Nationalteam
Wie gestaltet sich der Kampf um die letzten WM-Plätze?

Wie schwierig ist es, noch auf den WM-Zug aufzuspringen? Nach dem Testspiel gegen Spanien (Sonntag ab 21 Uhr) benennt Trainer Vladimir Petkovic morgen die 23 Schweizer für die WM in Russland – und schickt drei Spieler in die Ferien.

Christian Brägger, Villarreal
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Drei Spieler werden keinen Platz finden, um mit der Nati nach Russland zu reisen.

Drei Spieler werden keinen Platz finden, um mit der Nati nach Russland zu reisen.

Keystone

Goalie Gregor Kobel, gewiss. Mittelfeldspieler Edimilson Fernandes, vermutlich. Und wohl auch Verteidiger Silvan Widmer. Oder trifft es am Ende mit Michael Lang doch einen anderen aus der Hintermannschaft?

Diese Namen werden jedenfalls teilweise hoch gehandelt, wenn es darum geht, noch die drei Schweizer zu benennen, welche die Reduktion auf die WM-Kadergrösse von 23 Spielern nicht überstehen. Kobel ist Jungprofi bei Hoffenheim, Fernandes spielt bei West Ham, Widmer in Italien für Udinese. Und Lang ist der einzig verbliebene Akteur der Super League.

Der Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic befindet sich seit dem Amtsantritt vor fast vier Jahren ein zweites Mal in der Endphase, in der es gilt, die beste Mannschaft für ein Turnier zu finden. Und damit die Kandidaten nicht nur hinsichtlich ihres Könnens, sondern auch ihrer Rolle in der bis dahin funktionierenden Gruppe zu bewerten. Nur, nach der EM 2016 ist heuer die Plattform eine ungleich grössere, Petkovics Wahl noch mehr im Fokus: Es kommt die WM.

Super League nicht hoch im Kurs

Unter Petkovic haben es die Spieler der einheimischen Liga nicht einfach, Albian Ajeti beispielsweise, der Torschützenkönig dieser Saison, hat es nicht einmal bis ins Trainingslager geschafft, das diese Woche in Lugano begonnen hat. Wie auch die Basel-Rückkehrer Fabian Frei und Valentin Stocker – immerhin haben beide in dieser WM-Qualifikation getroffen.

Fabian Schär
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Granit Xhaka
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Nati-Captain Stephan Lichtsteiner mahnt: "Zurücklehnen kommt nicht infrage."
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Manuel Akanji: Bringt Nati Glück Hat den Sprung zu Borussia Dortmund geschafft und damit eine gute Saison hinter sich. Er kam in ein krisengeschütteltes Team und stellte seinen Mann. Mit ihm hat die Nati in fünf Partien noch kein einziges Tor kassiert.
Johan Djourou: Am Ende okay Sein Wechsel in die Türkei zu Antalyaspor schien wegen Unruhen im Klub und einer dreimonatigen Verletzungspause unter keinem guten Stern zu stehen. Ab Mitte März stand Djourou aber stets in der Startformation. Immerhin.
Ricardo Rodriguez: Titular bei Milan Der 25-Jährige war bei der grossen AC Milan während der ganzen Spielzeit Titular und darf persönlich mit 47 Pflichtspieleinsätzen und vier Toren auf eine ordentliche erste Saison in der Serie A zurückblicken. Hat aber Luft nach oben.
Valon Behrami: Geringes Pensum Stand wegen diverser Verletzungen nur ein Drittel so lang auf dem Platz wie Rodriguez. Sorgte wegen seiner Liaison mit Skistar Lara Gut aber ohnehin für mehr private Schlagzeilen als für berufliche. Wie fit ist er für die WM?
Denis Zakaria: Wie Xhaka Ist bei Mönchengladbach gleich in seiner ersten Saison erfolgreich in die grossen Fussstapfen von Granit Xhaka getreten. Nicht nur wegen der elf gelben Karten… Er hat den Deutschen mit seiner Härte mächtig imponiert.
Blerim Dzemaili: Torflaute Er hat in der Major League Soccer bei Montreal als torgefährlicher Mittelfeldspieler eingeschlagen, ist im Winter aber zu Bologna in die Serie A zurückgekehrt. Gespielt hat er zwar fast immer, aber nur noch einmal getroffen.
Remo Freuler: Der Dauerbrenner Zweieinhalb Saisons spielt Aufbauer Remo Freuler seit seinem Wechsel von Luzern zu Atalanta Bergamo nun schon in der Serie A. Er ist zum absoluten Dauerbrenner geworden und hat die zweitmeisten Ligaeinsätze des Teams.
Steven Zuber: Form verloren Nach einem starken Start in die Bundesligasaison mit Hoffenheim und vielversprechenden Leistungen in der Nati verlor Zuber seine Form und sass in der Liga ab Februar in 14 Spielen 9 Mal durchgehend auf der Ersatzbank.
Haris Seferovic: Ohne Spielpraxis Nach dem tollen Saisonstart mit drei Toren ging es für den Stürmer bei Benfica rasant bergab. Auch als sich Toptorschütze Jonas verletzte, blieb Seferovic zweite Wahl. Er kommt ohne Spielpraxis und Selbstvertrauen zur Nati.
Mario Gavranovic: In Torlaune In der letzten Saison mit Rijeka Meister geworden, in dieser Spielzeit nach dem Transfer im Winter mit Dinamo Zagreb: Es läuft bei Gavranovic. 15 Ligatore hat er geschossen: 8 für Dinamo, 7 für Rijeka. Und es folgt noch der Cupfinal.
Breel Embolo: Nur 2x 90 Minuten Nach der unglücklichen ersten Saison mit der schweren Verletzung liess Embolo bei Schalke eine durchzogene zweite Spielzeit folgen. Nur zweimal kam er in der Bundesliga über 90 Minuten zum Einsatz. Seine Fitness ist ein Fragezeichen.
Roman Bürki Manchmal war er beim BVB Welt-, manchmal Kreisklasse. Legte sich mit den Fans an.
Yvon Mvogo Eine Saison zum Vergessen: Durfte für Leipzig nur ein Mal das Tor hüten.
Gregor Kobel Das 20-jährige Goalietalent wird in Hoffenheim aufgebaut. Spielte 8x in der Regionalliga.
Nico Elvedi Erst 21-jährig, ist der Verteidiger bereits ein echter Leistungsträger von Gladbach.
Michael Lang Schoss als Verteidiger in 44 Spielen 10 Tore für den FCB. Seit Mitte März keines mehr.
Silvan Widmer Obwohl erst 25-jährig, hat er schon fünf Saisons für Udinese bestritten. 17/18: 24 Spiele.
François Moubandje Spielte zu Beginn immer, danach selten. Muss mit Toulouse in die Abstiegsbarrage.
Gelson Fernandes Sah den Cupsieg der Eintracht im Anzug, weil gesperrt. 19 Ligaspiele.
Edimilson Fernandes Hatte bei West Ham viel Verletzungspech. Erst in den letzten Wochen voll im Einsatz.
Josip Drmic Musste viel leiden. Doch er biss sich bei Gladbach durch und schoss noch vier Tore.

Fabian Schär

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Dies lässt den Schluss zu, dass die Super League bei Petkovic nicht in allzu hohem Kurs steht, und vielleicht steht sie das mit Recht nicht. Trotzdem sagt Lang: «Dass ich der einzige Super-League-Spieler bin, ist schon eine Auszeichnung für mich. Doch wer bei Basel oder YB spielt, muss sich nicht verstecken. Wir dürfen uns nicht klein machen.»

Der Kreis der WM-Kandidaten ist jetzt so gross wie nie. Viele Schweizer spielen im Ausland, teilweise mit beachtlichem Erfolg. Doch in den erlesenen Kreis schaffen es längst nicht alle. Fabian Lustenberger oder Primin Schwegler, mit vielen Bundesligajahren etablierte Auslandprofis, sind seit Jahren nicht mehr Bestandteil des Nationalteams, aus welchen Gründen auch immer. Renato Steffen, der seit dem Wechsel im Winter 16-mal für Wolfsburg auflief, galt als WM-Anwärter, konnte aber seit geraumer Zeit die Sommerferien planen.

Der Kern besteht schon lange

Dass zum Teil gestandene Spieler nicht einmal mehr in die Nähe des 23-Mann-Aufgebots kommen, hängt auch damit zusammen, dass der Kern des Nationalteams schon lange besteht: Ungefähr 15 Spieler tummeln sich darin, in vielen Auftritten und Zusammenkünften sind sie stets enger zusammengerückt.

Doch Widmer hofft und sagt, im Fussball müsse man sich immer neu beweisen. «Niemand hat den Platz auf sicher, jeder muss ihn sich verdienen, das hat uns auch der Trainer mit auf den Weg gegeben.»

Coach Vladimir Petkovic möchte einen harmonischen Konkurrenzkampf.

Coach Vladimir Petkovic möchte einen harmonischen Konkurrenzkampf.

Keystone

Jene Schweizer hätten Vorteile, die schon länger dabei seien, sagt Petkovic. Und fordert eine Art harmonischen Konkurrenzkampf. Wobei der Nationalcoach den Fokus in den Trainings mehr auf das eigene Team legt als auf den Gegner. «Was wir tun, ist wichtig.» Das Selbstvertrauen der Mannschaft ist unter ihm mit den Jahren gewachsen; das wirkt sich erschwerend für jene Neuankömmlinge aus, die über keinerlei Turniererfahrung verfügen.

Der 27-jährige Lang ist seit 2013 und 23 Länderspielen dabei, und er sagt, er mache sich nicht allzu viele Gedanken, ob er den Cut schaffe. «In Anbetracht der starken Konkurrenz ist es schwierig, im WM-Kader zu stehen. Die Leistung muss schon über das ganze Jahr stimmen.» Lang darf zuversichtlich sein.

Überraschungen sind kaum zu erwarten

Auch wenn es die Kritiker nicht wahrhaben wollen. Petkovic gilt in seinen Entscheiden als objektiv. Persönliche Sympathien erhalten bei ihm wenig Raum – hierfür steht die Ausbootung Gökhan Inlers vor zweieinhalb Jahren. In Nominations-Dingen gilt der Coach überdies eher als konservativ, Überraschungen sind also kaum zu erwarten.

Doch keine Regel ohne Ausnahme, vor zwei Jahren schaffte beispielsweise der junge Denis Zakaria den Sprung ins Euro-Team und verdrängte quasi auf der Ziellinie noch den erfahreneren Luca Zuffi. Und vielleicht sieht Petkovic ja den 22-jährigen Edimilson Fernandes als Alternative im linken Korridor, wo nach dem Ausfall Admir Mehmedis ein Spieler fehlt.

Letze Aufschlüsse wird dem Trainer nun der Test gegen Spanien liefern, ehe er morgen um 18 Uhr in Lugano sein Aufgebot verkündet. On verra.