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Wenn man nach Frauen im Sport fragt, fallen einem zahlreiche Namen in verschiedenen Sportkategorien ein. Man muss nicht lange nachdenken. Wie sieht es aber aus, wenn wir die ältere Generation fragen? Könnten sie uns auf Anhieb Namen von aktiven Sportlerinnen ihrer Zeit nennen?
Nein. Zumindest keinen, der damals sportlich angesehen und akzeptiert worden wäre.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Sport für die Frau ein Tabu war oder es zumindest hätte sein sollen.
Im Konjunktiv, weil man damals nicht mit dem Mut der Frauen gerechnet hat. Ihr Glaube und Durchsetzungsvermögen hat das ermöglicht, was wir heute kennen. Frauen wie Kathrine Switzer oder Marijke Moser haben den Weg geebnet. Sie sind regelrechte Pionierinnen.
Die erste Frau, die sich in die Männerdomäne Marathonlauf getraut hat, heisst Kathrine Switzer. 50 Jahre ist es her, dass die heute 70-Jährige mit der Startnummer 261 als erste und auch einzige Frau beim traditionsreichen Marathon in Boston gestartet ist.
Und jetzt, 50 Jahre später, hat sie sich wieder getraut. Kathrine Switzer ist wieder in Boston gelaufen und erneut mit der Startnummer 261. Dieses Mal – ganz im Gegensatz zu ihrer Premiere – legal.
Vor einem halben Jahrhundert war es dem weiblichen Geschlecht nicht gestattet, diesen Sport zu auszuüben. Und das nicht nur in den USA, sondern auch in der Schweiz. Auch hierzulande gibt es eine Pionierin, die sich den Verboten widersetzt hat und trotzdem gelaufen ist: 1973 entschied sich die Niederländerin Marijke Moser dazu, sich unter dem falschen Namen «Markus Aebischer» beim Murtenlauf anzumelden. Als Mann ging sie dann illegal an den Start.
Es war ein Zeichen an die Gesellschaft, es brauchte eine Veränderung. Und tatsächlich: Vier Jahre später waren auch beim Murtenlauf Frauen zugelassen. Und wie es das Schicksal nicht anders wollte, krönte sich Marijke Moser bei ihrer legalen Murtenlauf-Premiere zur ersten Siegerin.
Der Fall Kathrine Switzer ist jedoch noch spezieller: Sie hat sich nicht versteckt. Sie hat sich nicht verkleidet. Kathrine ist aufs Ganze gegangen. Sie hat bei der Anmeldung zwar nicht ihren Namen angegeben, jedoch schon ihre Initialen.
An den Marathon kam Kathrine damals mit einer Mütze, die sie aber schnell ablegte. Vom ersten Moment an wussten ihre Konkurrenten, dass sie eine Frau ist. Es schien allerdings keinen sonderlich zu interessieren, ausser natürlich die Rennleitung. Es war ein regelrechter Skandal: Eine Frau im Marathon. Unfassbar! Gleichzeitig war es ein Meilenstein für die Frauen. Ein weiterer Sieg, ein weiterer Schritt in Sachen Gleichberechtigung.
Auf die Frage, wie sie sich vor dem ersten Rennen in Boston gefühlt hat, sagt Kathrine, dass sie «sehr nervös» gewesen sei. «Ich wollte das Rennen nicht als Letzte beenden. Ich hatte keine Angst, ich wollte einfach nur bis zum Ende rennen.» Und so ginge es ihr heute immer noch.
Dabei wollte Kathrine nur rennen. Sie betont, dass «nirgendwo stand, dass Frauen nicht mitrennen dürfen». Sie wollte ihrem Trainer beweisen, dass sie einen Marathon rennen kann. «Sogar besser als all meine Freunde.» Ihr Trainer versprach ihr, sie zum Boston Marathon mitzunehmen, wenn sie es schaffen würde, einen Langstreckenlauf fertig zu laufen. Und das schaffte sie.
So einfach schreibt sich der Anfang einer unvergesslichen Geschichte. «Ich war einfach nur glücklich, mitlaufen zu können. Ich wollte nichts Spezielles. Als ich dann aber bei der ZweikilometerMarke ankam, griff mich der Rennleiter an. In diesem Moment war mir klar, dass ich das Rennen fertig rennen musste.
Wenn ich das nicht getan hätte, wären die Frauen wieder ‹die Schwachen›. Dann wären wir wieder meilenweit zurückgefallen. Ich wollte es allen beweisen. Und ich schaffte es. Ich war am Ziel. Dieser Moment hat alles verändert», erzählt sie voller Emotionen.
Kathrine Switzer gab vielen Frauen eine Chance.
Seit Los Angeles 1984 ist die Sportart auch für Frauen olympisch. Der Sport hat sich verändert. Er sei mittlerweile viel mehr als nur Rennen, er verändere die Gesellschaft. Und genau dabei will Switzer helfen. Sie hat ihr eigenes globales Netzwerk namens «261 Fearless» gegründet, um Frauen zu helfen und um ein Zeichen zu setzen.
Die ewige Startnummer 261 ist auch heute noch voller Ideale: «Du weisst nie, wie weit du kommen kannst. Du musst nur einen Fuss vor den anderen setzen.» Kathrine Switzer hat Geschichte geschrieben. Jetzt liegt ihr Vermächtnis in den Händen der jüngeren Generationen.