Strafverfahren
Sepp Blatter wird Auskunftsperson in der «Schweizerhof»-Affäre

Das Strafverfahren gegen Fifa-Präsident Gianni Infantino und Ex-Bundesanwalt Michael Lauber nimmt Fahrt auf.

Henry Habegger
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Der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter Anfang September bei der Bundesanwaltschaft in Bern.

Der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter Anfang September bei der Bundesanwaltschaft in Bern.

Keystone

Im September hat die Bundesversammlung den Obwaldner Richter Stefan Keller zum ausserordentlichen Bundesanwalt gewählt. Er ermittelt rund um die nicht protokollierten «Schweizerhof»-Treffen des abgetretenen Bundesanwalts Michael Lauber mit Fifa-Chef Gianni Infantino. Zudem wurden an Keller auch Strafanzeigen zur Bearbeitung weitergereicht, die über diese heimlichen Treffen hinausgehen.

So hatte der Präsident der SP-Oberwallis, Gilbert Truffer, im letzten Sommer eine Strafanzeige deponiert, bei der es auch um einen anderen Sachverhalt geht. Um einen Privatjet, den Fifa-Chef Gianni Infantino samt Begleitern im Juni 2017 für einen Flug aus dem südamerikanischen Surinam nach Genf gechartert hatte, obwohl bereits Plätze auf einem Linienflug gebucht waren. Als Begründung des Flugs – er soll 200'000 Franken gekostet haben – nannten Infantinos Leute gegenüber den Fifa-Kontrolleuren ein Treffen mit Uefa-Präsident Aleksander Ceferin in Nyon VD. Nur war Ceferin an diesem Tag in Armenien, wie die «Süddeutsche Zeitung» aufdeckte.

SP-Politiker Truffer ergänzte jetzt seine Strafanzeige. Er ist der Ansicht, wie aus seiner neuen Eingabe hervorgeht, dass sich Infantino der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gemacht haben könnte.

Eine organisierte Lüge passt nicht zum Image

Keller könnte, sofern er den Fall untersucht, auch den Uefa-Präsidenten Ceferin als Zeugen befragen. Bestätigt dieser die Version, dass das Treffen mit Infantino erfunden war, hat der Fifa-Chef ein gröberes Problem. Infantino inszeniert sich als Saubermann, der ausmistet und die alte Führungsriege zur Rechenschaft ziehen will. Eine organisierte Lüge, um einen teuren Privatjet zu rechtfertigen, passt nicht zu diesem Image.

Infantino bestritt die Vorwürfe immer. Die Fifa hielt im Mai 2020 fest, der Rückflug aus Surinam habe «den Regeln und Vorschriften der Fifa» entsprochen. Später untersuchte die Fifa-Ethikkommission unter Maria Claudia Rojas, die als Infantino-Vertraute gilt, den Surinam-Flug, stellte das Verfahren aber «wegen mangelnder glaubhafter Beweise zu sämtlichen behaupteten Verstössen gegen das Fifa-Ethikreglement» ein.

Truffer wirft in seiner neuen Eingabe auch die Frage auf, ob sich Leute aus dem Umfeld von Infantino der Beihilfe schuldig machten, falls sie eine «Surinam-Lüge» deckten. Konkret nennt er die Ethik-Chefin oder Infantinos Assistenten.

Blatter soll vor dem Sonderermittler aussagen

Mit schwererem Geschütz als gegen Infantino geht Rojas gegen Sepp Blatter vor. Diesem droht dem Vernehmen nach ein neues Verfahren der Fifa-Ethikkommission im Zusammenhang mit alten Vorwürfen zu Bonuszahlungen. Die neue Intervention gegen Blatter wird von einigen Beobachtern als Gegenangriff des wegen der Keller-Untersuchung unter Druck stehenden Infantino verstanden. Umso mehr, als Blatter dem Vernehmen nach vom ausserordentlichen Bundesanwalt Keller als Auskunftsperson aufgeboten worden ist.

Welche Erkenntnisse oder Erhellungen sich Keller von Blatter erhofft, ist offen. Fakt ist, dass Infantino vom Strafverfahren profitierte, das Lauber 2015 gegen Blatter eröffnete – damit war für ihn die Bahn als Fifa-Boss frei. Die Vorladung an Infantinos Vorgänger deutet jedenfalls darauf hin, dass der Sonderermittler mit breitem Besen am Werk ist. Es gilt die Unschuldsvermutung.