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Die diesjährige Fussball-WM der Frauen ist ein voller Erfolg. Nie haben mehr TV-Zuschauer ein Turnier der Frauen verfolgt, nie wurde so viel darüber gesprochen und geschrieben. Was das mit den USA zu tun hat und was die Schweiz tun muss, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Frauen kicken in Frankreich und die Welt schaut gebannt zu. 433 Millionen Mal wurden die offiziellen Fifa-Kanäle während der Gruppenphase geklickt, insgesamt rechnet die Fifa mit über einer Milliarde TV-Zuschauern während des Turniers, noch vor vier Jahren waren es 750 Millionen.
Nie hat der Frauenfussball mehr Leute in seinen Bann gezogen, nie hat er mehr Aufmerksamkeit bekommen. Gut möglich, dass all dies erst der Anfang ist. Schon vor mehr als einem Jahr schwärmte Uefa-Präsident Aleksandar Ceferin: «Frauenfussball hat ein unbegrenztes Potenzial.»
Nicht ganz so weit geht Tatjana Haenni. Sie ist seit letztem Sommer Ressortleiterin Frauenfussball beim Schweizerischen Fussballverband. Aber auch Haenni spürt Aufwind für den Frauenfussball: «Ich sehe bei den Frauen das gleiche Potenzial wie bei den Männern», sagt sie.
Die Zahlen dazu: Von 282 000 registrierten Fussballerinnen und Fussballern im Jahr 2017 waren nur knappe 10 Prozent Frauen. Ganz anders das Bild der kickenden Frauen in den USA. 1,7 Millionen registrierte Fussballerinnen gibt es dort, das entspricht bei total 4,2 Millionen Fussballern 40 Prozent. Die Amerikanerinnen sind im Fussball die Weltnummer 1, die Ami-Männer dagegen belegen bloss Platz 30. Das macht die USA zu einem Vorbild, wenn auch zu einem unerreichbaren.
So gab es gesetzliche Entwicklungen, die dem Frauenfussballs zugutekamen. Wie die Einführung von «Title IX», einem Gesetz, das im Jahr 1972 in Kraft trat und die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts an Schulen und Universitäten verbietet, die öffentliche Gelder bekommen.
Er gilt für alle Fächer, also auch Sport. Der Frauenfussball hat speziell profitiert, weil zwar die Strukturen vorhanden waren, der Sport aber nicht männlich dominiert war. «Männer-Fussball war eine Randsportart. Niemand hat die Frauen belächelt, alle dachten, das ist doch super», formuliert es Haenni.
«An sich bin ich gegen Damenfussball. Es gibt so viele schöne Sportarten. Warum ausgerechnet Fussball für die Dame?», soll der deutsche Nationaltrainer Berti Vogts einst gesagt haben. Während sich die Männer in Europa über ihre Fussballerinnen lustig machten, holten die Amerikanerinnen 1991 den ersten Weltmeistertitel im Frauen-Fussball.
«Damit haben sie einen Boom ausgelöst. Frauenfussball wurde in den USA zum Sport der Mittelschicht», sagt Martina Voss-Tecklenburg, die deutsche Nationaltrainerin (siehe rechts).
Der Boom hält an. Schon vor Turnierstart haben die Amerikaner 130 000 Tickets verkauft. Mehr als die restlichen 22 Teilnehmerländer (ohne Gastgeber Frankreich) zusammen.
In regards to the “President’s” tweet today, I know women who you cannot control or grope anger you, but I stand by @mPinoe & will sit this one out as well. I don’t support this administration nor their fight against LGBTQ+ citizens, immigrants & our most vulnerable.
— Ali Krieger (@alikrieger) 26. Juni 2019
«Es ist enorm, wie viele Fans aus den USA dabei sind», sagt Voss-Tecklenburg. Die Spielerinnen sind in der Heimat Stars, grosse Figuren. WM-Topskorerin Alex Morgan verdient mit Werbeverträgen Millionen. Capitaine Megan Rapinoe ist eine Ikone, verweigert aus Solidarität die Hymne zu singen, legt sich mit dem Präsidenten an. Auf Twitter macht ein Video die Runde, auf dem sie sagt: «Ich gehe nicht ins fucking Weisse Haus.» Selbst wenn der Präsident sie einladen sollte, womit sie nicht rechnet.
Natürlich, auch die Schweiz hat ihre Stars. Rekord-Nationalspielerin Lara Dickenmann, Ramona Bachmann, Ana-Maria Crnogorcevic oder Shootingstar Alisha Lehmann. Die 20-jährige Bernerin spielt für West Ham, auf Instagram folgen ihr 661 000 Menschen (nur sechs Sportlerinnen und Sportler haben mehr Follower).
Im Grossen und Ganzen aber hinkt die Schweiz hinterher. Letztes Jahr waren nur zwei Spielerinnen von Servette als Profis registriert, ein Grossteil der Nationalspielerinnen (derzeit 16 von 25) sind im Ausland unter Vertrag. Der Lohn ist dort besser, die Bedingungen auch.
Was braucht es, damit unsere Frauen nicht den Anschluss verlieren? «Wir müssen mehr Spielerinnen ausbilden, das vereinfacht die Talentförderung», sagt Haenni. Darum müsse es für Mädchen und Frauen einfacher werden, Sport und Ausbildung oder Beruf gleichzeitig auszuüben. Denn Vollprofis wie in den USA wird es im Schweizer Frauenfussball so schnell kaum geben. Zu klein ist der Markt, zu wenig entwickelt sind die Strukturen.
Die Viertelfinals
Norwegen - England n. Red.
Frankreich - USA Fr. 21.00
Italien - Niederlande Sa 15.00
Deutschland - Schweden Sa 18.30
bisherige WM-Finals
1991 USA - Norwegen 2:1 (1.1)
1995 Norwegen - Deutschland 2:0 (2:0)
1999 USA - China n.P. 5:4 (0:0)
2003 Deutschland - Schweden n. golden Goal 2:1 (1:1 , 0:1)
2007 Deutschland - Brasilien 2:0 (0:0)
2011 Japan - USA n. P 3:1 (2:2, 1:1, 0:1)
2015 USA - Japan 5:2 (4:1)
Vor allem im Footeco-Bereich, der Talentförderung bis 14 Jahre sieht Haenni grosses Potenzial. «Das Bewusstsein ist noch nicht da, dass da auch Mädchen reingehören», so die Frauenfussball-Verantwortliche. Nicht zuletzt aber braucht es Erfolg. Haenni weiss: «Wir müssen uns unbedingt für die EM in zwei Jahren qualifizieren.» Das wird schwierig genug, der Sport entwickelt sich derzeit in ganz Europa rasant. Von Madrid bis London – die Topklubs sind auf den Geschmack gekommen.
Der Erfolg ist zentral für die Sichtbarkeit des Sports. Das SRF zeigt zwar fast die Hälfte der WM-Spiele, aber nur das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und der Final werden im TV und mit Kommentar ausgestrahlt.
Den Rest der Partien gibt es unkommentiert im OnlineLivestream. 2015 hat das SRF alle Spiele der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft und 15 weitere WM-Spiele live gezeigt. «Der Schweizer Aspekt fehlt dieses Mal, und der ist für unsere Berichterstattung sehr zentral», begründet SRF-Sportchef Roland Mägerle.
Für Haenni haben die Fernsehmacher «eine Chance verpasst». Denn auch von internationalen Grossanlässen berichtet das SRF regelmässig. Haenni: «Der Frauenfussball bewegt die Massen. Es ist weltweit der grösste Frauensportanlass.» Trotz der Konkurrenz von ARD, ZDF oder dem französischen TV, die viele Spiele mit Live-Kommentar zeigen, kommt auch das SRF auf durchschnittlich 15 000 Stream-Starts pro Spiel.
📺 UK viewing figures of England matches last week...
— Footy Accumulators (@FootyAccums) 10. Juni 2019
Nations League
🏴 vs 🇳🇱
Peak audience - 2.6m
Audience share - 23%
🏴 vs 🇨🇭
Peak audience - 1.2m
Audience share - 15%
Women's World Cup
🏴 vs 🏴
Peak audience - 6.1m
Audience share - 38%
Incredible 👏👏👏
via @danroan pic.twitter.com/o2sD4azgEm
Deutschland gegen China verzeichnete gar mehr als 60 000. Hat das SRF den Boom nicht erkannt? Mägerle wehrt sich: «Wir haben noch nie so umfangreich von einer Frauenfussball-WM gesendet.» Zudem zeige man alle Spiele der Frauen-Nati live. Auch Champions-League- und Cupfinal übertrug das SRF.
61 556 Zuschauer haben im grössten Stadion der WM in Lyon Platz. Es ist für den Final und den einen Halbfinal ausverkauft.
30 Millionen Dollar schüttet die Fifa an Prämien aus. Damit hat sie den Betrag im Vergleich zu 2015 verdoppelt.
16,4 Millionen Deutsche haben sich den Achtelfinal von Deutschland gegen
Nigeria angeschaut, den WM-Final der Männer 2018 sahen sich 19 Millionen Deutsche an.
1,1 Millionen Tickets wurden bis am 20. Juni verkauft. Während der Gruppenphase waren die Stadien im Schnitt zu 70 Prozent gefüllt.