Startseite Sport Fussball
Vladimir Petkovic nimmt nach mehr als 50 Tagen seit dem Schweizer WM-Out Stellung zu den Vorkommnissen in Russland und nach der Rückkehr. Der Schweizer Nationaltrainer über den Doppeladler, Valon Behrami und seine in die Kritik geratene Person.
Weil ich nicht so gut bin auf diesem Gebiet, um meine Gedanken mit den richtigen Antworten wiederzugeben. Ich kenne schon viele Hintergründe. Aber ich will die Politik ganz grundsätzlich nicht kommentieren. Politische Dinge sind immer heikel. Ich will mich möglichst auf den Fussball konzentrieren.
Ja. Genau das ist bei uns ja passiert. Der Fussball selbst war nicht mehr wichtig, weil andere Sachen präsenter waren. Deswegen verschoben wir die Medienrunde, die am Montag nach unserer Rückkehr aus Russland geplant war. Ich hätte meine WM-Analyse präsentieren wollen, aber die Journalisten hätten andere Themen im Visier gehabt.
Ja. Aber früher war, wie gesagt, alles überschattet von Themen, die nichts mit Fussball und WM an sich zu tun hatten.
Ich denke schon. Er war wohl etwas frustriert. WM-Out, damals noch ungewisse fussballerische Zukunft. Wenn er auch nur eine Nacht darüber geschlafen hätte, wäre es wohl anders herausgekommen.
Nein. Valons Reaktion geschah innerhalb einer Stunde. Ich hatte am Telefon gemerkt, dass er unzufrieden ist. Aber ich habe mit den anderen Spielern ja auch Gespräche geführt, wie wir weitergehen können und das kommunizieren wollen. Es wurde ja nichts Definitives entschieden. Zudem muss ich Sie ja nicht überzeugen, wie es gewesen sein könnte. Doch der Dialog wurde so geführt, wie ich es sage. Und nicht nur in dreissig Sekunden, wie Valon erzählt hat. Für mich ist in diesen Gesprächen auch die menschliche Komponente wichtig.
Das sind Gerüchte, die ich nicht bestätigen kann. Die Aussensicht ist schwierig, wenn sie nur anhand von Interviews entsteht. Es hat sicher eine Rolle gespielt, dass Valon so lange in der Nationalmannschaft relevant war. Für ihn tut es mir leid, wie es gekommen ist. Das hat er nicht verdient. Er hat so viel gegeben.
Wir müssen das Thema nun beruhigen. Aber es sollte eine Praxis geben, Spielern wie Valon eine gewisse Ehre zu erweisen. Doch es ist schwierig, Abschied zu nehmen, wenn jemand noch aktiv ist. Zudem bin ich nicht in der Position, den Abschied zu befehlen. Auch der Trainer weiss ja nie, wann es zu Ende geht. Jeder ist austauschbar.
Ich spüre, was er empfindet. Ich fühle mit ihm. Aber mit den anderen auch, zum Beispiel mit Gelson Fernandes, der mir mit seinem Anruf zuvor gekommen ist. Er erkannte die Situation der Nationalmannschaft – und welche Reize man setzen muss. Es finden nun normale Prozesse statt, nur hat sie Valon nicht so normal aufgenommen. Ich werde ihn vorderhand in Ruhe lassen. Er ist jetzt wieder bei Udinese, hat dort zuletzt zehn Minuten gespielt. Es ist gewiss nicht das letzte Mal, dass wir uns begegnet sind. Und nicht das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben.
Nein, ich kannte den Inhalt nicht. Aber das Thema an sich war ja nicht neu, wir hatten schon vor zweieinhalb Jahren Diskussionen darüber. Ich bedauere, wie teilweise darauf reagiert wird.
Das war ja nicht das erste Mal. Leider. Wir müssen froh sein, dass der allgemeine Zustand der Nationalmannschaft gut ist. Dass wir über ein Schweden-Spiel, unseren dritten Achtelfinal in Serie, überhaupt reden können. Doch wenn solche Dinge auf anderen Ebenen passieren, muss man versuchen, so schnell wie möglich da rauszukommen. Massnahmen treffen. Wir müssen wieder auf den Sport und in die Zukunft schauen.
Wir wussten schon, dass es gegen Serbien ein spezielles Spiel würde. Aber wir konnten nicht alle Emotionen eins zu eins vorhersehen, nicht jene von aussen, von den Zuschauern im Stadion. Granit Xhaka habe ich im Vorfeld beispielsweise davon abgehalten, Interviews zu geben. Weil es noch mehr Reiz hätte geben können. Und es gibt nicht steuerbare Emotionen, die ein solcher Sieg mit sich bringt. Nach dem Spiel haben wir entsprechend viel darüber geredet.
Ein solches Spiel passiert nicht jeden Tag mit solchen Toren, dem Siegtreffer in der letzten Minute. Aber man muss wissen, dass man auch dann nicht alles absichern kann. Es kann immer etwas passieren. Ich wollte vor allem kein Benzin ins Feuer giessen.
Wie gesagt, ich habe das Gespräch sofort gesucht. Er versteht alles. Alle Spieler sind froh, wenn sie auf dem Platz stehen. Wenn sie Fussball spielen können. Solche Themen sind auch für sie eine grosse Belastung.
Natürlich. Ich werde mit einzelnen Spielern reden. Und wir werden uns je nach Bedarf austauschen. Aber ich glaube nicht, dass sie mit Gedanken an die Vorkommnisse am übernächsten Montag einrücken.
Die Nations League ist ebenfalls wichtig. Wir wollen in der Gruppe A und damit unter den Top zwölf bleiben. Wir wollen dort gute Resultate liefern. Und wir wollen immer höher kommen, vielleicht sogar in die Finalrunde im nächsten Juni.
Wer sagt das?
Das habe ich nicht mitbekommen.
Es wird wohl zu Anpassungen und Veränderungen kommen, aber eher bezüglich Organisation und Struktur. Ich selbst fühle mich aber unterstützt.
Nein. Ich habe jetzt gesagt, was ich spürte. Und es war nur die Wahrheit. Ich wusste, dass es nicht einfach sein würde. Und dass es immer wieder Dinge gab und gibt, die auf mich zurückfallen. Für mich war wichtig, dass alles auf den Tisch kommt.
Ja, sicher.
Über Fehler rede ich nicht öffentlich. Ich bin ein positiver Mensch. Ich muss die Fehler kennen und dann daraus lernen. Das Timing für das Gespräch mit der Öffentlichkeit war nicht ideal. Die vergangenen zwei Jahre mit den Medien waren ansonsten zwar gut. Wir haben viel gegeben und viel zurückbekommen. Nun müssen wir einfach bei Plus eins anfangen, dieser Tolggen an der WM bleibt ein wenig haften. Das tut mir leid.
Nur das letzte Spiel. Bis dahin machten wir es perfekt. Wir haben nie verloren. EM und WM, wir haben ein Spiel verloren. Die vergangenen 26 Partien – nur zwei Niederlagen. Das vergisst man schnell. Aber ich will nicht die Medien daran erinnern, sondern meine Spieler.
Nein. Als ich anfing, versuchte ich, um mehr Verständnis für meine Ideen zu kämpfen. Aber dann habe ich aufgehört damit. Weil es sich nicht lohnt, ich dabei zu viel Energie verliere. Ich akzeptiere die Dinge nun und versuche, meine Energie für die Mannschaft aufzubringen, noch mehr für sie da zu sein. Vielleicht ist das auch meine Aufgabe für den nächsten Zyklus.
Niemand – und jeder. Wir müssen zusammen wachsen. Kein Spieler kann etwas alleine machen. Und ich betone nochmals: Niemand ist abgeschrieben, ich wollte einfach einen Prozess starten und vielleicht die Dynamik verändern.
Nach unserer Pressekonferenz kann man wohl auch eine andere Meinung erhalten und meine Sicht der Dinge verstehen. Es ist viel in meinem Rucksack drin gewesen, er hat sich heute geleert, das war wichtig.
Das kann ich auf die Schnelle nicht beurteilen. Aber klar, wir müssen auf jeder Ebene noch besser werden. Wenn uns dies in allen Bereichen gelingt, wir alle besser werden um zehn bis zwanzig Prozent, profitiert der Schweizer Fussball. Und darum geht es! Nur darum! Wir müssen bereit sein, in den Spiegel zu schauen. Wir müssen bereit sein, uns selbst zu beurteilen. Und von dritten Personen. Ich als Trainer werde ja jeden Tag von anderen überprüft.
Warum lesen Sie solche Dinge?! (lacht)
Nur so viel: Ich bin mir solche Dinge gewohnt, ich habe kein Problem damit, meine Motivation dennoch zu finden. Und meine Mannschaft vorzubereiten.
Solange wir in Russland waren, spürten wir wenig. Wir haben vielmehr die Euphorie in der Heimat mitbekommen, doch dann kam diese Niederlage und Enttäuschung gegen Schweden, die alles überlagerte. Es kochte alles, dann kam ein bisschen Wasser hinzu, ein bisschen Salz, und die Suppe war angerichtet. Ich war danach viel am Telefon, habe viel geredet und analysiert, musste spüren, was passiert. Es war keine einfache Zeit.
Ich führe eine grössere Liste an Spielern, die in Frage kommen. Nach der WM haben zwei Spieler ihren Rücktritt erklärt, alle anderen sind auf meiner Liste.
Ja. Ich hatte den Fokus mehr auf uns, war mehr konzentriert, aber ich war nie anders zu den Medien. Einzig das Interview mit Xhaka habe ich verhindert. Alle anderen Dinge waren normal aus meiner Sicht, die Medien erhielten die nötigen Informationen und viele Interview-Gelegenheiten mit Spielern. Aber klar, es ist schon nicht so einfach, vierzig Tage oder länger zusammen zu sein. Wir waren drei Tage in Toljatti, dann wieder weg am Spiel, dann wieder drei Tage in Toljatti, dann wieder weg. Es war intensiv.
Nein. Jedenfalls keine grossen.
Diese Zeit habe ich ein bisschen weniger genossen. Weil wir den Achtelfinal gegen Schweden verloren hatten. An der EM verliessen wir das Turnier erhobenen Hauptes, nach einem starken Auftritt gegen Polen. Wir müssen grundsätzlich zufrieden sein, aber es hat sich gezeigt, dass wir ein bisschen an den Schrauben drehen müssen, Dinge verbessern und eine neue Dynamik bekommen wollen.
Die WM ist wichtiger, die Resonanz grösser. Und dann, speziell in Russland, ist es nochmals etwas Anderes. Man ist immer unterwegs. Und es war schwierig, für die Spieler Begegnungen mit den Familien zu organisieren. Weil es schlichtweg mit all den Reisen dafür kaum Zeit gab. Nur nach den Spielen direkt war dies möglich, wir blieben ja jeweils nach den Partien über Nacht an den Spielorten, um Ruhe zu bekommen. Auch in St. Petersburg gegen die Schweden blieben wir vor Ort, trotz der frühen Anspielzeit. Vielleicht waren zu überzeugt, dass alles gut geht.
Ja. Ich bin sicher, wenn wir gegen die Schweden gewonnen hätten, hätte alles passieren können. Man braucht manchmal in gewissen Momenten die Bereitschaft, das Glück. Aber wir haben eine solche Entwicklung gegen Schweden einfach zu wenig provoziert. Wir waren in diesem Spiel nicht die Schweiz, die wir sein können. Dennoch waren wir nicht viel schlechter als der Gegner, das Spiel hätte auch kippen können.
Haben wir das nicht gezeigt? Unser Verhalten auf dem Platz bewies doch, dass wir gewinnen wollten. Wie jedes Mal gegen starke Gegner. Wir können auch ein Tor in der 92. Minute bekommen, und alles sieht anders aus. Wie gegen die Schweden die ganze WM anders ausschaut. Ein Schuss, ein Gegentor – und dieser letzte Eindruck bleibt haften.