Der Flimser Andri Ragettli sorgt beim Freestyle-Weltcupfinal in Silvaplana für den Schweizer Höhepunkt.
Andri Ragettli fährt nach seinem zweiten Run mit ausgestreckten Armen ins Ziel. Dort wird er von seinen Konkurrenten genauso wie von den Zuschauern mit Applaus empfangen. Am Ende sind die exakt 90 Punkte, die der Flimser von den Wertungsrichtern zugesprochen bekommt, zu wenig. Es ist Rang 3 hinter dem Norweger Birk Ruud und dem Amerikaner Mac Forehand. Ragettli scheint im ersten Moment enttäuscht, nicht vollends zufrieden. Das erstaunt nicht. Zufrieden mit sich selbst ist er stets nur dann, wenn er zuoberst aufs Podest steigen darf. So ist Ragettli, so funktioniert er.
Minuten später, im Wissen, mit dem dritten Rang die Weltcup-Disziplinenwertung im Slopestyle zum vierten Mal gewonnen zu haben, sind Ragettlis Gedanken plötzlich positiv und nicht mehr beim verpassten dritten Triumph in Silvaplana nach 2016 und 2019. «Es ist ein cooler Tag. Ich habe beide Läufe perfekt gestanden und eine weitere Kristallkugel gewonnen – was will ich mehr», sagt er.
Dass die erst zum dritten Mal vergebene grosse Kristallkugel für den Gesamtweltcup in den Disziplinen Slopestyle, Big Air und Halfpipe an Ruud geht, nimmt Ragettli gelassen. «Ich wusste, dass der Gesamtweltcup kaum möglich ist. Mein Punkterückstand war zu gross. Darum lag mein Fokus allein beim Slopestyle. Im nächsten Winter ...» Weiter spricht er nicht. Ragettlis mittlerweile fünfte kleine Kristallkugel, neben nun vier im Slopestyle hat er 2019 auch im Big Air reüssiert, hat für ihn aus mehreren Gründen eine spezielle Bedeutung. Nach der WM 2020 hat er sich am Kreuzband operieren lassen müssen und ist erst im Januar in den Weltcup zurückgekehrt.
«Im Sommer konnte ich nicht trainieren, wusste lange nicht, ob ich in dieser Saison überhaupt noch am Start stehen kann. Nun sind es zwei Siege, ein dritter Rang, die Slopestyle-Kristallkugel und der Sieg bei den X-Games geworden. Das ist verrückt und bedeutet mir viel. Ich bin mega-, megaglücklich. Es war eine verdammt gute Saison», so Ragettli.
Bleibt nur ein Wermutstropfen. An den Olympischen Spielen hat es mit der Medaille nicht geklappt. Auf Rang 4 in Peking angesprochen, weicht der 23-Jährige aus. «Es ist schön, auf dem Corvatsch feiern zu können – auch ein wenig als Trost», sagt er.
Im Gegensatz zu Ragettli hat Olympiasiegerin Mathilde Gremaud in Silvaplana nichts zu lachen. Ihr siebter Rang beim von der estnischen Gesamtweltcupsiegerin Kelly Sildaru gewonnenen Slopestyle-Contest ist nicht das, was sie sich erhofft hat. «Mehr lag nicht drin. Ich fühlte mich sehr müde», so Gremaud. Müde ist nicht nur die Freiburgerin, sondern auch Ragettli. «Zuerst werde ich noch einige Tage für mich Skifahren. Im Mai geht es dann in die Ferien. Die brauche ich dringend. Im letzten Sommer habe ich wegen der Knieverletzung darauf verzichten müssen.» Er bereut es nicht. Es hat sich gelohnt.