Nicht nur Vladimir Petkovic hat Anfangsschwierigkeiten mit seinem Team. Auch anderen Fussballnationen ist der Start in die EM-Kampagne misslungen. Der Trainer sieht hauptsächlich in der Offensive mehr Potenzial.
Beginnen wir das Nachdenken über das Schweizer Nationalteam mit Guus Hiddink. Warum das? Hiddink ist Trainer von Holland. Er und sein Team haben einiges mit der Schweiz gemeinsam. Wie bei uns begann auch bei der «Oranje» nach der WM eine neue Ära. Hiddink übernahm den Trainerposten von Louis van Gaal. Und wie bei uns lässt einen der Blick auf die Tabelle in Holland etwas ratlos zurück: Drei Spiele, zwei Niederlagen, nur ein Sieg, schon sechs Punkte Rückstand auf Island und Tschechien.
Guus Hiddink ist also gewissermassen der Vladimir Petkovic der Holländer. Er hat nach der Halbfinal-Qualifikation der Holländer an der WM hohe Erwartungen zu erfüllen. Aber das Team befindet sich in einer leisen Krise. Oder, wenn man so will, in einer leisen «Nach-WM-Depression». Wie also reagiert Hiddink auf die Kritik? Er sagt: «Wenn Holland nun gegen Lettland verliert, trete ich zurück. Das ist logisch für mich.» Nachfrage: Was passiert bei einem Remis? «Ob ein Unentschieden reicht, um zu bleiben? Hm, das denke ich nicht.»
Blick nach vorne
Wir springen zurück zur Schweiz. Es ist Dienstagnachmittag, als Vladimir Petkovic vor die Medien tritt, gut 100 Stunden noch bis zum Spiel gegen Litauen. Es ist nach den Niederlagen gegen England und Slowenien zum Auftakt bereits ein Schlüsselspiel für die Schweiz. Und natürlich auch für Petkovic. Weil ein weiterer Punktverlust die EM-Qualifikation unnötig in Gefahr bringen würde.
Wie also gibt sich Petkovic? Von einem Rücktritt bei einem weiteren Fehltritt spricht er nie an diesem Nachmittag. Als er einmal darauf angesprochen wird, wie viel Frust übrig geblieben sei von seinem Ärger über die öffentliche Wahrnehmung des Schweizer Starts in die EM-Qualifikation, entgegnet er freundlich, aber energisch: «Das alles ist jetzt unwichtig! Wichtig ist nur das Spiel vom Samstag, das wir gewinnen wollen und werden!» Amen.
Es ist nicht so, dass rund um das Schweizer Team bereits alles in Schutt und Asche läge. Natürlich nicht. Zumal auch «grosse» Teams nach der WM Startschwierigkeiten bekundeten. Teams wie Deutschland, Belgien, Holland, Portugal oder Schweden liegen derzeit nur auf dem Barrage-Platz. Auch davon erzählt Petkovic. Mit Recht, gewiss. Nur ist das trotzdem kein Grund, sich bei Niederlagen gegenüber Kritik zu verschliessen.
Das Thema ist nicht neu, aber immer wieder brisant: Der Doppeladler als Geste nach einem Tor. Nachdem verschiedene Schweizer Spieler mit albanischen Wurzeln die Geste nach Torerfolgen in ihren Vereinen praktizierten, beschloss der SFV, seinen Spielern aufzuzeigen, dass diese Gestik in Anlehnung an das albanische Wappen nicht überall gut ankommt. Dies bewog den Rat der Albanerinnen und Albaner der Schweiz zu einer scharfen Stellungnahme. In einer Medienmitteilung hält er fest, dass es sich beim Doppeladler keinesfalls um ein politisches Symbol handle, sondern um eine Modeerscheinung der jungen Generation, die schlicht eine «Geste der Freude» darstellt. Nun sassen der Schweizer Mannschaftsrat (Inler, Shaqiri, Behrami, Lichtsteiner, von Bergen) mit Trainern und SFV-Verantwortlichen zusammen und besprachen sich. Fazit: Es war nie Absicht oder Idee des SFV, seinen Spielern ein Verbot für den Doppeladler-Jubel zu erteilen, zumal er im Nationalteam bisher nie vorgekommen sei. Valon Behrami meldet: «Wir haben das Team auf gewisse Gesten sensibilisiert – sie werden in Zukunft kein Thema mehr sein.»
Der Trainer wünscht sich mehr Effizienz
Wieder einmal leidet die Schweiz darunter, dass die Stürmer kaum Tore schiessen. Dass die Mannschaft keinen Alex Frei mehr hat, der mittelmässige Auftritte mit seinen Toren dutzendfach übertünchte. Petkovic sagt: «Wir vergessen immer wieder, wie jung unsere Stürmer noch sind. Sie haben alle noch zehn Jahre vor sich.» Und deshalb müsse man «manchmal auch vergeben».
Etwas mehr Selbstvertrauen vor dem Tor wünscht sich Petkovic von seinen jungen Stürmern Seferovic (22), Drmic (22) oder Mehmedi (23) aber doch. Ansonsten nützen auch die tollsten Ballbesitz- und Chancen-Verhältnisse nichts, die der Nationaltrainer freudig in Erinnerung ruft.
Und wie immer gilt auch: Die Schweiz ist abhängig von Xherdan Shaqiri. Er ist der Lenker der Offensive. Ein Lenker, der das bei seinem Verein Bayern München viel zu selten sein darf. Und deshalb in der Nationalmannschaft einen derart grossen Rollenwechsel vollziehen muss, dass es gar nicht erstaunen kann, wenn ihm nicht die Leistungen gelingen, die alle von ihm erwarten.
Petkovic äussert sich diplomatisch über Shaqiri, erinnert daran, dass es doch auch etwas bedeute, mit dem «besten Team der Welt» zu trainieren. Nach einem Rat für das kommende Transfer-Fenster gefragt, lächelt Petkovic erst, sagt dann: «Zum Glück bin ich nicht Shaqiri. Und auch nicht sein Bruder.» Und auch nicht Guus Hiddink, möchte man anfügen.