Alles ist angerichtet für den Europa-League-Final. Die Public Viewings stehen bereit, um die Übertragung der englischen BBC unters Volk zu bringen, britisches Bier ist ausreichend bestellt. Basel ist bereit für Jürgen Klopp und seinen FC Liverpool.
Spielt denn nur der FC Liverpool in diesem Final? Man könnte es meinen. Denn im grossen Klopp-Rummel gehen sie beinahe unter, die Sevillanos, die mit ihrer dritten Finalteilnahme in Serie den Titelhattrick realisieren können. Sie, die mit vier Titeln Europa-League-Rekordsieger sind, scheinen höchstens als Statisten geduldet zu sein in der englischen Euphorie.
Dazu gibt es keinen Grund. Im Gegenteil. Auch wenn die Spanier keinen derart klangvollen Namen haben wie ihre Ligakonkurrenten aus Madrid oder Barcelona, gehören sie zur Elite des europäischen Klubfussballs. Im Schatten der Topklubs reifte in Andalusien ein Team, das sich mit professioneller Führung und viel Herzblut zu einem Top-5-Klub der Primera División mauserte.
Dennoch hat man nicht die Mittel oder den Kader eines FC Barcelona. Schlüsselspieler verlassen den FC Sevilla in nahezu jedem Transferfenster. So ging im Sommer 2014 der Ex-Basler und Captain Ivan Rakitic nach Barcelona. Man muss sich aufgrund solcher Abgänge konstant neu erfinden. Das gelingt in der Rolle des «Grössten der Kleinen». In einer Liga, in der man die Champions League kaum über die Tabelle erreichen kann, gibt man sich auch mit einem siebten Rang, wie in diesem Jahr, zufrieden.
Der Fokus der Andalusier liegt auf der Titelverteidigung in der Europa League, was ihnen die Qualifikation zur Königsklasse garantieren würde. In der Meisterschaft liess man die Zügel schleifen und gewann in den letzten neun Partien lediglich einmal. Dass dieser Sieg ausgerechnet im Derby gegen Betis zustande kam, beweist, dass die Sevillanos ihren Fokus in einzigartiger Manier auf die wichtigen Duelle legen können.
So stiess man trotz Flaute in der Meisterschaft in die Finals des spanischen Cups und der Europa League vor. Mit Kevin Gameiro, Éver Banega und Fernando Llorente besteht das Rückgrat der Mannschaft aus Spielern, die zwar über grosse Klasse verfügen, aber trotzdem nicht zur Weltklasse gehören. Der Verein ist weit entfernt von Perfektion: Ihm gelang in der abgelaufenen Meisterschaft kein einziger Auswärtssieg.
Die Unberechenbarkeit der Sevillanos ist die Handschrift von Unai Emery. Der Trainer, der aus einer Torhüter-Familie kommt, coacht seinen FC Sevilla zwischen Genialität und Wahnsinn. Dass Sevilla-Fans beim Startelf-Tippspiel «El Once de Unai» zumeist scheitern und Emerys kuriose Ideen kaum einmal durchschauen, ist bezeichnend.
Der Final in Basel wird für Sevilla zu einem Auswärtsspiel. Dennoch geht die Mannschaft mit ihrem undurchschaubaren Coach als Geheimfavorit ins Spiel. Geheim bliebt für Jürgen Klopp wohl auch die taktische Ausrichtung der Sevillanos. Er könnte sein Glück ja bei «El Once de Unai» versuchen.
Dass man den FC Sevilla trotzdem nicht ausreichend wahrnimmt ist verständlich, gehen doch Erfolg und Glamour oft Hand in Hand. Dass es nicht immer so sein muss, könnte der belächelte Favorit aus Andalusien im Final gegen Liverpool ein weiteres Mal beweisen.