Fussball-Nati
Josip Drmic: «Ich möchte Embolo möglichst schnell in der Bundesliga sehen»

Josip Drmic (23) spricht über seinen Wechsel zu Gladbach, die Ambitionen mit dem Nationalteam und seinen jungen Konkurrenten im Sturm.

Etienne Wuillemin
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Josip Drmic nimmt Anlauf, seine Karriere neu zu lancieren.

Josip Drmic nimmt Anlauf, seine Karriere neu zu lancieren.

Keystone

Nach einem schwierigen Jahr in Leverkusen versuchen Sie bei Borussia Mönchengladbach wieder in Schwung zu kommen. Haben Sie sich gut eingelebt?

Josip Drmic: Es braucht immer seine Zeit, bis man so richtig an einem neuen Ort angekommen ist. Mittlerweile habe ich meinen Umzug erledigt. Das ist ein grosser Schritt. Und meine Teamkollegenhaben mir den Start erleichtert. Vor allem die Schweizer. Man verliert ja mittlerweile in der Kabine fast den Überblick vor lauter Schweizern (lacht). Fünf Spieler und der Trainer, das ist schon eine stattliche Anzahl.

Wann war für Sie klar, dass Sie Leverkusen verlassen?

Eigentlich wollte ich schon letzten Winter weg. Doch der Wechsel zum HSV klappte nicht. Es gab einige Dinge im Team, die mir nicht gepasst haben. Ich wollte unbedingt spielen, erhielt aber nie eine wirkliche Chance. Ich fühlte mich nie wichtig.

Von den Verantwortlichen hiess es jeweils: Drmic braucht noch Zeit.

Das verstand ich nie. Ich war ein Stammspieler der WM. Ich habe in der Saison davor mit Nürnberg 17 Tore geschossen.

Das ist die raue Welt der Bundesliga.

Natürlich, da muss man die Chance packen. Es ist ein schmaler Grat. Aber ich hatte den Druck auch in Nürnberg. Und trotzdem spürte ich, wie wichtig ich bin.

Der Start mit Mönchengladbach war gleichwohl etwas harzig. Nach dem 0:4 in Dortmund waren Sie zweimal Ersatz.

Ich brauche etwas Zeit, um mich an die Art Fussball, die Gladbach spielt, zu gewöhnen. Aber entscheidend ist, dass ich das Vertrauen spüre. Ich merke, dass Trainer Lucien Favre mit mir arbeiten will. Zudem wollte mich Gladbach schon vor einem Jahr. Das tut gut zu wissen. Ich spüre, dass sie mich nicht bei erstbester Gelegenheit abschreiben.

Kennen Sie Favre noch aus Zürcher Zeiten?

Ja, ich habe seinen Fussball bewundert. Als ich 13 oder 14 Jahre alt war, konnte ich den FCZ als Ballbub aus nächster Nähe verfolgen. Es war die Zeit von Keita, Raffael und Cesar. Der Meistertitel die Krönung. Einmal wollte ich das Trikot von Keita – ich habe es leider nicht bekommen.

Ist es kompliziert, die manchmal anspruchsvollen Ideen von Favre über den Fussball zu verstehen?

Nein, nein, es geht ganz gut. Aber es ist wohl ziemlich faszinierend, ihm als Aussenstehender bei der Arbeit zuzuschauen. Ich empfehle jedem Trainer, der seine Ausbildung macht, einmal zu ihm zu kommen. Ich hatte schon einige Einzeltrainings mit ihm, seine Technik ist immer noch überragend. Wie er den Ball annimmt, da denke ich manchmal: Wow, das möchte ich auch können.

In Mönchengladbach ist es Tradition, dass neue Spieler vorsingen müssen. Ist das immer noch so?

Ja. Ich wollte etwas vorbereiten, wurde dann aber im Trainingslager von den Ereignissen überrollt. Dann stehst du plötzlich auf diesem Stuhl und alle Augen schauen auf dich, Mitspieler, Trainer, Staff. Ich dachte: Ruhig bleiben, nicht nervös werden. Und dann gab ich einen jugoslawischen Ohrwurm zum Besten, den niemand kennt ausser mir und Branimir Hrgota.

Granit Xhaka sang einst die albanische Nationalhymne – worauf der Boulevard eine Polemik entfachte.

Ich finde, man sollte ihm das nicht übel nehmen. Wer dort vorne vor allen steht, ist wirklich nervös, daher sollte man ein Lied nehmen, das man gut kennt. Und Granit kannte eben die albanische Nationalhymne seit seiner Kindheit.

In diesem Frühjahr ist um das Nationalteam auch eine Diskussion entstanden um «echte Schweizer» und «andere». Wie haben Sie diese wahrgenommen?

Da ging es um vermeintliche Gruppierungen innerhalb des Teams. Um die Frage, wer das Sagen hat und wer nicht und so weiter. Ich sehe das entspannt, amEnde sind wir die Schweiz und eine Einheit. Wenn nicht jeder für den anderen kämpfen würde, wenn es offensichtliche Probleme gäbe, hätte die Debatte eine andere Dimension.

Zuletzt gewann die Schweiz auswärts gegen Litauen nach einem 0:1-Rückstand spät noch 2:1. Diese Wende hat bestimmt gutgetan, um die Ruhe rund um die Nationalmannschaft zu bewahren.

Klar, aber vergessen wir nicht: Es war ein schwieriges Spiel. Auswärts gegen ein Team, das vor lauter Respekt nur hinten drin steht. Dann auch noch auf Kunstrasen. Und schliesslich noch ein dummes Gegentor nach einem Konter. Unsere Reaktion war eindrücklich. Wäre das Spiel länger gegangen, hätten wir noch mehr Tore gemacht.

Sie erzielten das 1:1, indem Sie einen Kopfball von Fabian Schär noch über die Linie drückten. Wie viel Prozent des Tores schenken Sie ihm?

Einige (lacht). Der Ball wäre auch ohne mich reingegangen. Ich wollte einfach auf Nummer sicher gehen. Man weiss ja nie, wer noch von hinten heranstürmt.

Mit dieser Ausgangslage ist die EM-Qualifikation nun Pflicht, oder?

Eigentlich schon. Aber ich habe gleichwohl vor jedem Gegner Respekt. Es wäre fatal, davon auszugehen, dass wir die Slowenen automatisch besiegen, nur weil wir im Hinspiel dominant waren und unglücklich verloren.

Sie persönlich haben mit Breel Embolo im Sturm einen neuen Konkurrenten erhalten, der in horrendem Tempo heranbraust. Wie gehen Sie damit um?

Ich sehe ihn als Freund, nicht als Konkurrenten. Wir gönnen uns alles. Er hat eine Frische, die uns allen guttut. Mein Wunsch ist klar: Ich möchte ihn möglichst schnell in der Bundesliga oder in der Premier League sehen. Meiner Meinung nach braucht er eine grössere Herausforderung.

Die WM ist ein bisschen mehr als ein Jahr alt. Welche Erinnerungen haben Sie?

Viele wunderbare. Es ging alles Schlag auf Schlag. Am liebsten würde ich alles noch einmal von vorne erleben. Ja, und dann denke ich automatisch an diesen einen Moment im Achtelfinal gegen Argentinien, als ich alleine vor dem Tor stand. Ich wollte den Ball lupfen. Weil ich dachte: Da kommt jeder Torhüter zu 100 Prozent raus. Leider war es die falsche Entscheidung. Im Nachhinein sieht es natürlich – wie soll ich sagen – miserabel oder lächerlich aus.

Vor dem Achtelfinal sagten Sie an einer Medienkonferenz: «Manchmal schaue ich Youtube-Videos von Messi. Vielleicht gibt es ja bald auch von uns solche Videos.» Wollten Sie das Tor vielleicht zu schön erzielen?

Nein, in so einer Situation geht keinem Spieler wirklich viel durch den Kopf. Das geht viel zu schnell. Und hat nichts damit zu tun, dass ich mir zu Motivations-Zwecken Youtube-Videos von Neymar oder Messi ansehe.

Wie war die Stimmung nach dem WM-Out?

Ein Schmerz jagte den nächsten. Dieses Ende ist bitter, nach Dzemailis Pfosten-Kopfball kurz vor Schluss besonders. Wo blieb die Hilfe von oben? Das ist typisch WM, solche Geschichten machen sie aus. Wir dürfen trotzdem nicht vergessen: Auch wir haben unsere Geschichte geschrieben. Und nun machen wir uns daran, sie weiterzuschreiben.