschland wäre das wohl unmöglich.» Und dass man lange nicht wusste, ob der Captain denn spielen darf oder nicht, «hat , sich nicht gross auf die Gemütslage in der Vorbereitung ausgewirkt.» Nicht gross heisst eben auch: Ein bisschen hat es schon gestört. Es konnte nicht abschliessend getestet werden, so lange der Fall Stocker nicht ad acta gelegt werden konnte.
Es sind viele «aber», und oft machen sie etwas den Eindruck, als sollten sie auch als Schutz dienen. Beim FCB hat man dazu gelernt. Als man vor zwei Jahren zum selben Zeitpunkt in der gleichen Ausgangslage steckte - Tabellenzweiter mit zwei Punkten Rückstand auf YB - da liess man grosse Zeile verlauten. Klar werde man Meister. Ungeachtet dessen, dass Stammkräfte fehlen. Damals nicht aufgrund von Sperren, sondern weil sie verkauft wurden. Auch im Jahr 2020 lässt der Sportchef verlauten: «Es ist alles möglich. Wir haben gesehen, dass wir wieder näher an YB dran sind. Und dass wir, wenn wir nicht zu viele unnötige Punkte verlieren, Meister werden können.» Um dann aber - ja, da ist dieses «aber» wieder - zu sagen: «Wir können es anerkennen, wenn ein Gegner besser ist. Dann bricht für uns keine Welt zusammen.» Es ist eine justierte Kommunikation, die von Vorsicht zeugt. Von Vorsicht, die allenthalben zu spüren ist. Denn in Basel weiss man unterdessen, wie schnell schwarz sein kann was eben noch weiss war. Denn vor zwei Jahren verpuffte die Hoffnung eines engen Titelrennens so schnell wie sich das Blatt im Trainer-Theater 2019 wendete.
Das Auftaktprogramm des FCB ist happig. YB. St. Gallen. Zürich. Vieles kann klar sein danach. Vor allem dann, wenn den Baslern der Start misslingt während er den Bernern glückt. Aber: «Auch dann ist die Rückrunde noch nicht entschieden. Es gibt noch weitere 17 Spiele. Da kann viel passieren.» Es ist eines von wenigen «aber», das von Selbstvertrauen zeugt.