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Der Schweizer Nationalmannschaft gelingt gegen Europameister die Überraschung. Diese drei Protagonisten haben den gelungenen Fussballabend in besonderer Hinsicht geprägt.
«Wir waren eine Mannschaft.» So simpel der Satz auch ist, Haris Seferovic traf den Nagel auf den Kopf. Und diese Erkenntnis, die wohl das ganze Fussballland mit Seferovic teilt, ist neben dem 2:0 gegen den Europameister das zweite wichtige Ergebnis dieses Fussballabends.
Was die Nationalmannschaft am Dienstag gegen Portugal bot, war in erster Linie eine exzellente Teamleistung. Ohne diese wäre der bemerkenswerteste Sieg seit dem 1:0 gegen Spanien an der WM 2010 auch nicht möglich gewesen. Vor allem in der zweiten Halbzeit war der Druck der Portugiesen enorm – doch dank der Geschlossenheit und dem nötigen Wettkampfglück blieb es beim Sieg für das Heimteam. Ein verdienter Sieg, was auch jene portugiesischen Spieler anerkennen mussten, die vor die Journalisten traten und zwei Monate nach dem Triumph in Paris die misslungene Rückkehr auf die Wettkampfbühne erklären mussten.
Zurück zur Schweiz: Die geschlossene Mannschaftsleistung ist das eine. Was sonst noch bleibt vom gelungenen Auftakt in die WM-Qualifikation: Der Makel der dummen gelb-roten Karte gegen Granit Xhaka, der im nächsten Spiel in Ungarn schmerzlich vermisst werden dürfte. Und die Geschichten der drei Protagonisten, die den gelungenen Fussballabend in besonderer Hinsicht prägten.
Für all jene, die Embolo schon im Fussball-Olymp gesehen haben, war die EM ernüchternd: Embolo war bemüht, aber gegen die Verteidiger auf diesem Niveau letztlich chancenlos. Insofern war das Spiel gegen Portugal eine Reifeprüfung für den 19-Jährigen. Kann er die Rolle des Spektakelspielers vom verletzten Shaqiri übernehmen? Hat er nach dem Wechsel in die Bundesliga an Wettkampfhärte zugelegt?
Embolo hat die Prüfung mit Bravour bestanden. Das Spiel gegen den Europameister war sein bislang bestes für die Nationalmannschaft.
Erst holte er den Freistoss heraus, der zum 1:0 führte. Wie Embolo dann den vom portugiesischen Goalie Patricio ungenügend abgewehrten Ball in die freie Torecke köpfelte, war alles andere als einfach.
Doch Embolo war mehr als der Mann des Führungstreffers. Er war in der ersten Halbzeit jener Spieler, der für die portugiesische Abwehr nicht zu kontrollieren war. Mal links, mal rechts, plötzlich im Zentrum – Embolo tauchte überall auf. Er machte auch Fehler, wie sie ein 19-Jähriger halt macht: Manchmal war er zu eigensinnig, manchmal zu schludrig im Passspiel. Aber er hatte in diesen 45 Minuten so viele Aktionen, dass die guten die weniger gelungenen überstrahlten. Als es in der zweiten Halbzeit darum ging, gegen wütende Portugiesen fleissig zu verteidigen, scheute Embolo keinen Meter und war auch in dieser, weniger auffälligen Rolle extrem wertvoll.
Rund eine Stunde nach dem Schlusspfiff steht er im Bauch des St. Jakob-Parks. Journalisten, Sicherheitsleute, Fans, Angestellte des Heimklubs FC Basel – alle wollen etwas vom Heimkehrer. «Es ist schön, wieder alle zu sehen», sagt er, «ich bin sehr gerne zurückgekommen.» In der Hand hält er drei zusammengerollte Poster, die Zuschauer für ihn gebastelt haben. «Die bringe ich jetzt heim zu Mama, dann gehts zurück zu Schalke.»
Auf dem Platz und genauso nach dem Spiel – es ist einfach eine Freude, Embolo zu erleben. Das Verrückte: Er ist erst 19. Er wird in Zukunft noch besser werden. Schon morgen Abend? Mit Schalke 04 kommts zum Knüller gegen Bayern München.
Der Busfahrer der Schweizer Nationalmannschaft liess den Motor schon lange laufen, da stand Admir Mehmedi immer noch in der Interviewzone. Er genoss es sichtlich, gefragt zu sein. Schliesslich stieg Eren Derdiyok aus dem Bus aus, um Mehmedi daran zu erinnern, dass alle nur auf ihn warten würden.
Trotz vieler Interviews hat Mehmedi die Beobachter ratlos zurückgelassen. Ratlos über das «Phänomen Mehmedi».
Solange er auf dem Platz keine entscheidenden Dinge tut, fragt man sich: Spielt Mehmedi überhaupt mit? Was tut er in einer Mannschaft mit Talenten wie Shaqiri, Embolo und Xhaka?
Und dann schiesst er am Dienstag dieses Tor. Das 2:0 ist ein Kunstwerk. Diese Eleganz, diese Selbstverständlichkeit, mit der er den Ball aus 15 Metern in den Winkel hebt. Schliesslich dieser Jubel, der gar keiner ist: Nachdem sich der Ball ins Tor gesenkt hat, trottet Mehmedi weiter und verzieht keine Miene. Als wolle er sagen: So ein Tor, das ist für mich doch nichts Besonderes. Das schüttle ich aus dem Ärmel.
Dabei passt dieser leichte Anflug von Überheblichkeit gar nicht zu ihm. Mehmedi ist ein enger Freund von Xherdan Shaqiri. Doch anders als der Profi von Stoke City ist er unnahbar und scheut das Rampenlicht. Im Sommer hat er geheiratet, angekündigt hat er dies nirgends. Skandale sucht man bei Mehmedi vergebens. Auf dem Platz kennt er seine Grenzen und versucht gar nicht erst, sie zu verschieben.
Es ist dieser Realitätssinn, den die Trainer an Mehmedi schätzen. Und seine Einstellung, nicht beim ersten Gegenwind zu kapitulieren. Mehmedi hätte im Sommer den Verein wechseln können. Doch er blieb in Leverkusen, obwohl ihm Trainer Roger Schmidt keine Einsatzgarantie gab. «Ich kann dem Team helfen, das weiss ich. Auch wenn ich nicht immer spiele», so Mehmedi.
An die Mannschaft denkt er immer zuerst. Darum hat er auch bei Vladimir Petkovic einen Stein im Brett. Und einen Stammplatz. Trotz namhafter Konkurrenz. Mehmedi dankt es in diesem Jahr mit Konstanz. Und drei Toren. So oft hat 2016 kein anderer Nationalspieler getroffen.
Dieser Jubel! Diese Freude! So gelöst, so voller Emotionen wie nach dem Schlusspfiff gegen Portugal hat man Vladimir Petkovic in seinen nun gut zwei Jahren als Schweizer Nationaltrainer noch nie gesehen. Denn für den 53-Jährigen persönlich bedeutet der Sieg mehr als drei Punkte.
Bis zum Spiel gegen den Europameister lautete die Zusammenfassung von Petkovics Amtszeit: Er hat jene Spiele gewonnen, die er gewinnen musste. Und er hat jene Spiele verloren, die er verlieren durfte. Dienst nach Vorschrift. Nicht mehr und nicht weniger. Die Folge war, dass die Vorbehalte und das Misstrauen gegenüber Petkovic stets anhielten.
Das ist seit Dienstag anders. Petkovic hat endlich den sehnlichst erhofften Exploit in der Tasche. Den Exploit, der ihn aus dem Schatten seines prominenten Vorgängers treten lässt: Ottmar Hitzfeld sass in Basel auf der Tribüne und beklatschte die Vorstellung der Schweizer. Auch er sah: Die von Hitzfeld eingeimpfte Solidarität haben die Spieler behalten. Doch am Dienstag haben sie den nächsten Schritt getan. Nach langen zwei Jahren haben sie endlich den von Petkovic versprochenen modernen, unberechenbaren, frechen Offensivfussball konsequent umgesetzt.
Das an der Seitenlinie zu spüren, hat Vladimir Petkovic unglaublich gutgetan. Das war nicht zu übersehen. Er dirigierte, er feuerte an und war dauernd in Bewegung. Kurz: Er kam aus seiner Haut. Und wie viel es dafür braucht, das weiss jeder.
Petkovic machte aus seiner Zufriedenheit denn auch kein Geheimnis. Er sprach von Vertrauen, von Positivität und von Fortschritten, die seine Mannschaft an den Tag gelegt habe. Und er meine damit nicht nur die zurückliegenden 90 Minuten, sondern auch die Monate zuvor.
Diesen kleinen Seitenhieb an die skeptischen Beobachter konnte er sich nicht verkneifen, bevor er den Blick nach vorne richtete. Der Sieg gegen Portugal sei erst viel wert, wenn die Mannschaft Anfang Oktober in Ungarn nachdoppele. Petkovic: «Wir haben noch neun Spiele.» Als er dies sagte, lächelte er. Er freut sich auf das, was kommt. Wir uns auch.