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FCB-Goalie Yann Sommer spricht im Interview über sein Image, den nächsten Gegner Schalke, den Traum vom Ausland und sagt, warum er kein Traumschwiegersohn sein will.
Yann Sommer, können Sie wütend sein?
Yann Sommer: Kann ich.
Wann sind Sie wütend?
Es kommt beispielsweise vor, dass ich mich im Training oder im Spiel über einen Teamkollegen ärgere. Das gehört zum Fussball und ist völlig normal.
Wie sieht das aus, wenn Sie wütend sind?
Es ist mir wichtig, über das Problem zu reden. Aber ich raste nie aus, denn der andere ist auch noch am nächsten Tag mein Teamkollege.
Und was macht Sie im Privatleben wütend?
Ehrlich gesagt praktisch nichts. Ich gestalte mein Privatleben so, dass es keine Gründe gibt, mich zu ärgern. Wenn ich einmal enttäuscht werde, spreche ich das an, und damit hat es sich. Man darf die Dinge nicht immer zu eng sehen.
Wie gross ist Ihr Gerechtigkeitssinn?
Sehr gross. Doch ich kann auch schnell verzeihen, wenn die Entschuldigung ernst gemeint ist. Aber warum diese Fragen?
Weil man über Sie noch nie eine Negativschlagzeile gelesen hat und alle gut mit Ihnen auskommen.
Das mag angenehm sein. Es ist aber nicht mein primäres Ziel, Negativschlagzeilen zu vermeiden. Ich mache mir über Schlagzeilen ohnehin nicht allzu viele Gedanken. Nur um das klarzustellen: Ich bin nicht feige und gehe keiner Diskussion aus dem Weg. Ich gebe einfach jedem die Chance, seine Sicht der Dinge zu äussern und sich zu entschuldigen. Diesbezüglich bin ich sehr locker, vielleicht auch zu locker. Aber so hatte ich bislang in meiner Karriere und im Privatleben fast nie lang Probleme mit Mitmenschen.
Trotzdem mögen Sie es nicht, wenn man vom «Traumschwiegersohn» Yann Sommer spricht.
Ich möchte in erster Linie als Fussballer wahrgenommen werden. Wir haben viele Spieler in der Mannschaft, die ein braves Image haben. Das ist auch die Realität, bei uns rastet niemand aus. Aber ich mag generell keine Klischees.
Sie nehmen als Goalie eine einzigartige Rolle im Team ein. Sehen Sie sich trotzdem als Herdentier?
Natürlich, ich gehe mit der Herde auf den Platz, wir jubeln zusammen und wir verlassen den Platz zusammen. Ich bin nur beim Goalietraining abgesondert vom Rest.
Wie schwer ist es für Sie, Einfluss zu nehmen auf den Rest? Niemand hat die gleichen Aufgaben wie ein Goalie.
Im Spiel muss ich die Abwehr dirigieren, da nehme ich sehr viel Einfluss. Und neben dem Platz ist es eine Frage des Charakters und der Erfahrung, ob man sich traut, gewisse Dinge anzusprechen. Ich fühle mich als Teil des ganzen Puzzles. Momentan passen die Teile bei uns sehr gut zusammen.
Ist der Trainer auch ein Puzzleteil?
Natürlich, genauso wie seine Assistenten, die Physios, die Ärzte, der Materialwart, bis zum Präsidenten. Ein Beispiel: Wir haben praktisch nie schwer verletzte Spieler, weil die medizinische Abteilung einen super Job macht.
Man hört von Stimmen im Team, die würden das Trainerpuzzleteil gerne auswechseln.
Diskussionen gibt es überall, bei Erfolg oder bei Misserfolg. Wir Spieler konzentrieren uns zurzeit voll auf das Wesentliche. Und das sind die Spiele gegen Schalke und am Samstag gegen Luzern.
Trotzdem ist die Situation für einen Aussenstehenden paradox. Der FCB hat Erfolg, aber die Zeitungen sind voll mit Kritik an Murat Yakin.
Ich kann zu wenig beurteilen, was alles geschrieben wird und was wahr und falsch ist. Weil ich die Zeitungen zurzeit kaum lese. Wir haben alle drei Tage ein wichtiges Spiel, da möchte ich mich nicht unnötig ablenken.
Der nächste Gegner heisst Schalke 04. Warum hat der FCB zwei Mal gegen Chelsea gewonnen und zu Hause gegen Schalke verloren?
In England wird viel physischer und schneller gespielt, in Deutschland ist der Fussball technischer. Und Chelsea ist nicht wie Schalke defensiv aufgetreten. Das hat es uns einfacher gemacht, mitzuspielen. Schalke hat im St. Jakob-Park hauptsächlich verteidigt. Was sie zugegeben sehr gut gemacht haben.
In Basel wird erwartet, dass sich der FCB für die Achtelfinals qualifiziert. Wie gross ist der Druck?
Der eine oder andere erwartet vielleicht, dass wir 3:0 gewinnen. Die Mehrheit gibt uns wohl nicht viele Chancen. Ich sehe uns nicht als Favorit, wir können nur gewinnen. Entsprechend unbeschwert werden wir ins Spiel gehen.
Wäre es denn eine Sensation, sollte der FCB weiterkommen?
Nein. Für die Menschen in Europa vielleicht schon, aber für uns nicht wirklich. Dafür haben wir in der Vergangenheit zu viel erreicht.
Marco Streller sprach von einer Enttäuschung, sollte es am Ende doch nur die Europa League sein.
Es ist gut, wenn der Captain so ambitioniert ist. Selbstverständlich haben wir alle dieses Ziel, aber auch die Europa League hat ihren Reiz, wie wir letzte Saison festgestellt haben. Jedes Jahr an der Champions League teilzunehmen, kann für einen Klub wie den FC Basel nie zur Selbstverständlichkeit werden.
Reden wir über Ihre Zukunft. Es gab bereits im Sommer konkretes Interesse aus Florenz an Ihrer Person. Man kann den Absprung ins Ausland auch verpassen, sie werden am 17. Dezember 25.
Ich weiss es nicht, viel Erfahrung mit Wechseln ins Ausland habe ich ja nicht (lacht).
Aber Sie wollen ihn schon nicht verpassen?
Ich habe in Basel alles, was ich möchte und bin sehr glücklich. Aber es ist mein Traum, die Erfahrung im Ausland zu machen. Eine neue Liga, ein neues Umfeld, das möchte ich unbedingt erleben. Als Goalie ist es schwierig, den Jackpot zu ziehen. Die Konkurrenz ist gross, die Plätze rar.
Kann es einem als Spieler beim FC Basel langweilig werden?
Wie meinen Sie das?
Ihr werdet im Frühling vielleicht zum fünften Mal in Folge Meister. Mehr als die Achtelfinals in der Champions League, die der FCB auch schon erreicht hat, wären ein vermessenes Ziel.
Okay, ich verstehe. Aber hier in Basel Meister zu werden, ist etwas ganz Spezielles. 30 000 Fans auf dem Barfüsserplatz, in Zürich kamen nach dem Cupsieg 3000 an die Langstrasse. Diese Begeisterung findet man auch im Ausland nur sehr selten. Und wie viele Spieler in anderen Ligen haben noch nie in der Champions League gespielt und werden das auch nie? Sportlich kann man nur bei den absoluten Topklubs mehr erreichen als hier.
Haben Sie eigentlich das KMU «Yann Sommer» im Firmenregister eintragen lassen?
Das müssen Sie mir erklären...
Ihre Mutter kümmert sich um die Finanzen, der Vater ist Ihr Berater, Wolfgang Vöge Ihr Manager, Sie haben einen Mentaltrainer, eine Agentur kümmert sich um Ihr Sponsoring. Das tönt nach KMU.
Meine Eltern haben schon ihre eigenen Jobs, sind aber auch meine engsten Bezugspersonen. Rundherum haben wir uns ein Team aufgebaut, damit wir dort, wo wir uns nicht gut auskennen, von Profis beraten werden.
Sie sind sehr präsent in der Werbung und mit sozialen Engagements. Werden Sie zum David Beckham der Schweiz?
Nein, auf keinen Fall. Ich will mich nicht von jedem Plakat lächeln sehen, das wäre mir unangenehm. Die Präsenz, wie sie jetzt ist, stimmt für mich. Aber nochmals, ich möchte zuallererst als Fussballer wahrgenommen werden.
Mit Ihrem Aussehen und Ihrem Image sind Sie der geborene Werbestar.
Mit dem Begriff «Star» muss man vorsichtig umgehen. Fotoshootings und all die Sachen machen mir schon viel Spass. Aber eine Überdosis «Yann Sommer» wollen auch die Leute nicht. Ich muss mich identifizieren können mit den Firmen – mit 20 Verträgen geht das nicht.
Sie haben lange Haare, fahren mit der Vespa durch Basel, spielen Gitarre – sind Sie alternativ angehaucht?
Sie bemühen schon wieder ein Klischee.
Aber Sie nehmen auch mal ein Buch zur Hand.
Das machen andere Fussballer, ja andere junge Männer in meinem Alter doch auch. Was man mit seinem Geld macht, ist typabhängig.
Wo lenken Sie sich vom Fussball ab?
Bei meinen Freunden, die nichts mit Fussball zu tun haben. Die meisten studieren. Wir gehen wandern oder verbringen Zeit am Rheinufer und trinken auch mal ein Bier. Die Ablenkung ist mir sehr wichtig.