Sie haben sich wieder lieb: FIFA-Präsident Joseph S. Blatter hat sich eine Woche nach seiner scharfen Kritik am Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bei Jacques Rogge entschuldigt.
Doch hinter der Kulissen rumort es weiter. Gian Franco Kasper, mächtiger Präsident des Internationalen Skiverbandes FIS und IOC-Mitglied, griff Blatter im Zuge der Diskussionen um die Fussball-WM-Vergabe 2022 nach Katar und dessen Befürwortung einer möglichen «Winter-WM» scharf an.
«Typisch Blatter! Er hat mit uns noch nie über seine Idee gesprochen. Die FIFA hat eine Mentalität, sich um nichts anderes als sich zu kümmern. Mit dieser rücksichtslosen Haltung schadet die FIFA dem gesamten Sport», sagte Kasper in einem Interview der Schweizer Zeitung Blick.
Im Interesse des Sports hofft Kasper auf vermittelnde Gespräche in naher Zukunft: «Im März treffen sich alle internationalen Sportverbände von Winter und Sommer - ausgerechnet in Doha. Dabei wird die drohende Terminkollision sicher ein Thema. Viele Verbände und viele Nationen haben für die Fussball-Idee wenig Sympathie.»
Prinzen, Könige, Geldscheichs
Ganz andere Töne hatte kurz zuvor Kaspers Chef Rogge angeschlagen. «Ich will nicht in Details gehen, die Sache ist erledigt», sagte der IOC-Boss nach einem Telefonat mit Blatter. Der FIFA-Präsident hatte Rogge berichtet, was ihn zu den Angriffen auf das IOC verleitet hatte, dessen Mitglied er selbst seit 1999 ist. Nach Angaben eines IOC-Exekutivmitglieds hat sich der 74-Jährige nicht nur von einigen Aussagen distanziert, sondern gleichzeitig auch erklärt, er sei bei seinen Anmerkungen während der Asienmeisterschaft in Doha missinterpretiert und nicht korrekt zitiert worden. Am Ende also, so die offizielle Version, war alles nur ein Missverständnis.
Die am vergangenen Freitag geäusserte Kritik des FIFA-Chefs las sich harsch. Blatter warf der Regierung des Weltsports vor, sie habe zu wenig Transparenz und gehe mit ihrem Geld um wie eine Hausfrau: «Sie erhält etwas Geld und gibt etwas Geld aus». Falls jemand wissen wolle, wo es in der Welt noch Prinzen, Prinzessinnen und Könige gebe, «der soll sich die Liste des IOC ansehen. Er wird dort eine ganze Menge finden.»
Katar-WM nun doch im Winter?
Zugleich provozierte Blatter das IOC auch mit seiner Absichtserklärung, die Fussball-WM 2022 in Katar im Winter auszutragen und damit in zeitlicher Nähe zu den Winterspielen. In diesem Punkt zeigte sich, dass die beiden Bosse doch nicht zur grossen Einigkeit übergegangen sind. «Die FIFA soll sich entscheiden. Zuerst haben sie für Juni und Juli geplant und wollten die Stadien herunterkühlen, dann kam ein Einwand von Franz Beckenbauer, und ein späterer Termin war im Gespräch. Aber Ende Oktober, November erwies sich das Klima als zu heiss, darum rückte der Winter in den Blickpunkt.» Wenn die FIFA endgültig entschieden habe, will sich Rogge mit Blatter zusammensetzen.
Blatter hatte sich vor seiner Kritik anscheinend von Rogge angegriffen gefühlt. Dieser hatte die FIFA in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hinsichtlich der Betrugsvorwürfe kritisiert und Aufklärung verlangt. «Die FIFA hat nicht dieselben Regeln wie wir», stellte er fest: «Aber sie will ja nun eine Task Force einsetzen, die Änderungen prüfen soll. Wir begrüssen das sehr, ich glaube, es ist notwendig.» Zudem hatte das IOC angekündigt, dass seine Ethik-Kommission Korruptionsvorwürfen gegen FIFA-Funktionäre nachgehen wird, die zugleich Mitglieder des IOC sind.
Sololauf von Blatter
Blatter hat mit seiner überraschenden Kritik am IOC auch die Olympische Charta verletzt. Als persönliches IOC-Mitglied ist er verpflichtet, «die Interessen der olympischen Organisation zu verteidigen». Ein IOC-Mitglied: «Sepp Blatter fühlt sich nicht in erster Linie als IOC-Mitglied. Er ist in diesem Kreis ja nur vertreten als FIFA-Präsident.»
Blatter hatte parallel zu seiner Kritik die Transparenz in seinem Verband gelobt: «Unsere Geschäftsbücher sind für jedermann offen.» Allerdings geben diese keine Auskunft über das Salär des hauptamtlichen FIFA-Präsidenten, der nach nicht bestätigten Schätzungen rund 1,5 Millionen Euro im Jahr für seine FIFA-Dienste erhalten soll. (sda)