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Die Kampagne «Helvetia rennt!» startete am Samstagabend. Sie will den weiblichen Einfluss in den gut 80 Schweizer Sportorganisationen auf ein neues Level hieven. Insgesamt stellen die Initiantinnen vier konkrete Forderungen.
Punkt 20.00 Uhr am Samstagabend wurde die Homepage aufgeschaltet: «Helvetia rennt! - Jetzt reden wir mit». Eine breite Bewegung von und für Frauen im Sport. Getragen von der Interessenvertretung alliance F, der Stimme für Gleichstellung von Frau und Mann in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Angelehnt an die Kampagnen «Helvetia ruft!» mit Forderungen an die Politik und «Helvetia rockt» mit Erwartungen an die Kultur.
Nun richtet sich die Stimme der Frauen also auch an den Schweizer Sport und prangert an erster Stelle die massive Untervertretung des weiblichen Geschlechts in den Entscheidungsgremien der Verbände an. Sie liefert dazu entwaffnende Zahlen. 42 Prozent der Schweizer Teilnehmenden an den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea waren Frauen, aber nur 16 Prozent der Trainer und Funktionäre. 36 Prozent der Mitglieder in Schweizer Sportvereinen sind weiblich, aber nur acht Prozent der Präsidien in den Verbänden.
Es ist ein Zeichen der Zeit, dass Athletinnen lauter, mutiger, selbstbewusster werden. Topleistungen im Wettkampf zeigen sie schon immer. Support erhalten die Sportlerinnen von Ständerätin Maya Graf, der Co-Präsidentin von alliance F. Sie sagt, dass der Einsatz für Gleichstellung im Sport einem Marathon gleichkomme, «denn der Sport hat grossen Aufholbedarf. Und:
«Er verkörpert vielerorts nach wie vor eine Kultur, die von Männern für Athleten geschaffen ist.»
Die Baselbieter Politikerin erklärt, sie sei ein grosser Sportfan. «Aber für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass fairer Sport gleich faire Bedingungen und Förderung von Sportlerinnen beinhaltet.»
Ganz oben auf der Homepage von Helvetia rennt! steht die Zahl 0. Sie widerspiegelt die Anzahl Frauen in der Geschäftsleitung von Swiss Olympic. Die langjährige Marathonläuferin Maja Neuenschwander arbeitet als Projektleiterin «Frau und Spitzensport» für eben diesen Dachverband des Schweizer Sports. Die Bernerin ist sich bewusst, dass sie für ihr Engagement bei Helvetia rennt! «einen anderen Hut anziehen muss. Ich bin als Privatperson Teil dieser Bewegung», betont Neuenschwander.
Ihr liegt sehr am Herzen, dass «das Umfeld des Sports weiblicher wird», nachdem inzwischen bei den Aktiven doch vielerorts praktisch Geschlechter-Gleichstand erreicht ist. Etwa bei den Teilnehmenden an den Olympischen Spielen von Tokio oder in den Kommissionen des Internationalen Olympischen Komitees.
Maja Neuenschwander weiss, dass sie durchaus auch unter dem Hut von Swiss Olympic etwas erreichen kann. «Dass ich auch Teil dieses Systems bin, kann eine Chance sein», sagt die 40-Jährige. Das Projekt «Frau und Spitzensport» investiert in Massnahmen für dieses Sportsystem und sorgt damit quasi für den Nährboden, der den Frauen den Weg zur Gleichstellung ebnet. Denn die Rekrutierung steht an erster Stelle für einen Wandel. «Die Frauen müssen diesen Part übernehmen und die sich bietenden Chancen auch nutzen», sagt Neuenschwander.
Roger Schnegg, Direktor von Swiss Olympic, sagt, dass man die Zeichen der Zeit erkannt hat: «Swiss Olympic würde es begrüssen, wenn mehr Frauen in Sport-Führungspositionen stehen würden - ob bei uns oder bei den Verbänden. Wir versuchen daher, dort wo es uns möglich ist, Diversität generell zu fördern.»
Den Initiantinnen von Helvetia rennt! Reichen Worte nicht aus. Sie stellen vier konkrete Forderungen. Sie wollen, dass die Entscheidungsgremien von Sportverbänden zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen, dass Kaderstellen öffentlich ausgeschrieben werden und das Auswahlverfahren transparent ablaufen. Auch in den Sportmedien verlangen sie eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils.
Zum zweiten fordert die Kampagne gleichberechtigten Zugang zu Fördergeldern. Die dritte Forderung verlangt eine nationale Anlaufstelle gegen Missbrauch im Sport. Zu diesem Punkt hat die Sportkommission WBK-S auf Antrag von Maya Graf im Parlament eine Motion eingereicht, die am 8. Dezember im Ständeart beraten wird. Zumindest diese Massnahme könnte sehr bald sehr konkret werden.
Zu guter Letzt verlangen die Frauen einen Verzicht auf Sexismus im Sport. Athletinnen wollen nicht über ihr Äusseres definiert werden. Konkret formuliert ist eine Forderung zur Vorgabe von Sportkleidung: Frauen sollen nicht mehr Haut zeigen müssen als Männer.
Support erhält der sportliche Frauenaufstand von Bundesrätin Viola Amherd. Die Sportministerin hat mehrmals selbst Forderungen nach einem höheren Frauenanteil in Sportgremien gestellt. Sie sagt zur Kampagne: «Ich unterstütze das Projekt Helvetia rennt.» Und weiter:
«Frauen müssen im Sport gleichberechtigt mitreden und mitgestalten können.»
Amherd ergänzt: «Bei der Besetzung von Führungspositionen in Sportverbänden muss die Frauenvertretung stark verbessert werden.»