Sie stammen aus dem gleichen Dorf im Appenzellerland, sind zwischen 46 und 50, treffen sich einmal pro Woche und jassen oder spielen Boule. Pius, Qualitätsmanager, Appenzell, David, Lehrer, Speicher AR, Tobias, Consultant, Zürich, Flavio, Sozialarbeiter, Kirchberg SG, François, Journalist, Windisch.
Flavio: Böse, böse Isländer.
Pius: Warum? Okay, sie schlachten vielleicht Wale. Aber sonst: Keine Bodentruppen, keine Marine, kein Luftwaffe, die sympathischsten und friedlichsten Fussball-Fans der Welt. Ich sage nur: Huh! Huh! Huh.
Flavio: Nun, die Isländer haben für einen diplomatischen Eklat gesorgt.
Pius: Wie? Was? Wo?
Flavio: Als die türkische Nationalmannschaft nach Island geflogen ist, wurde sie – je nach Quelle – zwischen 80 Minuten und drei Stunden am Flughafen kontrolliert. Und dann hat sich einer einen Streich erlaubt, indem er sich als Journalist ausgab und dem türkischen Captain Emre statt eines Mikrofons eine Spülbürste vor das Gesicht hielt.
Tobias: Hat sich etwa Benjamin Huggel unter die isländischen Journalisten gemischt?
François: Nein, Huggel hat sich im November 2005, noch auf dem Rasen des Sükrü-Saraçoglu-Stadions, für die «Schande von Istanbul» gerächt. Es war ein belgischer Tourist, der sich vor dem Rückflug in die Heimat am Flughafen Kevlavik langweilte und diesen spontanen Einfall mit dem Bürsten-Interview hatte.
Pius: Ist doch lustig oder nicht? Jedenfalls viel lustiger als das, was die Schweizer vor fast 14 Jahren in Istanbul erlebt haben.
François: Absolut. Zur Begrüssung am Flughafen gab es damals Transparente wie «Das ist Istanbul, da kommt ihr nicht mehr raus», «Ich ficke ihre Mutter», «Hurren Son Frei» dazu fliegende Eier und Steine.
David: Aber die Türken finden das, was in Island passiert ist, gar nicht lustig. Alle toben, alle schreien Skandal. Von Erdogan über Aussenminister Cavusoglu, den türkischen Europaminister Celik, «Was unserer Nationalmannschaft angetan wurde, war eine Art Gewalt», bis zum türkischen Unesco-Botschafter. Dieser erklärt Island zum Schurkenstaat, «weil die Isländer seit Jahrhunderten nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass sie Wale abschlachten, dass sie diese wundervollen Kreaturen lebendig aufschlitzen». Und selbst der in Norwegen stationierte wurde umgehend nach Island delegiert.
Pius: Huh, was ist denn da los?
Tobias: Eigentlich eine Lappalie. Der Flughafen Kevlavik konnte plausibel erklären, warum es mit der Kontrolle etwas länger gedauert hat als üblich.
Pius: Wie?
Tobias: Die Türken sind von Konya aus abgeflogen. Dieser Flughafen steht nicht auf der Liste der zertifizierten Flughäfen Europas. In solchen Fällen würde in Kevlavik immer strenger kontrolliert, insbesondere Flüssigkeiten und elektronische Geräte. Ausserdem hätten sich die Türken nicht kooperationswillig gezeigt.
Pius: Wie ist das Spiel überhaupt ausgegangen?
Flavio: Island hat 2:1 gewonnen.
Pius: Oh je! Daran ist jetzt sicher der Schiedsrichter, der Flughafen, der Wal, der Geysir, die Vulkanstaubwolke, die Spülbürste, die UNO oder weiss der Teufel wer schuld.
Flavio: Ich weiss es nicht. Aber ich habe mitbekommen, was seit der Landung in Kevlavik bei den türkischen Twitter-Trends weit vorne platziert ist: «Arschloch Island».
David: Das geht ja noch. Sind ja nur rund 330 000 Einwohner. Etwas mehr als in türkischen Gefängnissen inhaftierte Menschen.