Fussball
Verteidiger Bryan Okoh, 18, ist einer der hoffnungsvollsten Schweizer Fussballer – wer ist der Mann, der nun erstmals bei der Nati dabei ist?

Er wechselte mit 16 für zwei Millionen von Lausanne zu Salzburg. Er verehrt Manuel Akanji. Und er hat vier Pässe. 18-jährig ist Bryan Okoh mittlerweile – nun wurde er von Nationaltrainer Murat Yakin zum ersten Mal für das Nationalteam aufgeboten. Das ist die Geschichte eines Spielers, von dem die Schweiz noch viel hören wird.

Etienne Wuillemin, Lugano
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Als Bryan Okoh 16-jährig ist, bezahlt RB Salzburg zwei Millionen Euro für ihn.

Als Bryan Okoh 16-jährig ist, bezahlt RB Salzburg zwei Millionen Euro für ihn.

Bild: Samuel Golay/Keystone(Lugano, 8. November 2021)

Es ist kalt geworden an diesem Montagabend im Cornaredo Lugano. Die Schweizer Nationalspieler beenden ihre erste Trainingseinheit der Woche. Als Dank für die Unterstützung werfen sie kleine Bälle ins Publikum. Die Freude der vielen Kinder ist riesig. Überall lachende Gesichter. Mittendrin: Bryan Okoh.

Es ist ein Name, der bis anhin nur Fussball-Kennern ein Begriff ist. Doch das könnte sich bald ändern. Dafür sorgt Nationaltrainer Murat Yakin mit Okohs Aufgebot für die letzten WM-Qualifikationsspiele gegen Italien und Bulgarien. Seit gestern darf Okoh erste Nati-Luft schnuppern, weil Nico Elvedi verletzt ausfällt (siehe auch Text unten). Wer aber ist Bryan Okoh?

Ankunft in Lugano fürs erste Nati-Camp: Bryan Okoh.

Ankunft in Lugano fürs erste Nati-Camp: Bryan Okoh.

Samuel Golay / KEYSTONE/TI-PRESS

Rekordtransfer nach Salzburg mit 16 Jahren

Geboren wird er in den USA, in Houston. Sein Vater stammt aus Nigeria, seine Mutter aus der Demokratischen Republik ­Kongo. Sie verlassen die USA aber bald in Richtung der Schweiz, Okoh ist zu dieser Zeit noch ein Baby. Die Familie wird in der Romandie sesshaft. Dort findet Bryan Okoh zum Fussball. Als 7-Jähriger tritt er dem FC Espagnol ­Lausanne bei, mit 13 findet er Aufnahme in der Jugend von Lausanne Sports. Er macht sich rasch einen Namen als grosses Talent. Das Interesse von RB Salzburg ist geweckt. Im Sommer 2019, Okoh ist jetzt 16, überweisen die Österreicher zwei Millionen Euro nach Lausanne. Rekord! Noch nie war ein Schweizer in diesem Alter teurer.

Okoh sagt: «Ich bin in Salzburg, weil sie etwas in mir sehen»

In einem Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» sagt Okoh anfangs Oktober: «Ich bin in Salzburg, weil sie etwas in mir sehen. Ich will zeigen, dass sie damit recht haben.» Wie so viele Nachwuchsspieler in Salzburg wird auch Okoh zuerst ans Partnerteam Liefering ausgeliehen. Zum Saisonende 2020, nach dem Corona-Unterbruch, macht er die ersten Spiele. In der Saison 2020/21 gelingt ihm in der Rückrunde definitiv der Durchbruch. Und auch diese Saison beginnt Okoh, mittlerweile 18 Jahre alt, wieder in Liefering.

Am 22. September ist es dann soweit. Im Cup debütiert Okoh für Salzburg. Beim 8:0 gegen den Regionalligisten Kalsdorf wird er in der 57. Minute eingewechselt. Okoh erzielt auch gleich noch sein erstes Tor. Danach wird er jedoch wieder für Liefering eingesetzt. Besonders in Erinnerung ist ihm allerdings ein Testspiel vor der ­Saison. Bei Salzburgs 2:1-Sieg gegen Barcelona steht Okoh auf dem Feld. Er geniesst die Ovationen des Publikums in vollen Zügen.

Okoh entschied sich früh für die Schweiz

Okoh besitzt vier Pässe, also könnte er theoretisch aus vier Nationalmannschaften wählen. Die USA zeigten Interesse, doch Okoh möchte für die Schweiz spielen, er hat sich längst entschieden. Für die U21 hat er bereits zwei Spiele gemacht. Zuletzt beim 2:2 gegen Holland war er Ersatz. U21-­Nationaltrainer Mauro Lustrinelli attestiert Okoh gegenüber dem «Tages-­Anzeiger» eine riesige Zukunft – «wenn er so weitermacht». Es gibt Anzeichen dafür, dass ihm das gelingt. Aber eine Garantie? Nein. Auch nicht für einen Rekord-Spieler.

In der Akademie Salzburg ist Okoh nicht der einzige Schweizer. Im Gegenteil. Die Österreicher haben sich zuletzt gar zu einer Art «Schweizer Akademie» entwickelt. Noah Okafor machte zuletzt mit seinen Toren viel von sich reden. Im Tor steht mit Philipp Köhn ein Mann, der gute Chancen hat, Dortmunds Gregor Kobel als Nachfolger von Yann Sommer im Nati-Tor herauszufordern. Und mit Federico Crescenti wechselte im Sommer 2020 ein mittlerweile 17-jähriger Stürmer aus St.Gallen ins Red-Bull-Universum.

In Lugano meldet Okafor gestern schon einmal: «Ich denke, Bryan kann ein grossartiger ­Innenverteidiger werden.» Okafor selbst wechselte anfangs 2020 vom FC Basel nach Salzburg. Wenn er über den Verein spricht, gerät er ins Schwärmen: «Die Infrastruktur, überhaupt das gesamte Umfeld könnte kaum bessern sein für einen jungen Spieler, um sich zu entwickeln. Zudem gibt der Verein seinen Talenten genügend Zeit, um ruhig und fokussiert an sich zu arbeiten.» Gut möglich, dass Okah bald einmal ähnliche Schlagzeilen schreibt wie Okafor gerade, der in 20 Einsätzen in dieser Saison schon neuen Tore erzielte.

Das Lob von Nationaltrainer Yakin für seinen Neuling

Wenn Nationaltrainer Yakin über Okoh spricht, dann tönt das so: «Schnell, ­robust, zweikampfstark. Jetzt können wir an den Finessen arbeiten. Ich bin gespannt, was ich von ihm sehe in den Trainings.» Dass Okoh gegen Italien nun gleich als gleich von Beginn an neben seinem Idol Manuel Akanji spielen wird, ist ­gewiss nicht zu erwarten. Fabian Schär dürfte Elvedi ersetzen. Bleibt die ­Frage: Warum wurde FCZ-Verteidiger Becir Omeragic übergangen, der jüngst ­immer wieder zum Nati-Kader gehörte? Die Antwort ist einfach: Omeragic ist mittlerweile in der U21 eine feste Grösse. Darum erachten es Yakin und Nati-Manager Pierluigi Tami als sinnvoller, wenn Omeragic mit der U21 zwei Spiele in der EM-Qualifikation gegen Moldawien und Wales bestreitet. Der Freude von Bryan Okoh tut das ­keinen Abbruch. Er schnuppert und geniesst. Er ist gekommen, um zu bleiben.