Der Torhüter wurde im Vorbereitungscamp der Schweizer Nationalmannschaft positiv auf Corona getestet. Die Länderspiele in England und gegen den Kosovo sind nicht in Gefahr.
Die Nachricht aus dem Trainingscamp der Schweizer Nationalmannschaft kommt am späten Abend und ist ein kleiner Schock: Yann Sommer fällt aus – wegen Corona.
Der Torhüter verspürte am Dienstagmittag leichte Symptome, liess sich danach vorsichtshalber noch einmal testen. Und erhielt dann am Abend den positiven Befund. Bedeutet: Sommer muss sich nun im Hotel in Marbella isolieren. Für seine Teamkollegen und den Staff hat Sommers Coronafall vorderhand keine Konsequenzen. Nur wer Symptome verspürt, wird getestet. Die Länderspiele gegen England am Samstag in London und gegen den Kosovo am nächsten Dienstag in Zürich sind nicht in Gefahr.
Sommers Fall zeigt exemplarisch, dass Corona allgegenwärtig ist. Gerade der Fussball ist noch weit von einer Normalität entfernt. Nun bleibt zu hoffen, dass der Verlauf auch bei Sommer mild ist, und sich nicht allzu viele Schweizer Nationalspieler bereits angesteckt haben.
Weil vor Sommer mit Philipp Köhn bereits ein zweiter Schweizer Torhüter absagen musste, nominierte Nationaltrainer Murat Yakin nun David von Ballmoos nach. Der YB-Torhüter komplettiert das Trio um Gregor Kobel und Jonas Omlin.
Noch am Dienstagmittag ist Sommers Welt eine ganz andere. Gerade hat er in Marbella das zweite Training dieses Vorbereitungscamps absolviert, als er im Gespräch mit dieser Zeitung über seine Zukunft spricht. Die grosse Frage lautet: Wie lange dürfen die Schweizer Fans Yann Sommer noch im Nati-Trikot geniessen?
Sommer, der Held, der die Schweiz mit seiner Parade im Penaltyschiessen gegen Frankreich in den EM-Viertelfinal hexte. Sommer, der Held, an dem auch die Italiener verzweifelten, der die Schweiz zur direkten Qualifikation für die WM 2022 in Katar führte. 34 Jahre alt wird er am Tag vor dem WM-Final. Hat er irgendwann genug? Sommer sagt:
«Ich lasse alles offen, wie es nach der WM weitergeht. Ich will mich komplett auf das Turnier fokussieren. Alles andere kann warten. Ich geniesse jeden Tag mit der Nati, es sind schöne Jahre als Goalie, mit viel Erfahrung und einiger Gelassenheit im Gepäck, die dir als junger Goalie noch fehlt.»
Eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung bezüglich seiner Nati-Zukunft spielt mit Sicherheit seine Familie. Im Juni, zwischen den zwei EM-Spielen gegen Italien und die Türkei, sind Sommer und seine Frau Alina zum zweiten Mal Eltern geworden. Nayla ist mittlerweile 9 Monate alt, ihre grössere Schwester Mila ist zweieinhalb-jährig.
«Natürlich würde ich lügen, wenn ich jetzt sagte, meine Frau fände es sehr blöd, wenn ich mehr Zeit zu Hause verbringen würde. Aber sie freut sich auch sehr, mich in der Nati spielen zu sehen. Und meine Kinder waren noch nie an einem Nati-Spiel. Das werden wir definitiv noch ändern. Eines bleibt immer gleich: Es erfüllt mich mit riesigem Stolz, für die Nati zu spielen.»
Schweizer Rekordtorhüter ist Sommer schon seit geraumer Zeit mit seinen 72 Länderspielen. Sollte er sich nicht verletzen, wird er mit der WM am Ende dieses Jahres einen weiteren Rekord erreichen: Sommer wird als erster Schweizer Torhüter sein viertes grosses Turnier bestreiten. Sein Vorgänger Diego Benaglio kam auf drei Endrunden, ehe er nach der WM 2014 in Brasilien zurücktrat und Sommer das Feld überliess.
Erich Burgener - 64 Länderspiele (-)
Diego Benaglio - 61 Länderspiele (2x WM-, 1x-EM-Teilnahme)
Marco Pascolo - 57 Länderspiele, (1 WM-Teilnahme)
Pascal Zuberbühler - 51 Länderspiele, (1 WM-Teilnahme)
Nun ist Sommer in einer ähnlichen Lage wie Benaglio damals. Form und Standing im Team sprechen weiterhin für ihn, seine Beliebtheit im Land sowieso, gleichzeitig weiss er auch, dass die Konkurrenz langsam Ansprüche anmeldet. Allen voran Gregor Kobel. Der 24-Jährige spielt nach seinem Wechsel zu Dortmund eine starke Saison und scheint bereit, Sommers Platz irgendwann zu erben. Dazu wächst in Salzburg mit Philipp Köhn bereits der nächste vielversprechende Schweizer Torhüter heran. Noch aber ist das Sommer-Märchen mit der Nati nicht zu Ende geschrieben.
Während Sommer mit dem Nationalteam derzeit ein schönes Kapitel nach dem anderen erlebt, stehen die Zeichen bei Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga auf Sturm. Der Verein durchlebt gerade seine schlimmste Krise seit der Saison 2010/11. Damals übernahm Lucien Favre die taumelnde Borussia, rettete sie aus einer eigentlich aussichtslosen Lage vor dem Abstieg. Und führte sie dann Schritt für Schritt an die Spitze der Bundesliga. Sommer sagt:
«Die Tage beim Nationalteam fühlen sich schon ein bisschen wie Wellness für den Kopf an»
Gladbachs Absturz begann vor etwas mehr als einem Jahr, als Trainer Marco Rose ankündigte, den Verein zu verlassen und nach Dortmund zu wechseln. Nachfolger Adi Hütter gelang es bislang nicht, aus der Summe vieler erfolgversprechenden Individuen eine Einheit zu bilden.
«Keine Frage, wir haben uns die Situation ganz anders vorgestellt am Anfang der Saison. Jetzt ist es so, wie es ist. Und wir müssen endlich eine Konstanz hinkriegen. Wir haben viel Qualität, über das reden wir auch oft – aber das ist eben auch eine Gefahr. Die Bundesliga ist sehr tough, ich sage das seit Jahren. Man muss in jedem Spiel sehr viel investieren, um erfolgreich zu sein. Das haben wir in letzter Zeit zu wenig gemacht.»
Das sind klare Worte. An Sommer selbst liegt die Krise jedenfalls nicht. Er spielt eine weitere bemerkenswert gute Saison. Ohne seine Glanzleistungen stünde Mönchengladbach noch viel mehr im Schlamassel. Immerhin, der letzte Trend sieht positiv aus. Die Siege gegen Hertha BSC Berlin und Bochum (wobei dieses Spiel abgebrochen wurde, dürfte jedoch ein Forfait-Sieg für Gladbach nach sich ziehen) geben etwas Luft im Abstiegskampf.
Doch nun heisst es für ihn zuallerst: gesund werden.