Im Verlauf der letzten Woche war es Marco van Basten, der technische Direktor der Fifa, welcher Vorschläge zu erneuten Regeländerungen im Fussball präsentierte. Weshalb der Holländer das Spiel ruhig so lassen soll, wie es ist, lesen Sie im folgenden Kommentar.
Der Fussball befindet sich in einer heiklen Phase. Geldgier, Grössenwahn, Korruption, Kommerzialisierung – es sind keine schönen Themen, um die sich die meisten Diskussionen über die schönste aller Sportarten drehen. Hat der Fussball seine Unschuld verloren? In mancher Hinsicht ganz sicher.
Doch es gibt eine Ausnahme: Wenn der Schiedsrichter anpfeift, rückt in den Köpfen der Protagonisten der Kapitalismus in den Hintergrund. Dann geht es einzig und allein darum, besser, schneller, trickreicher und cleverer zu sein als der Gegner und am Ende mindestens ein Tor mehr erzielt zu haben.
Das ist auf dem Pausenplatz so. Das ist in der 4. Liga zwischen Rothrist 2 und Zofingen 3 so. Das ist zwischen Basel und GC so. Und das ist im WM-Final zwischen Deutschland und Argentinien so. Ausserhalb des Spielfeldrandes droht vieles aus den Fugen zu geraten, doch die Essenz des Spiels, seine Herzkammer, blieb bislang von all dem verschont.
Bis diese Woche Marco van Basten mit der «Sportbild» sprach. Der Holländer, früher ein Kunstwerk von einem Stürmer, ist neuer Technischer Direktor der Fifa und hat von Präsident Gianni Infantino den Auftrag erhalten, den Fussball attraktiver und fortschrittlicher zu machen.
Nichts lieber als das, dachte sich wohl van Basten: Wie ein vom Strick gelassenes Pferd, das die neu gewonnene Freiheit auf der saftgrünen Wiese in vollen Zügen auskostet, präsentierte er in einem Interview gleich zehn (!) Veränderungsvorschläge.
Vorneweg: Van Bastens Ideenkatalog beinhaltet durchaus Positives: Massnahmen gegen Zeitschinderei und gegen ständige Rudelbildungen um den Schiedsrichter sind begrüssenswert und einfach umsetzbar. Sie bekämpfen unsägliche «Mödeli», die sich im Fussball eingeschlichen haben und die niemand mag.
Doch kommen wir zum Eingemachten. Zu van Bastens Vorschlägen, die mehr sind als Kosmetik. Die den Fussball in seinem Innersten angreifen. Die einer Operation an der Herzkammer gleichkämen: Zeitstrafe statt gelbe Karte. Shoot-Out statt Penaltyschiessen. Vier oder mehr Auswechslungen statt wie bisher drei. Obergrenze für die Anzahl Fouls, die ein Spieler begehen darf. Und Achtung: Abschaffung des Abseits! Gerade Letzteres verwundert doch sehr: Hat der gute van Basten seinen Verstand verloren? Fussball ohne Abseits? Was für ein Unfug! Unvorstellbar! Total unnötig!
Van Basten meint, es würde weniger Diskussionen über Abseitspfiffe geben. Eine Abschaffung käme zudem den Stürmern entgegen, die heutzutage in den dicht gestaffelten Abwehrreihen verhungern würden.
Falsch gedacht: Ohne Abseits würden sich die Verteidiger nur noch weiter zurückziehen, um die Stürmer zu decken. Der Fussball würde noch defensiver. Ohne Abseits hätten Supertechniker wie Lionel Messi eine viel geringere Bedeutung. Das attraktive Kurzpassspiel hätte ausgedient, Kick-and-Rush hingegen Hochkonjunktur. Und ohne Abseits würde den Zuschauern sehr viel Diskussionsstoff verloren gehen, der zum Fussball einfach dazugehört.
Also Herr van Basten, lassen Sie das Spiel ruhig so, wie es ist! Und besinnen Sie sich auf die Veränderungen, die wirklich Sinn machen! Sie möchten ja auch nicht am Herzen operiert werden, obwohl dieses einwandfrei schlägt!