Am Ursprung des Schweizer Sieges gegen Litauen steht das Duo Josip Drmic und Xherdan Shaqiri. Beide gehen seit der WM einen schwierigen Weg – etwas Ablenkung tut gut.
Es ist spät geworden in der Arena von St.Gallen. Draussen regnet es unablässig weiter. Während sich drinnen in den Katakomben der süsse Duft des Sieges breitmacht. Es sind viele strahlende Gesichter zu sehen. Zufriedene Schweizer Spieler, die gerade sehr gerne erklären, warum und wie sie Litauen 4:0 besiegten.
Am meisten Aufmerksamkeit generiert das Schweizer «Duo infernale» – Xherdan Shaqiri und Josip Drmic. Dieses Duo ist massgeblich dafür verantwortlich, dass die gute Leistung schliesslich auch auf dem Totomat adäquat abgebildet ist und die Schweiz den restlichen sechs EM-Qualifikationsspielen 2015 guten Mutes entgegenblicken darf.
Die Geschichte dieses Duos im Schweizer Dress ist eine spezielle, mit vielen Gemeinsamkeiten. Als die Schweiz an der WM nach dem blamablen Spiel gegen Frankreich (2:5) mit dem Rücken zur Wand stand, spielten sich Shaqiri und Drmic sowohl gegen Honduras als auch im späteren Achtelfinal in den Vordergrund. Da waren zwei junge, trickreiche, tempofeste Spieler am Werk, die einer ganzen Nation viel Freude bereiteten.
Was nach der WM über den Sommer bis in den späten Herbst folgte, waren Wochen, die bei beiden ziemlich wenig mit «Highlights» zu tun hatten. Wochen, in denen die Ersatzbank den fussballerischen Alltag dominierte, bei Shaqiri in München, bei Drmic in Leverkusen. Auch deshalb könnten den Leidensgenossen diese Erfolgserlebnisse im Nationalteam Auftrieb geben.
Als Xherdan Shaqiri den Abend gegen Litauen aufarbeitete, sagte er: «Auf diese Leistung dürfen wir stolz sein. Wir sind nie nervös geworden, auch als das Tor noch fehlte. Irgendwann musste dieses 1:0 fallen. Als es dann endlich so weit war, spürten wir die Erleichterung schon.» Erleichterung? Wahrscheinlich galt das für niemanden so sehr wie für Shaqiri. Nach diesem Tor wurde von Minute zu Minute offensichtlicher, wie er an Sicherheit auf dem Feld gewann. Dieses wunderbare Tor per Hacke in der Nachspielzeit erzählte mehr als sämtliche Erklärungen. Endlich durfte sich Shaqiri wieder einmal unbeschwert fühlen. «Und dass ich ein Tor mit dem Kopf erziele, das kommt auch nicht so oft vor.»
In München bei seinem Verein ist Shaqiri mehr denn je in einer Sackgasse gefangen. Das Verhältnis seiner Einsatzminuten zu den maximal möglichen Minuten ist in seiner dritten Saison bei den Bayern so gering wie nie zuvor. Als Einwechselspieler müsste er dann innert kürzester Zeit auf sich aufmerksam machen. Das ist schwierig. Und vor allem ist es schwierig, sich im Nationalteam wieder an die «alte» Rolle zu gewöhnen. Jene, die er eigentlich auch im Verein haben möchte. Jene des Leistungsträgers.
Im Oktober erzählte Shaqiri so deutlich wie noch nie von seinen Wechselabsichten. Im Winter wird das Thema wieder aktuell. Und damit – es ist keine gewagte Prognose – werden auch die Gerüchte wieder zunehmen. Shaqiri zu Liverpool? Shaqiri zu Atlético Madrid? Shaqiri zu Juventus Turin? Shaqiri zu Dortmund? Das alles heisst es immer wieder. Es trägt dazu bei, dass sich Shaqiri immer wieder mit Nebengeleisen beschäftigen muss.
Im Gegensatz zu Shaqiri ist Josip Drmic erst am Anfang seines Weges bei Bayer Leverkusen. Allein, etwas mehr Vertrauen und Einsatzminuten hätte er sich schon erhofft. Darum sagt er nun: «Ich hoffe sehr, dass mein Trainer den Auftritt des Nationalteams und meine Aktionen gesehen hat.»
In den Tagen des 5-Jahr-Jubiläums des U17-Weltmeistertitels wurde Josip Drmic wieder einmal an sein persönliches Drama von damals erinnert. Die Gemeinde Freienbach verhinderte, dass er rechtzeitig eingebürgert wurde. Drmic war damals 16. Im Gespräch mit der «Schweiz am Sonntag» sagte er einmal: «Ich fühlte mich wie bei einem Verhör in einem schlechten Film.» Was ihn besonders störte, war, dass er auch Fragen beantworten musste, ob er denn wie Rakitic oder Petric später einmal für Kroatien spielen würde. Oder überhaupt einmal ins Militär gehe.
Dass Drmic doch noch Schweizer werden konnte, verdankt er auch einem glücklichen zeitlichen Zufall. Denn die Gemeinde wies auch den zweiten Einbürgerungstest zurück. Weil kurz darauf aber eine Gesetzesänderung in Kraft trat, konnte Drmic bei einer kantonalen Instanz Rekurs einlegen gegen den Entscheid. Diese Instanz entschied, dass das Einbürgerungsverfahren wiederholt werden müsse.
Hätte Drmic nur drei Monate früher zum zweiten Versuch antreten müssen – er hätte nie Schweizer werden können.