Roman Bürki spielt auch dank Goalietrainer Andreas Kronenberg eine überragende erste Bundesligasaison. Der symphatische Berner macht sich keine Sorgen wegen des Abstiegs.
Zwei Tage vor dem Abstiegsthriller zwischen dem VfB Stuttgart und dem SC Freiburg fragt ein Reporter: «Herr Streich, verspüren Sie Lust auf diese Partie?» Der Freiburger Trainer sagt: «Ne, dieses Spiel kann ich nicht mit Lust verbinden.»
Ein bisschen später dieselbe Frage an den Freiburger Goalie: «Roman Bürki, freuen Sie sich auf den Samstag?» Die Antwort kommt umgehend: «Und wie ich mich freue! Ein Derby vor vollem Haus, was will man mehr?» Es geht um viel in diesem Bundesligaspiel am 30. Spieltag. Der Vorletzte trifft auf den Fünftletzten. Bürki sagt: «Ich mache mir keine Sorgen wegen des Abstiegs. In Stuttgart werden wir einen wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt machen.» Mit den Grasshoppers hat er in der Super League auch eine Saison gegen die Relegation gespielt. «Das hilft mir nicht viel. Das hier ist eine andere Dimension», sagt Bürki.
An ihm liegt es nicht, dass Freiburg im Strudel steckt. Obwohl er selbstkritisch sagt: «Gegen Paderborn und Hannover habe ich zwei Fehler gemacht, die uns vier Punkte gekostet haben.» Um auszurechnen, wie viele Punkte er andrerseits dem Sportclub schon gerettet hat, bräuchte es fast schon einen Zählrahmen. Schon neun Mal hat Bürki zu-Null gespielt. Kein Wunder, hat er im Fachmagazin «kicker» hinter dem Schalker Fährmann den zweitbesten Notenschnitt aller Bundesligagoalies.
Seit 2011 beim SC Freiburg
Andreas Kronenberg sagt: «Ich bin nicht überrascht, wie gut Bürki ist. Aber ich bin sehr glücklich, dass es so gekommen ist.» Der 40-Jährige meint damit, dass im Fussball vieles auch unvorhersehbar ist; ein dummes Gegentor, eine Verletzung oder ein Platzverweis; und schon ist alles viel schwieriger. Kronenberg ist seit 2011 Torhütertrainer beim SC Freiburg. «Ich habe ihn zuvor nicht gekannt, ich habe gar nicht gewusst, dass hier ein Schweizer diesen Job macht», sagt Bürki. Kronenberg sagt: «Als Schweizer verfolge ich die Super League und ihre Torhüter regelmässig und habe gewusst, dass Bürki ein Guter ist. Persönlich habe ich ihn aber erst hier kennen gelernt.»
Der Basler Kronenberg war Schweizer Nachwuchsinternationaler, wechselte aber schon als 19-Jähriger in den deutschen Fussball, spielte für Ditzingen, Burghausen, Pfullendorf, Ahlen, Holstein Kiel und Rotweiss Erfurt, wurde Goalietrainer bei der Jugend von Bayern München und vom VfB Stuttgart, ehe er nach Freiburg kam. «Als ich damals vom FC Riehen nach Deutschland ging, rechnete ich mit drei Jahren», sagt Kronenberg. «Jetzt sind es schon mehr als zwanzig.»
Bürki sagt: «Kronenberg ist sehr zielstrebig und ehrgeizig. Ich habe schon viel von ihm gelernt. Im Duell 1:1 bleibe ich noch länger stehen, ich verlagere mein Körpergewicht nach vorne, um mich auf den Beinen zu halten», sagt Bürki. «Und fussballerisch muss ich gut sein, denn Freiburg spielt gepflegt von hinten heraus.» Als Feldspieler hätte er es ungefähr bis in die 1. Liga gebracht», denkt Bürki, «als Joker in der Verteidigung.» Viel gelernt hatte er in seinen Anfangsjahren von seinem Vater, der ein starker Torhüter beim FC Münsingen gewesen war.
Bürki ist in Freiburg um seine eigene Geschichte zu schreiben
«Er war immer mein Vorbild», sagt Bürki. Doch für viele junge Schwarzwälder ist der Schweizer inzwischen selber ein Vorbild. Rührend, wie ein keiner Junge im SWR-Fernsehen gesagt hat: «Bürki ist der perfekte Torhüter für Freiburg. Einen Besseren kriegen wir nicht.» Noch ist der 24-Jährige nicht mal ein Jahr in Freiburg, bereits aber ein grosser Publikumsliebling. Vor allem seiner Leistungen wegen, aber auch dank seiner Offenheit und Bodenständigkeit. Dabei hatten nicht wenige an der Dreisam gedacht, die Fussstapfen des zu Hoffenheim abgewanderten Oliver Baumann seien für jeden Nachfolger viel zu gross.» Kronenberg sagt: «Bürki ist gekommen im Wissen, dass er ein schweres Erbe antritt. Er hat aber von Beginn an betont, dass er hier sei, um seine eigene Geschichte zu schreiben. Das war der Schlüssel dazu , dass er es hier gepackt hat.»
Bürki sagt, er sei im Vergleich zu früher ruhiger geworden. Dass er in der Halbzeitpause gegen Mainz aus Enttäuschung gegen eine Plexiglasscheibe geschlagen hat, nimmt ihm beim SC Freiburg niemand übel. «Unsere Spieler sind hungrig. Besser er haut auf Plexiglas als auf... und vor allem bin ich froh, dass er sich nicht verletzt hat», sagt Trainer Streich. «Emotionen gehören dazu», sagt Kronenberg. «Ich glaube, die Scheibe war vorher schon kaputt», schmunzelt Bürki.
Die Zeitung «Bild» hat vermeldet, Bürki könne Freiburg für 6 Millionen Euro verlassen, falls der SC absteigt. «Da müssen Sie unseren Manager fragen», sagt Bürki. «Aber natürlich wäre die 2. Liga nicht, was ich mir wünsche. Auch wegen der Nationalmannschaft.» Bürki anerkennt, dass Yann Sommer in der Nati derzeit zu Recht die Nummer 1 ist. «Aber klar möchte ich irgendwann auch mal die 1 sein», sagt der Münsinger.
Dass mit Sommer, Diego Benaglio, Marwin Hitz und ihm gleich vier Schweizer Torhüter Stammgoalies in der Bundesliga sind, ist für Bürki kein Zufall. «In der Schweiz wird schon mit jungen Goalies hervorragend gearbeitet», sagt Bürki, der längst mit Topklubs in ganz Europa in Verbindung gebracht wird.
Streich sagt: «Roman identifiziert sich mit der Sache. Ich bin einfach total glücklich, dass er hier ist.» Noch.