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Die Fifa wollte heute über ihre Fortschritte im Kampf gegen die Korruption informieren. Doch dann wurde die Pressekonferenz abgesagt – die Justiz kam ihr dazwischen. Es läuft ein Strafverfahren gegen Sepp Blatter. Der Präsident wurde bereits verhört.
In der Korruptionsaffäre des Weltfussballverbands ermittelt die Bundesanwaltschaft jetzt auch gegen FIFA-Präsident Joseph Blatter. Blatter wurde am Freitag in Zürich befragt, und am FIFA-Hauptsitz wurden Büroräume durchsucht und Daten sichergestellt.
Gegen den 79-jährigen Walliser läuft "ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung", wie die Bundesanwaltschaft am Freitagnachmittag schrieb.
Laut den Ermittlern besteht einerseits der Verdacht, dass Blatter im September 2005 mit der Caribbean Football Union - deren Präsident Jack Warner war - einen für die FIFA ungünstigen Vertrag abgeschlossen hat. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) machte den Vertrag Mitte September publik.
Übertragungsrechte zum Freundschaftspreis
Demnach soll Blatter Warner TV-Übertragungsrechte für einen Freundschaftspreis verkauft haben. Zwei Tage später kündigte Bundesanwalt Michael Lauber vor den Medien an, diese Informationen auszuwerten.
Andererseits besteht laut Bundesanwaltschaft der Verdacht, dass Blatter auch bei der Umsetzung des Vertrages in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der FIFA respektive der FIFA Marketing & TV AG verstossen hat.
Der US-amerikanische Anwalt von Blatter teilte am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters mit, dass das Geschäft mit der Caribbean Football Union "richtig vorbereitet und vom geeigneten Team der FIFA ausgehandelt" worden sei. Es habe kein "Missmanagement" gegeben.
Schliesslich wird Blatter eine laut Communiqué der Bundesanwaltschaft "treuwidrige Zahlung" von 2 Millionen Franken im Februar 2011 an UEFA-Präsident Michel Platini zu Lasten der FIFA vorgeworfen, angeblich für die zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste.
Blatter wurde nach einer Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees von Vertretern der Bundesanwaltschaft als Beschuldigter einvernommen, wie es in der Mitteilung hiess. Sein möglicher Nachfolger, der Franzose Michel Platini, wurde als Auskunftsperson befragt.
Die Bundesanwaltschaft führte am Freitag zudem mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung am Hauptsitz der FIFA in Zürich durch. Dabei wurde auch das Büro von Blatter durchsucht und Datenmaterial sichergestellt.
Die Bundesanwaltschaft hält fest, dass für den Präsidenten der FIFA sowie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung gelte. Weitere Angaben machte sie auf Nachfrage am Freitag nicht.
FIFA: "Wir kooperieren mit Bundesanwaltschaft"
Die FIFA schrieb in einer kurzen Stellungnahme, dass am Freitagnachmittag in Zürich mehrere FIFA-Mitarbeiter von der Bundesanwaltschaft befragt worden seien. Zudem seien Dokumente sichergestellt worden.
Der Verband betonte, dass er seit Ende Mai mit der Bundesanwaltschaft zusammenarbeite und bislang alle Forderungen nach Dokumenten, Daten und anderen Informationen erfüllt habe. "Wir werden diese Zusammenarbeit während der Ermittlungen weiterführen", heisst es. Mit Verweis auf die laufende Untersuchung wollte die FIFA keine weiteren Kommentare abgeben.
Blatter steht nun vor einer Untersuchung durch die FIFA-Ethikkommission. "Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts leitet die Untersuchungskammer ein formelles Verfahren ein. Die Untersuchungskammer äussert sich aber nie zu konkreten Einzelfällen", sagte ein Sprecher der Untersuchungskammer der Ethikkommission der Nachrichtenagentur dpa.
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und der Schweizer Fussballverband gaben auf Anfrage keinen Kommentar zu der Angelegenheit ab.
Pressekonferenz abgesagt
Die Ereignisse folgten sich am Freitag Schlag auf Schlag: Eine Pressekonferenz nach der Sitzung des Exekutivkomitees sagte die FIFA überraschend ab, fünf Minuten vor dem geplanten Beginn und ohne Begründung. In einer Pressemitteilung nach dem Ende des zweitägigen Treffens des Exekutivkomitees verwies der Verband lediglich auf Beschlüsse und weitere Vorschläge im Reformprozess.
15 Kamerateams und zahlreiche Journalisten mussten den Bereich vor der Eingangstür kurz vor 14 Uhr am Freitag verlassen, wie die Nachrichtenagentur dpa meldete. Erst mehr als zwei Stunden später klärte die Bundesanwaltschaft die mysteriöse Situation auf.
Erst vor einer Woche war Blatters langjähriger Vertrauter Jérôme Valcke als FIFA-Generalsekretär suspendiert worden. Der Franzose wurde nach "einer Reihe von Vorwürfen" von der FIFA vorläufig seines Amtes enthoben.
Tognoni: 2 Millionen überraschen
Gegen Valcke wurden Korruptionsanschuldigungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Ticket-Kontingenten laut, er wies diese zurück. Am Donnerstag gewährte die FIFA der Staatsanwaltschaft der Schweiz Einblick in den Mailverkehr von Valcke.
Der ehemalige FIFA-Manager Guido Tognoni nannte das Vorgefallene auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda "tragisch für die FIFA und für Blatter". Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft an sich sei logisch: "Man kann nicht die Grossen laufen lassen und die Kleinen holen."
"Für alle überraschend" ist in den Augen von Tognoni das Auftauchen der 2-Millionen-Zahlung von Blatter an Platini. Man müsse davon ausgehen, dass die bisher bekannten Skandale um die FIFA nicht das gesamte Repertoire darstellten. Die FIFA befindet sich in seinen Worten "auf einem Tiefpunkt". (edi/sha/sda)
Die Mitteilung der Bundesanwaltschaft im Wortlaut:
«Die Bundesanwaltschaft der Schweiz hat gegen den Präsidenten der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie – eventualiter – wegen Veruntreuung eröffnet.
Das Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen Joseph Blatter wurde am 24. September 2015 eröffnet wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) und – eventualiter – wegen Veruntreuung (Art. 138 StGB). Es besteht dabei einerseits der Verdacht, dass Joseph Blatter am 12. September 2005 mit der CARIBBEAN FOOTBALL UNION (deren Präsident Jack Warner war) einen für die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ungünstigen Vertrag abgeschlossen hat.
Andererseits besteht der Verdacht, dass Joseph Blatter auch bei der Umsetzung des Vertrages in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der FIFA resp. der FIFA Marketing & TV AG verstossen hat. Zudem wird Joseph Blatter eine treuwidrige Zahlung von CHF 2 Mio. im Februar 2011 an Michel Platini, Präsident der Union of European Football Associations (UEFA),zu Lasten der FIFA vorgeworfen, angeblich für die zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste.
Joseph Blatter wurde am 25. September 2015 von Vertretern der Bundesanwaltschaft der Schweiz im Anschluss an eine Sitzung des Exekutiv Komitees der FIFA als Beschuldigter einvernommen. Michel Platini wurde gleichzeitig als Auskunftsperson (Art. 178 StPO) von Vertretern der Bundesanwaltschaft einvernommen.
Die Bundesanwaltschaft führte zudem am 25. September 2015 mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung bei der FIFA in Zürich durch. Dabei wurde auch das Büro des FIFA-Präsidenten durchsucht und Datenmaterial sichergestellt. Für den Präsidenten der FIFA, Joseph Blatter, gilt wie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung.»
Und das sagt die Fifa im Wortlaut:
«Seit dem 27. Mai 2015 hat die Fifa mit der Schweizer Bundesanwaltschaft kooperiert und Anfragen nach Dokumenten, Daten und anderen Informationen entsprochen. Wir werden weiterhin in diesem Masse kooperieren.
Heute haben Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft am FIFA-Hauptsitz Gespräche geführt und Dokumente sichergestellt. Die FIFA betrachtet diese Gespräche als Teil ihrer bereits begonnenen Kooperation.»
The world's media waiting outside FIFA headquarters for a 3 pm press conference. And then FIFA cancels the presser. pic.twitter.com/l2KUGckFEW
— Joshua Robinson (@JoshRobinson23) 25. September 2015
Die Karriere von Sepp Blatter:
Eröffnungsspiel der WM 2022 am 21. November
Das Eröffnungsspiel der Fussball-WM 2022 steigt am 21. November 2022 (Montag). Das beschloss das Exekutivkomitee des Weltverbands FIFA endgültig am Freitag. Das Turnier, das am 18. Dezember, dem Nationalfeiertag des Wüstenemirats endet, dauert damit nur 27 Tage.
Die weiterhin umstrittene Endrunde war bereits im vergangenen März in den Winter verlegt worden, weil am Persischen Golf während der klassischen WM-Monate im Sommer Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius herrschen.
Der Termin bleibt aber weiterhin ein Streitthema: Durch die erste Winter-WM in der Geschichte muss der internationale Rahmenterminkalender in den Jahren vor und nach des Turniers komplett umgestaltet werden.
Zur Einsicht, dass Katar für eine Sommer-WM die falschen Voraussetzungen bietet, waren die Verantwortlichen der FIFA erst sehr spät gekommen. Vergeben wurde das im Fadenkreuz von Korruptionsermittlern stehende Turnier bereits im Dezember 2010.
FIFA spendet eine Million Dollar für UN-Flüchtlingswerk
Der Weltverband FIFA spendet eine Million Dollar für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Das gab die FIFA im Zeichen der Flüchtlingskrise am Freitag nach der Sitzung ihres Exekutivkomitees in Zürich bekannt. Die Bereitstellung der Mittel für das UNHCR stellt der Mitteilung zufolge nach Ansicht der FIFA-Vorstandsmitglieder den effektivsten Einsatz der Summe sicher.
Die Spende fällt gemessen an den Milliarden-Reserven der Organisation gleichwohl vergleichsweise gering aus. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte zu Monatsbeginn den doppelten Betrag (zwei Millionen Dollar) zur Unterstützung von Flüchtlingen gespendet.