Äquatorialguinea leidet unter einem brutalen Diktator, ist touristisch kaum erschlossen, und schafft es den kurzfristig übernommenen Afrika-Cup mit einem Mix aus Improvisationskunst und erstaunlicher Gelassenheit irgendwie durchzuführen.
Es ist 9.15 Uhr. Seit über einer Stunde warte ich auf Daniel. Der Handyempfang in Ebebiyin ist mal wieder ausgefallen. Seit ich wach bin, habe ich drei Kakerlaken in meinem Zimmer gesehen, geduscht habe ich mit der Schöpfkelle und der zur Verfügung stehenden Wassertonne.
Es ist jetzt schon wieder schwül-heiss. Die Luft stickig, der Schweiss tropft. Daniel kommt aus Malabo, ich lernte ihn auf der Busfahrt von Bata an der Küste hier in den Dschungel kennen. Heute wollen wir zusammen weiter nach Mongomo, dem vierten Spielort. Ich mache mich ohne ihn zum Markt auf, wo die «Taxis» starten.
Der Fahrpreis (4 Franken) ist schnell ausgehandelt, wir sitzen zu fünft in einem kleinen Toyota, der Kofferraum quillt mit Gepäck sowie einem Eimer mit bisschen Wasser und fünf Fischen drin über. Da die Klappe nicht zugeht, wird sie mit einem alten Veloschlauch und einem Bändel festgezurrt. Da kommt Daniel um die Ecke. Gerade noch rechtzeitig. Zu sechst zwängen wir uns in den Wagen. Es kann losgehen.
Dass ich überhaupt hier in der hintersten Provinz Äquatorialguineas, im Dreiländereck mit Gabun und Kamerun gelandet bin, hängt auch mit Ebola zusammen. Denn dass der Afrika-Cup in einem der kleinsten Länder des Kontinenten stattfindet, hätte noch im Herbst niemand gedacht. Es war eine Notlösung. Äquatorialguinea war zuvor von der Qualifikation ausgeschlossen worden, weil es nicht spielberechtigte Kicker einsetzte.
Endlose Mängelliste
Als der ursprüngliche Veranstalter Marokko im November wegen Angst vor Ebola das Handtuch warf, sah Präsident Teodoro Obiang seine Chance gekommen. Er führt das Turnier durch, im Gegenzug wird die Verbannung Äquatorialguineas aufgehoben. Plan C wäre wohl eine Austragung in Katar gewesen – diese Schande konnte abgewendet werden. Der Afrikanische Verband (CAF) stimmte dem Kuhhandel zu.
In nur 57 Tagen organisierte Äquatorialguinea die Kontinentalmeisterschaft. Es funktioniert eigentlich nichts, aber irgendwie klappt doch alles. Der Rasen in den Spielorten Ebebiyin und Mongomo – wo neue Stadien gebaut wurden – kam aus Europa, Gabun stellt 20 Busse zur Verfügung, die Feuerwehr reist aus Angola an, 400 Ärzte aus Kuba und strenge Kontrollen bei der Einreise sorgen dafür, dass Ebola nicht eingeschleppt wird.
In der Hauptstadt Malabo wird noch am Spieltag an der Arena gemalt. Das Medienzentrum besteht praktisch nur aus einer Internetverbindung, versprochene Transportmöglichkeiten zwischen den Turnierorten fehlen nach der Hälfte des Turniers noch immer. Die Mängelliste ist endlos. Aber bis zum Endspiel dürfte alles einigermassen funktionieren. Vielleicht. Und wenn nicht, geht’s halt irgendwie anders. Den Kraftakt ermöglichen die Rohstoffe, dank welchen die Nation in Geld schwimmt. Oder besser gesagt: der Präsident Teodoro Obiang.
Dieser regiert seit 1979 – als er mit Papa Macias einen der brutalsten Führer Afrikas aus dem Amt putschte – sein Volk mit eiserner Hand. Zwar gilt die ehemalige spanische Kolonie als Demokratie, aber Wahlsiege mit über 98% der Stimmen (angeblich in einigen Regionen gar 103%) sprechen eine klare Sprache: Obiang führt das Land als Diktator.
Brutaler Diktator
Der 72-Jährige ist nicht nur der sich am längsten im Amt haltende nicht royale Führer der Welt, sondern vermutlich auch der reichste Mann Afrikas. Sein Vermögen wird auf 600 Millionen Dollar geschätzt, teilweise wird von bis zu drei Milliarden gemunkelt. So genau weiss dies niemand, wie vieles hier im Staat mit sieben Siegeln. Dazu passt auf der Insel Bioko im Golf von Guinea, wo sich Malabo befindet, der Harmattan.
Der Wüstenwind aus der Sahara lässt die Hauptstadt in diesen Tagen unter einer Dunstglocke verschwinden. Die Sicht ist meist auf rund einen Kilometer beschränkt. Dabei wirkt der Ort mit seinen ca. 150 000 Einwohnern so gar nicht afrikanisch. Bettler sehe ich in der Stadt keine, es ist überraschend sauber und die Strassen sind in hervorragendem Zustand.
Der Schleier ist so passend für die Region, dass man die Szenerie nicht besser hätte erfinden können. Vieles hier ist undurchsichtig. Äquatorialguinea zählt zu den unbekanntesten und korruptesten Ländern der Welt. Touristen kommen nicht nur wegen des sehr schwierig zu erhaltenden Visums kaum hierher. Ein Schurkenstaat, wie im Film «Die Dolmetscherin» beschrieben.
Eigentlich. Denn da ist noch etwas, was US-Aussenministerin Condoleezza Rice 2006 zu sagen veranlasste, dass Obiang ein «guter Freund» sei: Unmengen von Öl und Gas. Dieses wurde in den 1990er-Jahren vor der Küste entdeckt und liess die amerikanische Firma Marathon gleich hinter dem Flughafen Malabos eine inoffizielle amerikanische Exklave erbauen.
Strenge Polizei-Kontrollen
Hier gibt es ein eigenes Strom- und Wassernetz, man telefoniert zum Lokaltarif in die USA und nicht wenige Mitarbeiter verlassen die firmeneigene Stadt praktisch nie. Das Areal ist hermetisch abgeriegelt, rein kommt niemand ohne Einladung. Journalisten während des Afrika-Cups schon gar nicht.
So fliege ich – ohne jegliche Sicherheitskontrollen am Flughafen – aufs Festland nach Bata. Von dort fahre ich auf hervorragenden Strassen ohne einem einzigen Schlagloch quer durch den Dschungel nach Ebebiyin. Auf so einer Traumstrasse fahren wir jetzt im vollgestopften Taxi Richtung Mongomo. Eine Stunde dauert die Fahrt. Viermal müssen wir dabei an Polizei-Checkpunkten vorbei.
Meist reicht das Hervorkramen meiner Akkreditierung, meine guineischen Mitfahrer müssen ihre Ausweise zeigen. Alles wird überwacht hier. Als wir in Mongomo eintreffen, wirkt alles noch viel surrealer. Der Präsident kommt aus diesem Ort und lässt entsprechend Geld sprudeln. Die Strassen im Nest sind vierspurig, Strassenlaternen säumen den Weg, ein neues Spital wurde gebaut, ein gigantischer Präsidentenpalast, ein Park, ein Stadion, Trainingsfelder, selbst ein Flughafen.
Wieder finde ich eine heruntergekommene Unterkunft. Die Glühbirne an der Decke geht nicht. Im Bad steht die Wassertonne mit der Schöpfkelle bereit, das Bett ist durchgelegen. Immerhin habe ich noch keine Kakerlaken entdeckt.