Das Überraschungsteam KAA Gent startet heute gegen Wolfsburg in die K.-o.-Runde der Champions League.
Dass er ausgerechnet am Tag vor dem wohl grössten Spiel der Vereinsgeschichte seinen 52. Geburtstag feierte, schien Hein Vanhaezebrouck nicht weiter zu kümmern. «Ach, wissen Sie, sobald man über 50 Jahre alt ist, zählen Geburtstage nicht mehr so viel», sagte der Trainer der Überraschungsmannschaft KAA Gent vor dem heutigen Hinspiel im Champions-League-Achtelfinal gegen den VfL Wolfsburg (20.45 Uhr/ZDF) und fügte lächelnd an: «Man hofft nur, dass die Abstände zwischen den Geburtstagen länger werden ...»
Geburtstagskuchen? Kerzen? Geschenke? Für Vanhaezebrouck alles irrelevant. Seine unaufgeregte und unbekümmerte Art kommt gut an, sie sorgt für frischen Wind im Millionenspiel Königsklasse, und allen voran passt sie zum Underdog aus dem belgischen Ostflandern, der plötzlich in der Liste der klangvollen Klubnamen um Bayern München, FC Barcelona, Real Madrid und Co. auftaucht. Während die Nationalmannschaft des Landes schon seit einiger Zeit in der Weltspitze angekommen ist, glich Gents Einzug in die K.-o.-Runde einer Sensation. «Die grösste Überraschung des belgischen Fussballs im 21. Jahrhundert», schrieb die Tageszeitung «Het Nieuwsblad» nach dem geglückten Sprung des belgischen Meisters unter die besten 16 Teams Europas.
Dennoch ist das Team dort der grösste Aussenseiter. Immerhin ist die gesamte Mannschaft ungefähr halb so viel Wert wie Weltfussballer Lionel Messi – doch dass dies nur statistische Spielereien sind, bewies der Klub mit dem kleinsten Etat aller Achtelfinalisten bereits in der Gruppenphase. Er setzte sich gegen den FC Valencia und Olympique Lyon durch. An Selbstvertrauen mangelt es Gent nicht. Der von Freiburg ausgeliehene Stefan Mitrovic erkennt jedenfalls «keinen grossen Unterschied» zwischen Wolfsburg und Gent, wie er betonte, und er will «ein ausgeglichenes Spiel abliefern». In der heimischen Arena ist KAA in der Königsklasse noch ungeschlagen.
Dass der dreimalige Pokalsieger Gent überhaupt so weit gekommen ist, hat er vor allem zwei «Vätern des Erfolgs» zu verdanken. Vereinspräsident Ivan de Witte sanierte die Anfang der 2000er- Jahre hoch verschuldeten «Büffel» Schritt für Schritt. Verbindlichkeiten von mehr als 20 Millionen Euro sollen den Klub belastet haben – mittlerweile ist Gent schuldenfrei. 2014 übernahm dann Vanhaezebrouck das Traineramt. Äusserlich dem Spitznamen seines Klubs nicht unähnlich, formte er aus dem Pleiteklub den belgischen Meister 2015, erstmals in der Vereinsgeschichte. «Ich habe das nicht alleine gemacht, wir haben zusammen viel richtig gemacht und sind gemeinsam zu einer Spitzenmannschaft gereift», sagte der Belgier am Dienstag.
Wegen intelligenter Transfers und seines immer wieder beschriebenen taktischen Geschicks ist Vanhaezebrouck der Erfolgsgarant auf sportlicher Seite. Sein Team beherrscht mehrere Spielsysteme, häufig wird innerhalb eines Spiels die Taktik gleich mehrfach geändert. Deshalb wollte sich der Erfolgscoach auch gar nicht lange mit den Wolfsburgern aufhalten. «Ich schaue immer nur auf mein eigenes Team», sagte Vanhaezebrouck: «Und das hat bislang ganz gut geklappt.»